Alles applaudiert dem Maestro für eine reife Leistung: Sven Gnass am Ende des Auftaktkonzertabends der Musiktage. Links: Femke Soetenga. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Solistin Silvia Schöller verleiht Auftakt der 19. Musiktage künstlerischen Glanz / "Wort" überzeugt nicht

Von Peter Morlok

Horb-Nordstetten. In der Nordstetter Pfarrkirche St. Mauritius eröffnete Stadtmusikdirektor Sven Gnass die 19. Horber Musiktage mit einer Badinerie, einer Schäkerei nach Noten, aus dem bekannten Schlusssatz der 2. Orchestersuite in h-Moll für Flöte von Johann Sebastian Bach. Christoph Müller spielte den Solopart.

Mit Bach, dem wohl größten Kirchenmusiker aller Zeiten, das Konzert zu beginnen, war mehr als eine Verneigung vor der Würde des Hauses. Es war die große Geste vor einem bedeutenden Musiker, dessen Werke auch heute noch Quelle und Inspiration für viele Musiker sind. Man findet deren Bach-Adaptionen sowohl in der Klassik, der Weltmusik, dem Pop und Rock, ja sogar im Metal.

Stadtpfarrer Elmar Maria Morein begrüßte nach diesem Auftakt als Hausherr sowohl die Musiker als auch die vielen Musikliebhaber aus Horb und der näheren Umgebung. "Wodurch heben wir Menschen uns von allen anderen Lebewesen ab?" stellte der Geistliche eine Frage an die Besucher. Ohne die facettenreichen Antworten vorwegzunehmen, gab er drei Eckpfeiler vor. Kultur, Musik und Geist. "Die Musik hat etwas Bewegendes, Verbindendes, und wenn wir nachher beseelt das Gotteshaus verlassen, dann verdanken wir dies Sven Gnass und seinen Musikern, deren Töne uns an die Hand nehmen und uns führen."

Nach diesem geistlichen Impuls kam der fulminante Auftritt einer noch recht jungen Musikerin. Die 16-jährige Cellistin Silvia Schöller tauschte ihren Platz im Orchester mit dem Stuhl in der Mitte der Konzertbühne. Sie gab am Cello an diesem Abend ihr Debüt als Solistin. Zwei Stücke waren im Programmablauf vorgesehen – die "Vocalise" für Cello und Orchester von Sergej Rachmaninow und das "Cello Concerto" Nr. 1, Opus 33 von Camille Saint-Saëns – doch die Solistin wusste mit ihrem wunderbaren Spiel, durch den Klang ihres Instrumentes, das mit seiner Tiefe, seinem Klangreichtum und seiner Modulationsfähigkeit der menschlichen Stimme nahekommt, so zu gefallen, dass sie nicht ohne Zugabe von der restlos begeisterten Zuhörerschaft entlassen wurde. Und die junge Nordstetterin hatte für diesen Abend, für ihr "Heimspiel", einen besonderen musischen Leckerbissen vorbereitet. Schöner als im Zusammenspiel von Klavier und dem tiefen Stimmungsbild des Cellos kann man den "Schwan" aus dem Karneval der Tiere wohl nicht mehr darbieten, und für viele Besucher war diese Zugabe der Höhepunkt im ersten Teil des Konzertes.

Nach einer recht ausreichend dimensionierten Pause versammelte Dirigent Gnass seinen Klangkörper zu einem weiteren Stück aus der Feder Bachs. "Jesus, meine Freude" füllte in konzertantem Wohlklang die Kirche und stand mit seiner sakralen Botschaft im Grunde genommen im direkten Gegenpart zu den nachfolgenden Stücken. Dass zu George Gershwins Swing der Sound eines gut abgehangenen Saxofons und die Stimme des zweiten Stars des Abends, der deutsch-niederländischen Musicalsängerin Femke Soetenga, passt, hörte man schon nach den ersten Tönen. Dass die Musicalbühnen dieser Welt ihr Zuhause sind, das unterstrich die Sängerin nachdrücklich mit ihren Songs "Wein’ nicht um mich Argentinien" und "Memory" aus Cats. Auch ihre Zugabe, bei der sie als Elisabeth aus dem gleichnamigen Musical den Song "Ich gehör nur mir" sang, wurde begeistert umjubelt.

Für Kenner der Musik von Udo Jürgens war ihr Part im sinfonischen Meisterwerk "Wort" dagegen ernüchternd. Während das Orchester eine grandiose Leistung abliefert, indem es die genial verschachtelte Komposition mit nur wenigen Nuancen Abweichung sehr nahe am Original intonierte, konnte die Sängerin nicht aus ihrer Musical-Haut. Sie wollte das Lied schön singen. "Wort" ist aber kein schönes Lied, sondern ein Lied voller Kraft und klarer Aussage. Deshalb passten die zusätzlich eingesungenen Verzierungen ungefähr so gut wie eine zünftige Marschmelodie zu einem Aznavour-Chanson. Für die, die den Song nicht kannten, war es vielleicht nicht ganz so schlimm, für echte Liebhaber von "Wort" und Jürgens-Puristen war diese Art der Umsetzung nicht schön anzuhören – zumal auch noch die Gesangsanlage schlecht ausgesteuert war.

Trotz dieses Ausrutschers war das Konzert ein großartiger Auftakt der 19. Horber Musiktage, und Sven Gnass verneigte sich am Ende der rund zweistündigen Darbietung erschöpft, verschwitzt, aber sichtbar glücklich vor seinem Publikum, das ihm und seinen Musikern mit minutenlangem, teils stehendem Applaus für dieses Klangfeuerwerk dankte.