Melanie Held aus Horb ist mit ihrem Hund Finn am Neckar unterwegs. Wenn sie nicht mit ihm raus gehen kann, übernimmt ihre Mutter die Aufgabe. Falls sie keinen Hundesitter hätte, wäre sie froh über die Vermittlung eines Hundefreunds über eine "Mitmachbörse", sagt sie. Foto: Hopp

Stadt Horb plant Mitmachbörse: Wer kann was besonders gut? Wer braucht genau diese Hilfe?

Horb - Tauschgeschäfte stammen aus einer Zeit, in der es noch keine Währung gab. Dabei hat es seinen Reiz, eine Leistung mit einer Gegenleistung zu bezahlen, die einem leicht fällt. Diese Art des Tauschhandels könnte künftig in einer Horber "Mitmachbörse" organisiert werden.

Gassigehen mit Finn steht bei Miriam Held täglich auf dem Programm. "Falls ich mal nicht raus kann, habe ich zum Glück meine Mutter, die in Rente ist und ihn nimmt", sagt sie. Die Vermittlung von Hilfe passiert oft im Familienkreis. Doch was, wenn keine Familie in der Nähe wohnt?

Das lokale Bündnis für Familie will unentgeltliche Hilfe vermitteln. Die Plattform dafür muss aber erst noch gegründet werden. Alle, die etwas zu diesem Projekt beisteuern können, sind am 18. März zu einer Ideenwerkstatt eingeladen.

Ein fiktives Beispiel für die Mitmachbörse: Eine ältere Dame braucht jemanden, der ihren Hund Gassi führt. Ein junger Mann liebt Wollsocken, kann aber nicht stricken, geht dafür gerne laufen – auch mit Hund. Zusammengebracht sorgt es für einen Vorteil auf beiden Seiten.

In der Mitmachbörse wird das später voraussichtlich komplizierter, es muss sich nicht um einen Eins-zu-Eins-Tausch handeln. Zurück beim Beispiel heißt das: Der junge Mann, der den Hund ausgeführt hat, muss nicht die Wollsocken von seiner Auftraggeberin annehmen. Er bekommt eine Gutschrift auf seinem Tauschkonto und kann die Gegenleistung von einem beliebigen Teilnehmer der Mitmachbörse bekommen – zum Beispiel von einem Verwaltungsprofi, der beim Ausfüllen eines komplizierten Formulars hilft.

Innerhalb des Projektes könnte es eine eigene Währung geben: Mitmach-Taler. Oder Zeiteinheiten. Denn für den Tausch müssen die Leistungen vergleichbar werden. Sonst fragt man sich: Wie viele Schwarzwälder Kirschtorten ist es wert, wenn jemand zwei Stunden Rasen mäht? Wie lange muss man Babysitten, um sich ein Paar gestrickte Socken zu verdienen?

Erwin Reck von der Caritas: "absoluter Zukunftstrend"

Iris Müller-Nowack von der katholischen Erwachsenenbildung gehört zu den Initiatoren und sagt: "Es ist doch beglückend, wenn man merkt, dass man gebraucht wird, oder Hilfe bekommt." Das Pojekt sei eine gemeinwesenorientierte Antwort auf die Frage: Wie können wir alt werden bei gutem Standard im ländlichen Raum?

Das Projekt soll ein Geben und Nehmen sein, sagt Doris Albrecht, ebenfalls eine der Initiatorinnen. Es soll darauf ausgerichtet sein, dass Leute zusammenkommen: Familien lebten heute häufig verstreut. "Einer Familie fehlt die Oma, und mancher Oma fehlen die Enkel", sagt Albrecht.

Erwin Reck von der Caritas bestätigt, dass es in Horb einen Bedarf für die Mitmachbörse gebe. "Das wäre ganz neu und ist ein absoluter Zukunftstrend, wenn man die Altersstruktur der Gesellschaft anschaut." Die Caritas habe schon einmal überlegt, selbst die Vermittlung ehrenamtlicher Hilfe zu übernehmen. Reck hat die Idee aber wegen des Aufwands wieder aufgeben müssen: "Wir schaffen das nicht."

Eine Mitmachbörse enthält allerdings auch ein paar Stolperfallen, derer sich das Organsiationsteam bewusst ist: Wer haftet dafür, wenn beim Rasenmähen im fremden Garten das Gerät kaputt gemacht wird? Wie kann man vermeiden, dass zum Beispiel Reparaturen rund ums Haus umsonst erledigt werden, die von örtlichen Handwerkern angeboten werden – die Grenzen dürften fließend sein: Wer irgendwo eine Glühbirne austauscht, nimmt niemandem Arbeit weg. Wer aber das Gartentor repariert, könnte den Schlosser am Ort gegen sich aufbringen. "Wir werden uns bei der Ideenwerkstatt auch mit Chancen und Grenzen der Idee auseinandersetzen", sagt Doris Albrecht. Die Initiatoren der Mitmachbörse betonen jedenfalls, dass die Börse keine Konkurrenz zu bestehenden Angeboten aufbauen solle.

Weitere Informationen: Ideenwerkstatt zur Mitmachbörse am Mittwoch, 18. März, ab 19 Uhr in der Mensa des Martin-Gerbert-Gymnasium. Wolfgang Schleicher vom Verband Katholisches Landvolk stellt als mögliches Abrechnungsmodell die "Zeitbank plus" vor.