Carmina Brenner zu Gast bei Haus & Grund / Manfred Bok: "Wozu braucht Horb noch einen Einkaufstempel?"

Von Peter Morlok

Horb-Dettingen. Zu einer Versammlung lud der Eigentümerverein Haus & Grund seine Mitglieder am Dienstagabend in den Dettinger "Adler" ein.

Zum einen galt es die bei der letztjährigen Hauptversammlung noch nicht mögliche Entlastung des gesamten Vorstandes nachzuholen, zum anderen war es dem Vorsitzenden Manfred Bok nach einigen missglückten Anläufen endlich gelungen, Carmina Brenner für einen Vortrag zum topaktuellen Thema demografischer Wandel zu gewinnen.

Die Entlastung musste nachgeholt werden, da beim letzten Treffen der Kassenabschluss noch nicht fertig war und die Kassenprüfung auch noch nicht erfolgen konnte. Zwei wichtige Punkte, ohne die keine Mitgliederversammlung eine Vorstandsmannschaft aus ihrer Verpflichtung entlässt. Dies wurde für das Geschäftsjahr 2013 nun nachgeholt. Bok freute sich in seiner Begrüßung, dass trotz Umleitung mit Totalsperrung so viele Mitglieder den Weg nach Dettingen fanden und noch mehr auf den Vortrag, den die Präsidentin des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg vorbereitet hatte.

Wer könnte auch profunder über die Trends berichten, als die Altheimer Betriebs- und Volkswirtschaftlerin Carmina Brenner, die auch als Horber Gemeinderätin seit Jahren ganz dicht am strukturellen Wandel im ländlichen Raum dran ist. "Bevor ich ihnen jetzt viele Zahlen um die Ohren pfeffere, zeige ich ihnen die Entwicklungen des Demografischen Wandels anhand von Schaubildern und Diagrammen", gab’s gleich vorab Entwarnung von der Referentin.

Baden-Württemberg sei durch seine besondere Struktur in einer sehr spezifischen Situation, erklärte sie zum Einstieg. Neben den Verdichtungszentren, die als Ober- und Mittelzentren gelistet sind, leben rund ein Drittel der knapp elf Millionen Bürger in den Umlandgemeinden, wie der ländliche Raum auch genannt wird. Seit die Wirtschaft wieder boomt, habe man zwar einen Zuwanderungsgewinn von 70 000 Personen, den man aber nicht zu hoch einschätzen sollte. Auch wenn mehr Leute in Baden-Württemberg leben, werden viel weniger Kinder geboren als Leute sterben. Dies habe eine Überalterung der Bevölkerung zur Folge. "Ein Drittel der Geburten fehlen seit Jahren um wenigsten das Gleichgewicht halten zu können", erklärte Brenner. Aktuell haben Frauen im gebärfähigen Alter 1,4 Kinder, um das Gleichgewicht in der Bevölkerungspyramide wenigstens auszugleichen müssten es aber zwei Kinder sein.

Dagegen steht die längere Lebenserwartung der Bevölkerung. Heute ist der Durchschnitts-Horber 45 Jahre alt, 2030 wird er 46,6 Jahre alt sein. Obwohl für Horb unmittelbar mit einer Fortsetzung der schon seit einigen Jahren bestehenden Bevölkerungsrückgänge zu rechnen ist, warnte Brenner davor, die Milchmädchenrechnung "Weniger Personen – weniger Wohnraumbedarf" aufzumachen. "Dies ist eine Gleichung, die nicht funktioniert!"

Im Fazit ihrer Betrachtungen stellte die Altheimerin fest, dass diese Bevölkerungsentwicklung weitreichende Folgen für die Infrastrukturplanung hat. "Noch vor 15 Jahren haben wir uns hier im Gemeinderat mit Schulerweiterungsbauten sowie Kindergärten beschäftigt und haben Neubaugebiete ausgewiesen. Heute müssen wir schauen, dass wir unsere Schulstandorte halten und die Verdichtung der Ortskerne vorantreiben.

Das Talheimer Neubaugebiet wird deshalb vermutlich das letzte Baugebiet in dieser Form für lange Jahre sein", so ihre Einschätzung – obwohl der Trend zum Eigenheim bleibt. Jedoch waren in den letzten Jahren 40 Prozent des neu gebauten Wohnraumes Einfamilienhäuser. Carmina Brenner betonte, dass heute der Fokus auf altersgerechte Strukturen gelegt werden muss.

Die Belegungsdichte der Haushalte nimmt ab, das Alter der Personen pro Haushalt steigt. Daher seien barrierefreie Zugänge und altersgerechte Mobilität Parameter, die nachgefragt werden: "Das Wohnen im Ortskern verliert dadurch langsam seinen altmodischen Touch." In diesem Zusammenhang warnt sie aber die Hausbesitzer im ländlichen Raum, dass sie nicht mehr von Erlösen träumen dürften, die Großstadttauglich seien. Ein ausgewogener "Umbau des Ländlichen Raums – orientiert an einer generationenübergreifenden Attraktivität" nannte sie als Ziel für die Zukunft im Kreis Freudenstadt.

Manfred Bok unterstrich in seinen Anmerkungen zum Thema, dass "nichtwohnen nicht geht" und dass man trotzdem nicht für immer weniger Menschen größere Orte bauen könne. Er ist ferner der Ansicht, dass die "Horber Krankenhaus-Affäre" im Hinblick auf den Zuzug junger Familien immens geschadet hat und Altbaubesitzer und Erbengemeinschaften umdenken müssten.

Auch sieht er mit dem Demografischer Wandel eine Veränderung der Handelsstrukturen einhergehen. "Der Einzelhandel verschwindet, der Internethandel wird immer stärker – für was braucht Horb dann auch noch einen Einkaufstempel", machte Bok ein weiteres Fass auf.

Carmina Brenner stand nach ihrem Vortrag noch für gezielte Nachfragen zur Verfügung.