So sah die Wohnung nach der Brandstiftung im Oktober aus. Nun verhandelt das Amtsgericht über den Fall. Foto: Stopper

Angeklagter gibt Tat zu, nennt aber sonderbares Motiv. Nachbarn sagen vor Gericht aus.

Hechingen - Wollte er seinen Nachbarn das Dach über dem Kopf abfackeln? Oder hat er in einer Lebenskrise durchgedreht? Klare Antworten bot der Prozess zur Brandstiftung am 4. Oktober in der Tübinger Straße am Mittwoch nicht.

Klar ist, dass der 52-jährige Angeklagte im vorigen Oktober Feuer in seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus an der Tübinger Straße legte und andere damit in Lebensgefahr brachte. Das gestand er am Mittwoch. Zwei ältere Paare und eine Familie mit Kind leben dort. Am folgenden Tag drohte ihm die Zwangsräumung, er habe nicht gewusst, was er mit seinen Möbeln machen soll. Da habe er sie verbrannt, so seine Begründung. Mehr Angaben machte er nicht vor Gericht.

Ist das glaubhaft? Oder wollte er sich mit dem Feuer an den Nachbarn rächen, von denen er sich gemobbt fühlte? Nicht völlig undenkbar, wie gestern Zeugenaussagen von Nachbarn und Vermieter zeigten. Der Angeklagte war drei Jahre zuvor in der Tübinger Straße eingezogen. Da hatte er Arbeit. Er lebte zwar sehr zurückgezogen aber in Frieden mit den Nachbarn.

Als er arbeitslos wurde, veränderte er sich, grüßte nicht mehr. Es gab Ärger, weil er lange Dart spielte auf eine Scheibe, die direkt an der Wand zur Nachbarwohnung hing. Das nervte den Nachbar in dem hellhörigen Haus. Dass er zu laut Musik hört, wurde ihm auch vorgehalten.

Aus einem Brief, den er an seinen Vermieter schrieb, wird klar, dass er sich durch seine Nachbarn sehr schnell gekränkt und benachteiligt fühlte, sein eigenes Fehlverhalten aber kaum sah. Dass ihm der Vermieter kündigte, weil er überhaupt keine Miete mehr zahlte, hielt er für unglaubwürdig. Das Dartspielen sei der wirkliche Grund dafür gewesen, ist er überzeugt.

Am Tag vor der Zwangsräumung verließ er gegen 10 Uhr mit Rucksack und Tasche die Wohnung. Den Schlüssel ließ er innen stecken. In sämtlichen Räumen hatte er zuvor mit Grillanzünder Feuer gelegt. Dann stieg er in den Zug nach Tübingen.

Zwei Stunden kokelte das Feuer in der Wohnung vor sich hin. Da Fenster und Türen zu waren, hatten die Flammen kaum Sauerstoff, aber es entwickelte sich eine enorme Hitze. Ein Fenster war kurz vor dem Zerbersten. Dann wäre Luft hereingeströmt und innerhalb von Minuten hätte sich ein Großbrand entwickelt, sind Sachverständige überzeugt. Die Feuerwehr, von Nachbarn alarmiert, kam buchstäblich in letzter Minute. Wollte der Angeklagte, dass das Haus in Flammen aufgeht? Nahm er das Risiko für die Nachbarn in Kauf?

Oder war dem Mann, der ohnehin eine schwierige Persönlichkeit hat, durch seine Arbeitslosigkeit alles über den Kopf gewachsen, und er dachte über die Folgen seiner Brandstiftung gar nicht nach? Viele Facetten ergaben sich gestern aus Zeugenvernehmungen. Einer Kriminalkommissarin erzählte er, dass er sich nach der Tat habe stellen wollen, und dass er im Zusammenhang mit seinen Möbeln von einem Feuer gesprochen hat.

Ein Mitarbeiter des Hechinger Ordnungsamts schilderte, wie der Angeklagte bei ihm wegen der drohenden Obdachlosigkeit vorsprach, sich aber für Ratschläge und Hilfsangebote nicht wirklich offen gezeigt habe.

Man darf gespannt sein, wie der Richter und die Schöffen den Fall beurteilen werden. Am Mittwoch nächste Woche, 1. März, geht der Prozess um 14 Uhr weiter.