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Jan Zeitler über die Stadt, den Kreis, den Horber OB und die Zukunft am Bodensee

Horb. Innerlich hat er sich längst auf seinen OB-Job in Überlingen vorbereitet, doch auch zu einem Horber Thema fällt dem scheidenden Horber Bürgermeister Jan Zeitler noch ein Resümee ein: der – momentan noch fiktive – Ausstieg Horbs aus dem Kreis Freudenstadt.

Wie denken Sie über den HOR-Exit?

Ich glaube, dass es in einem kleinen Landkreis schwierig ist, wenn man sich untereinander bekriegt, und hätte mir gewünscht, dass es auf beiden Seiten des Landkreises etwas mehr Verständnis füreinander gibt. Nach meiner Auffassung müsste die Diskussion dann so gar nicht angestoßen werden, wenn man etwas mehr aufeinander zuginge.

Woran lieg das?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Sichtweise in Freudenstadt, dass sich auch Horb entwickeln können muss und darf, nicht uneingeschränkt vorhanden ist. Letztendlich wird gesagt: Mich interessiert Freudenstadt als Kreisstadt. Den Gegenpol gibt es natürlich auch in Horb. Diejenigen sagen: "Die Freudenstädter interessieren sich nicht für uns, also interessieren wir uns nicht für sie. Also versuchen wir, unser eigenes Ding zu machen." Für eine Region, die gemeinsam nach vorne kommen möchte, ist dies für mich der falsche Ansatz.

Wird Horb benachteiligt?

Ich glaube, dass im Landkreis Freudenstadt viel Energie für Grabenkämpfe verloren geht. Wenn man diesen kleinen Landkreis sieht, kommt man zum Schluss, dass es gemeinsam erfolgreicher geht. Aber – jetzt kommt ein bisschen die Horber Sicht mit rein – das kann nur funktionieren, wenn man im gesamten Landkreis auch sieht, dass es hier eine Große Kreisstadt gibt, die nicht die Kreisstadt ist. Aber die sich mindestens genauso gut entwickelt und sich genauso gut entwickeln können muss wie Freudenstadt als Kreisstadt. Ich glaube schon, dass der Landrat bemüht ist, das umzusetzen. Es gibt aber Fragestellungen – ich sage nur: Krankenhaus oder die Ansiedlung des Uni-Standorts – bei denen ich den Eindruck habe, dass man nicht genug Anstrengungen unternimmt, um der Horber Bürgerschaft auch zu signalisieren, wir sehen als Kreistag auch eure Belange. Und vor allem: Wir kommen diesen Belangen auch einmal entgegen, weil wir euch verstehen.

Woran liegt das?

Freudenstadts Bürgermeister Julian Osswald ist sehr wettbewerbsorientiert. Ich glaube schon, dass OB Osswald bewusst die Karte spielt: Wir sind die Hauptstadt des Landkreises. Das mag über kurz oder lang auch erfolgreich für Freudenstadt klingen, wird aber der Region nicht dienlich sein.

Ist es allein der selbstbewusste OB von Freudenstadt?

Nein. Die Mehrheit der Kreisräte im Kreistag kommt aus dem Westkreis. Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass Fragestellungen Horb betreffend grundsätzlich bei einigen Kreistagskollegen mit Vorbehalt aufgenommen werden. Insofern würde ich mir da für die Zukunft den Schulterschluss zwischen West- und Ostkreis wünschen. Dann müsste man die Diskussion über den Landkreisaustritt gar nicht führen. Wesentliche Frage bei einem HOR-Exit wäre: Dazu braucht es eine Landtagsmehrheit – gäbe es die? Wo sollte Horb hin? Wo ist es besser? Ich glaube, das kann man im Moment nicht ernsthaft in Betracht ziehen.

Wie sehen Sie als gewählter OB von Überlingen das Verhältnis zum Bodenseekreis?

