Khateja Ghanems Werke erzählen Geschichten voller Tragik, aber auch voller Hoffnung und Zuversicht Foto: Beyer Foto: Schwarzwälder-Bote

Kunst: Katheja Ghanems Gemälde, Skulpturen und Reliefs erzählen von den Erfahrungen auf der Flucht

Von Willy Beyer

Ihre Kunstwerke zeigen die faszinierende Welt des Orients, doch stimmen sie auch nachdenklich. Die syrische Künstlerin Khateja Ghanem hat nach ihrer Flucht in Hechingen ein neues Zuhause gefunden.

Hechingen. Diejenigen, die sie kennen, nehmen sie meist als eine gut gelaunte Frau wahr. Sie passt durchaus auch in die klischeehafte Vorstellung einer temperamentvoll-entschlossenen Araberin. Doch wie es im Innern von Künstlerin Khateja Ghanem aussieht, ist in Anbetracht der Erfahrung von erlebter Gewalt, Krieg und Flucht eine ganz andere Sache.

Zumindest eine Ahnung davon kann bekommen, wer ihre Bilder genauer betrachtet. Wer diese erkundet, wird feststellen, dass sie Geschichten erzählen. Geschichten voller Tragik, aber auch voller Hoffnung und Zuversicht. So werden in einem Bild Frauen dargestellt, die sich mit dünnen, halb zerrissenen und durchsichtigen Tuchstoffen bekleidet in einer beklemmend anmutenden Umgebung befinden. Auffallend sind ihre weit geöffneten Augen. "Sie träumen mit offenen Augen", sagt Khateja Ghanem. Denn die Frauen befinden sich in Gefangenschaft, erklärt sie.

Wenn einem alles genommen wird, dann bleibt nur noch eines: Das Träumen. Von Schönem, von den Lieben daheim? Eines ist sicher: Diese Art von Hoffnung und innerem Widerstand kann einem keiner nehmen, womit das Träumen überlebenswichtig sein kann.

Khateja Ghanem ist wie viele Flüchtlinge auf abenteuerliche und durchaus gefährliche Weise nach Europa gelangt. Sie ist die einzige von ihren Verwandten, die das geschafft hat. Die anderen Sieben, darunter die Mutter und ihr Ehemann, verharren derzeit noch immer in der Türkei. Der Verlust vom Bruder und dem geliebten Vater durch den Krieg, der ihre Heimatstadt Aleppo besonders stark traf, zehrt noch an ihr, wie auch das Fehlen ihrer Lieben. Doch dank ihres Kunstschaffens kommt die 29-jährige damit einigermaßen zurecht.

Schon als Kind, als ihre Mutter sie in das Malen einführte, spürte sie das Verlangen: "Es ist dieser Hunger nach Farben", beschreibt sie ihren Drang zum Malen. Noch in Englisch, denn ihr Deutsch macht große Fortschritte. Früher habe sie viel Rot in ihre Gemälden eingebracht, jetzt nicht mehr, fügt sie an und deutet auf das Bild mit der Frau hin. Die Frau mit der Taube, eine Grenze überschreitend. Unter ihr ist der Boden mit einer dünnen roten Schicht bedeckt. Rot, wie die Farbe des Blutes. Kunst gegen Krieg und Gewalt

Die Taube taucht übrigens immer wieder in den Werken der Künstlerin auf. Im christlichen Glaubensverständnis ist sie ein Sinnbild des Heiligen Geistes. Ein Wort, das auch im Koran verschiedene Male vorkommt, bestätigt die gläubige Muslima Khateja Ghanem auf Anfrage. Für sie ist die Taube wie für viele in der Welt ein Zeichen des Friedens und der Freiheit. Dank der Unterstützung von Mitmenschen und durch Hilfsorganisationen ist die anerkannte Asylbewerberin gerade in ihre eigene kleine Wohnung eingezogen, wo sie künftig ihren "Hunger nach Farben" stillen wird. Ihre Arbeiten bestehen aus Gemälden, Skulpturen und Reliefs – aus unterschiedlichen Materialien. Bevorzugt verwendet sie Acrylfarben, und für die dreidimensionalen Werke Holz, Metall, verschiedene Duroplaste oder Plastomere.

Khateja Ghanem ist seit sechs Monaten in Deutschland. Nach vier von der Caritas sowie der Diakonie geförderten Ausstellungen gibt es jetzt in Freiburg eine weitere Werkschau mit Exponaten der Künstlerin.

Khateja Ghanem ist 29 Jahre alt und absolvierte zunächst die Kunstakademie von Aleppo in Syrien. Ebendort studierte sie vier Jahre mit dem Ziel eines universitären Masterabschlusses in Malerei und Bildhauerei. Infolge des Bürgerkriegs und den damit einhergehenden Bombardierungen Aleppos gab sie ihr Studium auf und flüchtete ins Ausland.