Kultur- und Museumsverein: Heinrich Raible sorgt auf unorthodoxe Weise für überraschende Erkenntnisse

Für Staunen beim Kultur- und Museumsverein sorgte eine Entdeckung, die durch eine nicht alltägliche Methode zustande kam. Ein Wünschelrutengänger soll den Grundriss der vor 211 Jahren abgebrochenen Heiligkreuzkapelle gefunden haben.

Horb. Der stellvertretende Vorsitzende Heinrich Raible hatte den Vorsitzenden Joachim Lipp und den Ehrenvorsitzenden Franz Geßler auf den Kreuzkapellenberg gerufen. Dort fanden sie den Grundriss der Kapelle, der mit Holzpfählen markiert war.

Schon lange interessiert sich Heinrich Raible für die Gegend um das Horber Galgenfeld, einer Flur, die durch den Stadtteil Hohenberg überbaut worden ist und deren Name an das dortige Hinrichtungsinstrument vergangener Jahrhunderte erinnerte. Zum einen befindet sich dort beim ehemaligen Offizierskasino der Steinerne Geschichtsgarten, den er als Kleindenkmalfreund alljährlich nicht nur vom hohen Gras befreit. Zum anderen erlöst er als städtischer Kümmerer beim 2006 erneuerten Missionskreuz, wo ehemals die Heiligkreuzkapelle gestanden hat, den Aussichtspunkt regelmäßig von den Hinterlassenschaften einiger Raudis.

Darüber hinaus besitzt Raible von seinem Vater eine alte Flurkarte, auf der unter dem eingezeichneten Wasserturm das Wort "Galgen" eingetragen ist, weshalb eines seiner nächsten Ausflugsziele Beerfelden im Odenwald sein wird. Dort befindet sich auf dem Galgenberg im Original noch ein 420 Jahre alter dreischläfriger Galgen, der einst als Holzkonstruktion auch beim Horber Galgenfeld auf dem höchsten Punkt der Hangkante über dem Neckartal bis 1817 für Abschreckung gesorgt hatte.

Südwestliche Ausrichtung der Kapelle überrascht

Auch der Gedanke an die abgegangene Heiligkreuzkapelle treibt Raible schon länger um, weshalb er nach jemandem suchte, der ihm dabei helfen konnte, den genauen Standort dieses verschwundenen Kapellenbaus auszumachen. Besagte Person fand er in dem Oberndorfer Höhlenforscher Wolfgang Strittmatter, den er bei der Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg kennengelernt hatte. Als erfahrener Wünschelrutengänger, der in der Lage ist, Leitungen oder Mauerverläufe im Erdreich zu lokalisieren, hatte Strittmatter bereits im vergangenen Sommer die Grundmauern eines Rundturms beim ehemaligen Schüttetörle aufgespürt.

Franz Geßler und Joachim Lipp staunten nicht schlecht über die Ausschläge von Strittmatters Winkelrute, mit der dieser den Grundmauern der Heiligkreuzkapelle nachspürte. Anhand der Rutenausschläge konnte Strittmatter selbst den einstigen Kapelleneingang und die Lage eines Kapellenfensters ausfindig machen. Die Heiligkreuzkapelle, die über einen stadtabgewandten Zugang von Nordosten sowie zumindest über ein nach Süden ausgerichtetes Fenster verfügte, besaß eine Länge von 6,10 Metern und eine Breite von 3,20 Metern. Nach Strittmatters Erkenntnissen weist die 0,85 Meter tiefe Altarapsis, die nicht nach Osten, sondern auf die Stiftskirche Heilig Kreuz ausgerichtet war, einen Drei-Achtel-Schluss auf. Diesen Umstand konnte Franz Geßler aufgrund seiner bisherigen Nachforschungen zur Kapellengeschichte bestätigen.

