Zum Tag des handschriftlichen Briefs zeigt Eduard Engeln seinen Sammlung / Sogar Loriot ist zu finden / Wichtige historische Zeugnisse

Von Lena Straub

Horb. "Briefe können uns so viel über die Geschichte beibringen", sagt Eduard Engeln. Der Horber sammelt Briefmarken und seit einiger Zeit auch ganze Briefe. Handschriftliche Briefe sind seiner Meinung nach wichtige historische Dokumente. Seien es Briefe von der Front, Schuldscheine oder Liebesbriefe.

Heute ist der Tag des handschriftlichen Briefs, organisiert von der Aktions-Gemeinschaft "Handschrift-Brief". Ziel ist es "den kulturellen Wert des handschriftlichen Briefs in Gegenwart und Zukunft zu bewahren und ihn schließlich auch durch die UNESCO als immaterielles Kulturerbe schützen zu lassen", so die Aktions-Gemeinschaft.

Eduard Engeln ist ebenfalls der Meinung, dass Briefe viel über die Geschichte aussagen. In seiner Sammlung hat der 69-Jährige, der in der Altheimer Straße wohnt, hunderte von Briefen. Alle säuberlich sortiert in Ordnern. Viele sind mit der Horber Geschichte verknüpft oder mit seiner eigenen Familiengeschichte, andere sind jedoch Zeugnisse für historische Ereignisse.

Der älteste Brief in seinem Besitz gehört zu letzterer Kategorie, er stammt aus dem Jahr 1803 und ist ein Trauerbrief, den Friedrich I., der später König von Württemberg wurde, von seinem Vetter erhielt. Eingeleitet wird er mit "Freundlich geliebter Herr Vetter!", kein Vergleich mehr dazu, wie wir heute E-Mails schreiben, merkt Engeln an. Die "geschwollene" Sprache, in denen die Briefe aus dieser Zeit gehalten sind, faszinieren den Sammler. Viele der Briefe, hat er entziffert und dann säuberlichst abgetippt. Für einige hat er dazu schon mal einen ganzen Tag gebraucht – je nach Leserlichkeit der Handschrift.

Aber gerade diese macht die Briefe auch so spannend. Jede Schrift hat ihren eigenen Schwung, und da mit Feder und Tinte geschrieben wurde, sind die meisten Schriften richtige Kunstwerke. "Außerdem kann man durch die Schrift auch viel über die Person sagen", erklärt Engeln. In einem handschriftlichen Brief steckt zumeist viel mehr Mühe, denn man muss es leserlich halten. Doch auch schon damals gab es Schreibfaule, so wie ein Brief von der Front, der im Deutsch-Französischen Krieg versendet wurde, aus Engelns Sammlung verdeutlicht: "Ich hätte Dir so viel zu erzählen, aber ich habe weder Zeit noch Papier", heißt es kurz angebunden in einem Brief, den Erich von Witzleben 1870 an seinen Vater schickte.

Heute macht man sich die Mühe, etwas von Hand zu schreiben, meist nur, wenn es sich um Glückwunschkarten oder Postkarten aus dem Urlaub handelt. "Dabei geht es um die persönliche Bindung", sagt Eduard Engeln. Er selbst schreibt noch viele Briefe von der Hand.

Erstaunlich ist auch seine Sammlung von den vielen verschiedenen Arten von handschriftlichen Briefen. Hier finden sich Schuldbriefe, einige Schreiben, die per Rohrpost übermittelt wurden und auch welche, die zu den ersten Briefen gehören, die mittels Luftpost gesendet wurden, sei es per Flugzeug, Zeppelin oder Katapultflug.

Katapulflug setzte man ein, wenn das Schiff sich noch einige Kilometer vor der Küste befand. Dann schoss man ein Flugzeug vom Schiff aus ab, und so war die Post früher da. Solche Zeugnisse der Geschichte und viele mehr hat Eduard Engeln in seiner Sammlung. Und jeder Brief erzählt eine Geschichte.

Auch einige Belege dafür, wie tragisch die Nachrichten in einem Brief sein können, sind zu finden. Engeln hat zwei Briefe, einer aus dem Ersten Weltkrieg und einer aus dem Zweiten, von Familien an ihre Söhne, die im Krieg waren. Diese wurden einfach mit einem Vermerk auf dem Kuvert, über den Tod des Sohns zurückgesendet: "Fürs Vaterland gefallen." Teilweise kamen diese Briefe noch vor der offiziellen Nachricht, dass der Sohn gefallen war, zurück.

"Sie hat danach nie mehr einen anderen Mann angeschaut"

Für Eduard Engeln sind die Liebesbriefe, die seine Tante, die nun 95 ist, mit ihrem Mann, der 1944 gefallen ist, ausgetauscht hatte, besonders wichtig. "Das geht mir sehr nah", sagt er sichtlich gerührt, während er die vielen Briefe durchblättert, die vor allem sein Onkel Willi an seine Tante schrieb. "Im Juli `44 hatten sie geheiratet und im Oktober ist Willi gefallen. Trotzdem muss es eine einzigartige Liebe gewesen sein", erzählt Engeln. Das belegen auch die Tagebucheinträge und der Sammler merkt an: "Sie hat danach nie mehr einen anderen Mann angeschaut."

Auch das Briefmarkensammeln, das ja eng mit dem Briefe schreiben verknüpft ist, liegt ihm am Herzen. "Hier fehlt heute der Nachwuchs", sagt er. Auch Briefmarken können Beleg für Geschichtliches sein. So zeigt der einen Umschlag, der mit Briefmarken im Wert von 7300 Mark beklebt ist. "Das war die Inflation, der Brief ist vom 25. August 1923, einen Monat später musste der Brief mit fünf Milliarden Mark frankiert werden."

Nicht nur Briefe, die aus der ganzen Welt versendet wurden, sind in seiner Sammlung zu finden, aus neuerer Zeit hat Engeln sogar einen Brief, den Loriot im Jahr 2009 verschickt hat. "So etwas kaufe ich dann bei Flohmärkten oder Messen wie in Sindelfingen", sagt er. Einiges finde sich auch auf dem Wühltisch.

Der Erhalt von handschriftlichen Dokumente ist Engeln sehr wichtig, "denn eine E-Mail geht verloren, solche Briefe sind Zeugen der Geschichte, die uns helfen Ereignisse auf den Tag genau zu festzulegen", sagt Eduard Engeln. Speziell Briefe von Soldaten seien dabei von unschätzbarem Wert, da die meisten die Geschehnisse um einiges akurater darstellten, als es oft von Seiten der Kriegsführenden Machthaber der Fall war. Als ehemaliger Berufssoldat, der ersten Generation nach dem Zweiten Weltkrieg, sind ihm dieses Dokumente von der Front ein besonderes Anliegen.