Beeindruckender Auftritt: Wolfgang Jelinek, Alexander Plotkin und Sibylle Biermann-Rau. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder-Bote

Gedenkfeier in Hechingen zur Pogromnacht / Martin Luther und der Judenhass

Von Andrea Maute

Hechingen. Ein Versuch zu verstehen, was 1938 geschah: Eine Gedenkfeier zum Jahrestag der Pogromnacht gab es am Samstag in der Alten Synagoge in Hechingen. Die Musik und die Lesung von Pfarrerin Sibylle Biermann-Rau beeindruckten.

"An Luthers Geburtstag brannten die Synagogen. Eine Anfrage": So lautet der Titel des Buches, in dem sich die Albstädter Pfarrerin einem Thema widmet, zu dem lange geschwiegen wurde. Es ist, wie Norbert Kirchmann betonte, "so ungeheuer wichtig und liegt schon so lange in der Luft, dass es großartig ist, dass sich jemand seiner annimmt".

Sibylle Biermann-Rau hat es getan. Sie hat sich mit der Judenfeindlichkeit Martin Luthers befasst und sich intensiv seinen Schriften gewidmet. Luther und der Judenhass – das sei nicht als "späte Entgleisung" zu werten, sondern werfe unwillkürlich die Frage nach dem "Warum" auf. Warum konnte jüdisches Leben inmitten eines christlichen Kulturvolks ausgelöscht werden? Abschließend werde man das nie beantworten können, sagte Biermann-Rau. Auch in Luthers Schriften war sie auf Zeugnisse blanken Hasses gestoßen.

In seinem im Jahre 1543 veröffentlichten Werk "Von den Jüden und ihren Lügen" ist von Stolz und Neid der Juden die Rede. "Wir wollten gerne Geschenke dazugeben, wenn wir ihrer los wären", schreibt der Reformator und verbindet dies mit Ratschlägen an die Obrigkeit, ihre "Synagogen oder Schulen mit Feuer anzustecken, ihre Häuser dergleichen zu zerstören und sie ihr Brot im Schweiß der Nase verdienen zu lassen". Noch heute gebe es Ansätze, Luthers Spätschriften, die im Dritten Reich als Fundgrube für judenfeindliche Zitate dienten, mit dem damaligen Zeitgeist zu erklären. "Doch nicht alle dachten so wie er", betonte die Pfarrerin.

Die große Mehrheit habe dennoch lange geschwiegen, auch die Evangelische Kirche in Deutschland. Trotz der Aufarbeitung zu Beginn der 1980er Jahre, stehe ein prägnantes Wort bis heute aus, betonte Biermann-Rau.

Musikalisch umrahmt wurde ihre Lesung von den Tübinger Musikern Wolfgang Jelinek (Violine) und Alexander Plotkin (Klavier). Mit "Abodah", der "Rhapsodie" aus der "Suite hébraique", und dem "Poème mystique" erklangen Werke von Ernest Bloch (1880-1995), einem Komponisten jüdischer Abstammung. "Es ist, als tönten aus alter Zeit Echos der Ewigkeit herauf", so Jelinek zu den Musikwerken. Echos, die die Herzen der Zuhörer berührten.