Besonders beeindruckt waren Raible, Lipp und Geßler von der von Strittmatter festgestellten südwestlichen Ausrichtung der Kapelle. Der viereckige Bau mit Drei-Achtel-Chorschluss lag damit nämlich genau in einer Fluchtlinie, die kerzengerade vom Stiftskirchenturm zum ehemaligen Wasserturm führt, an dessen Stelle ehemals das Horber Hochgericht stand. In der Heiligkreuzkapelle dürften wohl die Delinquenten, über die der Horber Schultheiß beim Schrannengericht auf dem Marktplatz unter freiem Himmel den Stab gebrochen hatte, beim Gang zur Richtstätte ihre letzte Beichte abgelegt und den Trost eines Geistlichen empfangen haben. Die Kapelle dürfte am Beginn der Neuzeit, als die Horber sich als ganz außergewöhnliche "Hexenfänger" erwiesen, ziemlich stark frequentiert worden sein.

Nach den Ausführungen des Empfinger Historikers Hans Peter Müller ist über die Anfänge der Heiligkreuzkapelle auf dem sogenannten Kreuzer nur wenig bekannt. 1773 bestätigten die Stadt und das Chorherrenstift, dass der verstorbene Stiftsprobst Franz Joseph Steinwand der Kreuzkapelle auf dem Berg ein Kapital von 1000 Gulden vermacht hatte. Von den anfallenden Zinsen sollte die Hälfte für die Lesung einer wöchentlichen Messe und die andere Hälfte für die Unterhaltung und Ausstattung der Kapelle verwendet werden. Doch bereits 15 Jahre später wurde die Heiligkreuzkapelle geschlossen und ausgeräumt. Sie soll nach dem Übergang Horbs an das Königreich Württemberg im Zuge der Säkularisation 1806 abgerissen worden sein. Auf der um 1810 von Malblanc gemalten Horber Stadtansicht sind lediglich noch die Grundmauern der abgebrochenen Kapelle zu sehen.

Im Hintergrund kann man den dreischläfrigen Horber Galgen erkennen

Die älteste Darstellung der Heiligkreuzkapelle findet sich auf der "Wahren Conterfaiung der Stadt Horb a. N.car wie solche ist übergeben worden an den hochgelahrten S. Münsterum Anno 1548 nach einer uralten Tafel abgemahlen". In dieser Stadtansicht steht links von der Kapelle ein weiteres Gebäude, über das überhaupt nichts bekannt ist. Im Hintergrund kann man den dreischläfrigen Horber Galgen erkennen. Die auf das Jahr 1605 zurückgehende Stirlinsche Pürschkarte zeigt lediglich das Horber Hochgericht mit dem dreischläfrigen Galgen und dem Rad. Während die Nikolauskapelle beim Siechenhaus, die Ottilienkapelle auf der Schütte, die Erhardskapelle auf der Au, die Josefskapelle an der Abzweigung des Talheimer Wegs und die Antoniuskapelle an der Straße nach Bildechingen in dieser Karte verzeichnet sind, sucht man vergeblich nach der Heiligkreuzkapelle.

Der von dem Horber Geometer Aloys Fischer 1787 gefertigte "Prospect der Stadt Horb" kommt dagegen den gewonnenen Erkenntnissen recht nahe. Die Apsis der Heiligkreuzkapelle, die aufgrund ihrer geringen Tiefe nicht als Drei-Achtel-Schluss zu erkennen ist, ist jedenfalls der Stadt zugewandt, und über dem nach Nordosten ausgerichteten Eingang thront das Kapellentürmchen. Hinter einer kleinen Senke erhebt sich die Anhöhe mit dem dreischläfrigen Galgen, von dem in der Horber Gemarkungskarte nur noch die darunter liegende Galgenhalde kündet.

Der Kultur- und Museumsverein hat die neuen Erkenntnisse bezüglich Heiligkreuzkapelle dem Denkmalamt mitgeteilt und dann Überlegungen angestellt, wie eventuell an die ehemalige Heiligkreuzkapelle erinnert werden kann.   Der Autor, Joachim Lipp, ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Kultur- und Museumsvereins.