In Überlingen war das Verhältnis der bisherigen Amtsinhaberin zum Landkreis nicht unbelastet. Landrat Wölfle hat mir signalisiert, dass er an einer besseren Zusammenarbeit mit der Großen Kreisstadt Überlingen sehr interessiert ist. Dort ist die Konstellation aber anders: Friedrichshafen ist deutlich größer. Das Oberzentrum Friedrichshafen/Ravensburg/Weingarten und Überlingen als starkes Mittelzentrum. Aber ich werde natürlich auch ganz deutlich die Interessen von Überlingen formulieren und Dinge einfordern. Wo ich mit Landrat Wölfle jetzt schon einig bin: Die Landesgartenschau als großes, wichtiges Projekt für die Bodenseeregion steht an. Da müssen Überlingen und der Landkreis sehr gut zusammenarbeiten. Das ist auch eine Chance, sich zu finden und andere Dinge anzustoßen. Ich glaube, dass man im Bodenseeraum die Grenze zwischen dem badischen Überlingen und dem württembergischen Friedrichshafen eher überwinden kann, wenn man die deutsche Bodenseeregion als Ganzes sieht - auch in Konkurrenz zur österreichischen und schweizerischen Seite des Sees.

Wie lange kennen Sie Überlingen?

Ich kenne Überlingen schon aus der Zeit, als ich in Konstanz studiert habe. Erstmalig mit Überlingen als Stadt auseinandergesetzt habe ich mich, als ich 2013 zu einem Vortrag über die Gartenschau Horb von der dortigen Freien Wählervereinigung eingeladen war. Als Bürgermeister geht man mit anderen Augen durch eine Stadt als ein Tourist. Man schaut auf das Gesamterscheinungsbild, auf Entwicklungspotenziale, die man erkennt. Damals habe ich schon gedacht: Schöne historische gewachsene Kernstadt. Sieben Teilorte, etwas im Hinterland gelegen. Eine spannende Stadt mit interessanten Entwicklungsmöglichkeiten – auch vor dem Hintergrund einer bevorstehenden Landesgartenschau. Da bin ich ehrlich: Als ich mich mit der Stadt auseinandergesetzt habe, war ich schon relativ früh fasziniert von den Möglichkeiten, die Überlingen in dieser wunderbaren Landschaft bietet.

Überlingen hat viel mehr Steuereinnahmen als Horb. Wo sind die Herausforderungen?

Es gibt einen unheimlichen Investitionsstau. Viele größere Projekte müssen einfach mal umgesetzt werden. Am Schulzentrum fehlt eine Sporthalle, die vor zweieinhalb Jahren bereits abgerissen wurde. Ich werde großen Wert drauf legen, dass wir dieses Jahr noch den Spatenstich für die neue Mehrfeld-Sporthalle hinkriegen. Die erste Hälfte meiner Amtszeit wird stark operativ geprägt sein. Das heißt konkret: Projekte anstoßen und zügig abarbeiten. Diese Zeit sehe ich bis nach der Landesgartenschau. Dann wird kurz durchgeatmet, und ab 2021 werden wir mit Bürgerschaft, Gemeinderat und Verwaltung Überlingen für die mittelfristige Zukunft aufstellen.

Horb ist ja recht knauserig. Tut es nicht gut, in Überlingen mal aus dem Vollen schöpfen zu können?

Das ist alles relativ. Überlingen hat auch hohe Ausgaben. Die Stadt hat auch die Herausforderung, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Es gibt noch keine festgestellte Eröffnungsbilanz, obwohl man seit 2013 doppisch bucht. Mein großes Anliegen ist es – und da gibt es hoffnungsvolle Signale vom RP Tübingen – dass Überlingen einen genehmigungsfähigen Haushalt hinbekommt. Auch hier sind große Anstrengungen erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen.

Ist da der Rotstift nötig?

Ich werde – so wie ich es mit Kollege Rosenberger in Horb gemacht habe – eine Priorisierungsdebatte führen müssen, was den Mitteleinsatz angeht. Beispielsweise: Wie viel Geld wollen wir für die Sanierung der Seepromenade ausgeben? Kann es auch etwas weniger sein, um so mit der Sanierung der Schulen etwas schneller voranzukommen? Da sehe ich enormen Handlungsbedarf.

