Zwei Welten, eine Leidenschaft: Den brasilianischen Professor Sérgio Persch und die städtische Auerbach-Expertin Agnes Maier eint die Liebe zu den Werken des längst verstorbenen Nordstetters. Foto: Lachenmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

Südamerikanischer Professor Sérgio Persch will Auerbachs Dorfgeschichten erstmals ins Portugiesische übersetzen

Von Marina Lachenmaier

Horb-Nordstetten. Eigentlich wollte Sérgio Persch nur eine Woche in Horb bleiben. Jetzt ist er so begeistert, dass er womöglich seinen gesamten vierwöchigen Urlaub in Horb verbringen möchte.

Berlin, München, Hamburg – deutsche Großstädte reizen den brasilianischen Professor kaum. Er liebt die Umgebung Horbs, die Landschaft und die Menschen, die hier leben.

Warum verbringt ein brasilianischer Professor für Philosophie seinen Urlaub in Horb? Er hat keine Verwandten in der Gegend, aber er spricht Hunsrücker Platt, das man auch dort spricht, wo Persch aufgewachsen ist, im südlichsten brasilianischen Bundesstaat Santa Cruz do Sul. Das erklärt seine Hingezogenheit zur deutschen Sprache.

Sein Urlaubsziel Horb erklärt sich aus seiner Liebe zu Berthold Auerbach. Spinoza ist das Bindeglied zwischen dem 43-jährigen Professor und dem 1882 gestorbenen deutschen Literaten Berthold Auerbach (1812-1882). Der Professor hat über Spinoza promoviert und ist dabei auf Auerbachs Werk: "Spinoza – ein Denkerleben" gestoßen.

"Hier in Nordstetten hole ich meine Inspiration für die Übersetzung"

Persch ist so neugierig geworden auf diesen Autor des 19. Jahrhunderts, dass er im Internet forschte. Er entdeckte die Schwarzwälder Dorfgeschichten und war entzückt von den Beschreibungen. Der "Tolpatsch" hat es ihm zuerst angetan. Wie Perschs Vorfahren ist auch Tolpatsch ausgewandert. Und so ist der Nachfahre deutscher Auswanderer über Auerbach auf eine Erzählung gestoßen, die er aus der eigenen Familie kennt.

"Auerbach ist mein Liebling", schwärmt Persch. Und er könnte sich vorstellen, dass Auerbach auch der Liebling der Brasilianer werden könnte – zumindest bei solchen, die wie er von Migranten abstammen. Für sie könnte er eine Verbindung zum Land der Vorfahren werden.

"Auerbach ist schön zu lesen. Einfacher als manch bekanntere Dichter, wie Goethe, Schiller oder Lessing", meint Persch, ohne den großen deutschen Dichtern zu nahe treten zu wollen. Aber Auerbachs Sprache sei leicht verständlich und einfach zu lesen und man könne sich so schön in die Charaktere der Auerbach-Erzählungen hineinversetzen. Agnes Maier, städtische Auerbach-Expertin, meint, man möge nicht vergessen, dass Auerbachs Bücher in der Mitte des 19. Jahrhunderts echte Verkaufsschlager waren und der gebürtige Nordstetter der erfolgreichste lebende Autor zu seiner Zeit. Nach Verkaufszahlen rangierte er an dritter Stelle hinter Goethe und Schiller.

Agnes Maier kümmert sich mit der Kustodin des Auerbach-Museums Irene Vogel und den Vermietern, bei denen die brasilianische Familie eine Ferienwohnung bezogen hat, rührend um den Professor. So fühlt sich Persch rundum wohl in Auerbachs Heimat und in der großen Horber Familie der Auerbach-Freunde.

Hier wandelt er auf Auerbachs Spuren und vor allem auf denen jener Menschen, die in den Dorfgeschichten eine Rolle spielten. Das ist wichtig für seine bevorstehende Aufgabe. Sergio Persch will einige Erzählungen aus Auerbachs Schwarzwälder Dorfgeschichten ins Portugiesische übersetzen. Es gibt sie schon in Englisch, Französisch, Spanisch, Hebräisch – aber nicht in seiner Muttersprache.

"Es ist für mich wichtig, hier zu sein, mich in die Kultur und Lebensweise einzuklinken", sagt der Professor, als er beim Interview im Schatten von Auerbachs Geburtshaus sitzt. Die Kultur aus Auerbachs Zeiten sei noch nicht ganz verschwunden.

Der Herausgeber in spe will Nordstetter Dorfluft schnuppern. Auerbachs Grab hat er schon besucht, hat mit dem Zweirad die Umgebung erkundet und Tolpatschs Weg von Nordstetten an den Neckar nach Horb ist er nachgegangen. Er liebt es auch, durch den Wald zu gehen und die Natur zu genießen, denn das sei in Brasilien nicht möglich. Es ist zu unsicher dort.

"Wenn ich Auerbachs Schritte nachgegangen bin, wird es leichter sein, sein Buch zu übersetzen", erzählt Persch. Die Landschaft und die alten Nordstetter Häuser erinnern ihn an Auerbachs Erzählungen. Das hilft, um in der Übersetzung ein Bild zu zeichnen, das dem nahe kommt, das auch Auerbach beim Schreiben vor Augen hatte. "Hier in Nordstetten hole ich meine Inspiration für die Übersetzung", sagt Persch.

Dabei will ihm der Auerbach-Literaturkreis nach Kräften helfen. Zunächst ist die Übersetzung von drei Erzählungen geplant: der "Tolpatsch", "des Schlossbauern Vefele" und "Befehlerles".

Ob er viele Leser für Auerbach gewinnen kann? "Das weiß ich noch nicht", sagt er. Aber Freunde seien von seiner ersten "Tolpatsch"-Übersetzung begeistert gewesen. "Vielleicht wird es kein großes Publikum, aber ganz bestimmt ein treues", ist er sich sicher. Und dann ist da ja noch ein anderes Ziel, das Persch mit der Übersetzung verfolgt.

Er will damit seine "Halb-Fremdsprache" Deutsch verbessern. "Die Übersetzung ermöglicht mir einen tiefen Kontakt mit der deutschen Sprache", sagt er. Eine kleine Kostbarkeit in deutscher Sprache hält er schon in Händen. Es ist die neue Volksausgabe der Schwarzwälder Dorfgeschichten, herausgegeben von Egidius Schmalzriedt. Agnes Maier hat sie ihm geschenkt, erzählt der Auerbach-Liebhaber und zieht die Kostbarkeit vorsichtig aus seinem Rucksack.

Schmalzriedt war wie er Philosoph, das bestärkt den brasilianischen Professor mit deutschen Wurzeln in seinem Vorhaben. In einem Jahr soll seine Übersetzung schon als Büchlein vorliegen. Vielleicht kommt er dann wieder, um es den Horbern zu zeigen.