25541 – die Postleitzahl von Brunsbüttel machte "Der Weiherer" zu einem Markenzeichen seiner privaten Protestbewegung gegen zuviel Statistik im Einzelhandel. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Mit Lästerparolen trat Christoph Weiherer im Kloster gegen Auswüchse der Gesellschaft an

Horb. Alle Denkschubladen auf – auch die untere, die Große. Die, in die man immer den Kruscht reinschmeißt, mit dem man sonst nicht gleich was anzufangen weiß, denn "der Weiherer" ist da.

Die Projektverantwortlichen der Horber Friedenstage haben "den Weiherer", der komplett ausgeschrieben Christoph Weiherer heißt, als musikalischen Stargast ins Kloster eingeladen. Schon vor Beginn seines Auftritts hat er Hartmut Denn-Neubert vom Projektteam gebeten, ihn nicht groß anzusagen, sondern einfach auf die Bühne zu bitten. So wurde es gemacht.

Da stand er nun. Dürr, lange Haare und große Klappe. "Servus Horb" plärrt er ins Publikum und die Besucher grölten "Servus Weiherer" zurück. Die erste Hürde zwischen Schwaben und Niederbayer wurde grandios genommen und fortan war man ein gutes, ja fast schon vertrautes Team. Eigentlich hätte "der Weiherer" auch locker "der Wieherer" heißen können, denn in manchen Passagen hörte sich sein Gesang schon so ähnlich an. Wer auf jeden Fall wieherte, das war das Publikum – und zwar vor Vergnügen.

Denn was der "Bob Dylan des Nachbarlandes", der auf Political Correctness pfeift, im Originaldialekt so von sich gab, war so realistisch unsinnig, dass es eine wahre Freude war, zuzuhören. Über die Publikumsmenge war er jedoch etwas erstaunt. "Jo des is so übersichtlich, da kann ich ja jeden Einzelnen vortreten lassen", stellte er fest, kam jedoch im Laufe des Abends zur Erkenntnis, dass man nur die Elite reingelassen habe. "Hätten wir auch noch die Blöden eingeladen, dann müssten wir noch Stühle dazustellen", so sein Fazit.

Wie er darauf kam, dass im Klostersaal nur die ganz Intelligenten aus Horb und von woanders drinsitzen, das ist schnell erklärt.

Einer der Lieblingsfeinde vom Künstler ist der CSU-Politiker Alexander Dobrindt. "Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen irgendwann ein Minarett im Garten stehen haben", sagte Dobrindt 2010 beim CSU-Parteitag, und nun wartet "der Wieherer" auf sein Minarett. Er hat extra dafür einen Schrebergarten angemietet, da so ein Gebäude nicht auf seinen Balkon im dritten Stock eines Münchner Hochhauses passt, erklärt er den Horbern, die selbstverständlich wussten, was ein Minarett ist. "In der Oberpfalz, dort wo die Leute eher bellen statt sprechen, dort stellte eine Frau fest, dass ein Minarett ein Musikinstrument sei", fügte er lachend an. Und seither sucht er einen guten Minarett-Spieler für seine Band "Weiherer und die Dobrindts." In seinem Lied "Ist das noch meine Heimat" dreht er den liedermacherfreundlichen Spruch des Politikers durch den Fleischwolf. Heraus kam bitterböse, ganz ernst gemeinte Gesellschaftskritik. Die Horber verstanden den Weiherer, die Oberpfälzer anscheinend nicht. "Das war damals mein zweitfürchterlichster Auftritt. Das allerschlimmste Konzerterlebnis hatte ich gleich bei meinem ersten Engagement. Die Wirtin vom Musik-Café "Kaktus" drückte mir nach dem dritten Lied 50 Mark in die Hand und sagte, ich solle aufhören zu singen und heimgehen."

Irgendwie verständlich, wenn man das Gesamtkunstwerk "Weiherer" nur auf sein Gesangstalent reduziert. Da gibt es sicher jede Menge Leute, die das besser können als der gute Christoph. Doch mit brillanten Ideen, einer handwerklich gut gespielten Gitarre, einer Mundharmonika, die sich anhört, als ob er mehr als zwei Töne trifft, und seinen sprachlich recht ausgefeilten Texten macht er seinen etwas gewöhnungsbedürftigen Gesang, bei dem er Wörter mit der Endsilbe "e" wie Kaugummi in die Länge zieht, locker wieder wett.

Der Volksheld gegen die Datensammelwut beim Einkaufen, der mit dem millionenfach geklickten Video "25541 Brunsbüttel" für großes Aufsehen sorgte, begeisterte zum Ende des ersten Teils seine Zuhörer mit "Bruns-Beutel" (Vorsicht, nicht wasserdicht), Bruns-Tasse (wasserdicht, passt aber nur 300 Milliliter rein) und anderen 25541-Devotionalien so, dass man sich letztendlich auf folgende Zusammenfassung einigte: "Brunsbüttler tagten in Horb – die Helene Fischer des bayerischen Kabaretts konzertiert dazu." So ein Unsinn gefällt dem Weiherer, und den Horbern gefielen Weiherers Lästerparolen auf unsere Gesellschaft und ihre seltsamen Auswüchse.

Es war ein wunderbarer Beitrag zu den Horber Friedenstagen, die sich in diesem Jahr ganz klar gegen den Populismus richten, dem man keine Chance geben darf.