In Ihrer Horber Zeit gab es zwei große Niederlagen in Ihrem Verantwortungsbereich – das Aus für den Windpark…

Beim Windpark ist es eine Niederlage gewesen – insbesondere die Ablehnung des sachlichen Teilflächennutzungsplans durch das Regierungspräsidium Karlsruhe. Man hat uns mitgeteilt, wir sind Ausläufer des Rotmilan-Dichtezentrums Schwarzwald-Baar. Und ein halbes Jahr später hat man im Dichtezentrum – bei Donaueschingen – einen Windpark genehmigt. Das war ein anderes Regierungspräsidium. Das in Freiburg. Ich bedauere es, dass der Gemeinderat nach dieser Erfahrung dann gesagt hat: Wir möchten keine Windkraft auf eigener Gemarkung weiter verfolgen.

…und das Waldner-Areal?

Beim Waldner-Areal hat es mich gewundert, dass die damals von der Baurechtsbehörde gewährten, überschaubaren Befreiungen nicht möglich waren. Aber – da muss man was Gutes aus der Niederlage ziehen – es hat letzten Endes dazu geführt, dass wir eine überarbeitete Stadtgestaltungssatzung haben. Und es wird weitergehen mit dem Projekt. Man muss auch mit Niederlagen in der Kommunalpolitik umgehen können. Wir haben um die Projekte engagiert gekämpft – und haben uns da nichts vorzuwerfen.

Was haben Sie aus diesen Niederlagen gelernt?

Ich würde es immer so handhaben. Wenn ich von einem kommunalen Projekt überzeugt bin und glaube, es ist der richtige Schritt für die Stadt, würde ich mich jederzeit wieder dafür verkämpfen. Es wäre falsch gewesen, zu denken: Naja, ob wir die Genehmigung bekommen? Ach lassen, wir es lieber sein. Das ist Stillstand in einer Stadt. Das Bewusstsein, dass es auch nicht klappen kann, muss man immer in sich tragen.

Wie dick ist Ihr Fell in Horb geworden?

Ich denke, mein Fell ist dick genug. In meiner Zeit als Erster Beigeordneter war ich in der Rolle des zweiten Mannes. Jetzt bin ich der, der die letztendliche Entscheidung treffen darf – und da freue ich mich wahnsinnig drauf.

Was haben Sie von Horbs OB Rosenberger gelernt?

Der Kollege Rosenberger denkt und agiert aus meiner Sicht politisch, vor dem Hintergrund, mehrheitsfähige Entscheidungen im Gemeinderat herbeizuführen. Und wenn er die nicht hinbekommt, einen Konsens zu finden. Das ist aus meiner Sicht für die Entwicklung einer Kommune wichtig, um voranzukommen. Als ich hier anfing, habe ich mehr sachorientiert und weniger politisch gedacht. Ich erinnere mich an einen Spruch, den er mal gesagt hat: In der Kommunalpolitik gibt es nicht immer nur schwarz oder Weiß, sondern auch diverse Grautöne. Das ist vielleicht eine Antwort darauf: Finde ich doch noch einen Weg, um zum Ziel zu kommen? Wenn auch nicht in dem Schwarz oder Weiß, wie ich mir das vorgenommen habe? Das nehme ich mit.

Werden Sie Rosenberger vermissen?

Wenn man das Verhältnis zwischen Oberbürgermeister und Bürgermeister in anderen Städten vergleichen, ist unser Verhältnis schon das Maximum, was man herausholen konnte. In sofern glaube ich schon, dass er wie ich das schon ein bisschen vermissen werden.

Sie haben die Bürger aufgefordert, sorgsam mit Horb umzugehen?

Immer, wenn ich Termine außerhalb wahrnehme, heißt es: Wir kennen Horb. Was für eine tolle Stadt. Die Wahrnehmung von außen ist viel besser als in der Bürgerschaft, die natürlich tagtäglich am Geschehen ist, aber viele Kritikpunkte vielleicht etwas zu hoch hängt.

Was ist der Rat an Ihren Nachfolger?

Ich warne davor, zu glauben, dass man als Bürgermeister in Horb die Entscheidungen alleine treffen kann. Man bewirbt sich hier auf die Stelle als zweiter Mann. Es darf nicht unterschätzt werden, dass die Richtlinienkompetenz des Oberbürgermeisters das eine oder andere Mal entscheidend ist.

Was sollte er oder sie bei Horbs Oberbürgermeister nie machen?

Ihn auf seinen übertriebenen Pepsi-Cola-Light-Konsum ansprechen. Das wird nicht goutiert.   Die Fragen stellte Jürgen Lück.