Sie gestalteten den Abend: Heinz Högerle (von links)­, Barbara Staudacher, Karl-Josef Kuschel und Michael Theurer. Foto: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Karl-Josef Kuschel stellt in der Ehemaligen Synagoge in Rexingen sein Buch über den Politiker Theodor Heuss vor

Von Peter Morlok

Horb-Rexingen. Im nahezu vollbesetzten Versammlungssaal der Ehemaligen Synagoge in Rexingen stellte am Freitagabend Karl-Josef Kuschel im Rahmen einer Lesung Passagen aus seinem kürzlich erschienen Buch: "Theodor Heuss, die Schoah, das Judentum, Israel: ein Versuch" vor.

"Es gibt kaum einen besseren Ort für diese Veranstaltung als dieses Gebäude, das hundert Jahre lang das geistige und spirituelle Zentrum der jüdischen Gemeinde war", war die Überzeugung des Träger- und Fördervereins, der Kuschel eingeladen hatte. Michael Theurer (MdEuP), 1. Vorsitzender des Vereins, betonte, dass Heuss als erster Bundespräsident ein geschichtssensibler Zeitgenosse war, der die Gnade der Aussöhnung sehr zum Wohle seines Heimatlandes genutzt habe. Heuss sei aber auch nicht frei von Vorurteilen gewesen. Er habe zwar zu den Juden aus Westeuropa immer ein solidarisches Verhältnis gehabt – zu den Juden aus Osteuropa hingegen nicht.

Karl-Josef Kuschel, der in den gut 100 Minuten Redezeit selbstverständlich nur einige Fragmente seiner Publikation anreißen konnte, wies in seiner Einleitung auf den Umstand hin, dass über Theodor Heuss (1884 bis 1963), den ersten Bundespräsidenten, Politiker und Publizisten, ja sogar über den Zeichner und Maler Heuss, fast alles schon gesagt und geschrieben wurde. "Doch ein Aspekt seines Lebens und Wirkens ist bislang beinahe unbeachtet geblieben: sein einzigartig freundschaftliches Verhältnis zu vielen jüdischen Zeitgenossen, zum Judentum überhaupt – und insbesondere sein Engagement um eine wahrhaftige Erinnerungskultur, für eine ›Wiedergutmachung‹ der Verbrechen am jüdischen Volk und die Aussöhnung mit Israel", sagte der Autor.

Heuss habe früh nach dem Krieg das Wort von einer "Kollektivscham" der Deutschen geprägt. Er forderte für die Deutschen einen "schweren Weg der Selbstreinigung", denn dies sei die Grundvoraussetzung für eine glaubwürdige demokratische Zukunft. Der Theologe Karl-Josef Kuschel analysierte und interpretierte Heuss’ Engagement für den christlich-jüdischen Dialog. Was ihm dabei half, waren Lebenserinnerungen, Briefe und Berichte von Zeitzeugen.

Kuschel schreibt in seinem Buch auch über den Besuch von Heuss in der Siedlung Shavei Zion, dem "schwäbische Dorf am Mittelmeer". Er betitelt diese Reise als "die Konfrontation mit der Vergangenheit". Heuss reiste als Privatmann im Mai 1960 dorthin, also lange bevor diplomatische Beziehungen zu dem traumatisierten Staat aufgenommen wurden. Während einer Ansprache erwähnte Heuss, dass er auch den Rexinger Lehrer und Kantor Samuel Spatz gekannt habe. "So wurde ich das erste Mal auf den Ort Rexingen aufmerksam", erklärte Kuschel, der sich dann mit Heinz Högerle in Verbindung setzte und von ihm auch eine Privatführung durch das Museum im ehemaligen Jüdischen Betsaal in Horb erhalten habe.

Der Vortrag des Autors war eine Reise durch ein großes Stück der deutschen Geschichte. Von den schwärzesten Stunden der braunen Diktatur und dem Holocaust bis hin zur Annäherung und Aussöhnung mit dem jüdischen Volk. Es war keine leichte Kost, die ihren Schluss mit zwei erschütternden Erzählungen aus dem Buch "Schmale Wege" von Elli Heuss-Knapp, der Ehefrau des "Homo Politicus", fand.