Foto: Rath Foto: Schwarzwälder-Bote

Die kleine Raiba Aichhalden-Hardt-Sulgen stellt Weichen auf weitere Selbstständigkeit

Von Volker Rath

Hardt/Schramberg-Sulgen/Aichhalden. "Da fehlt was." Helmut Haberstroh tippt mit der Kulispitze drei Mal auf das Stück Papier vor ihm. Pock, pock, pock. Es ist eine Gebietskarte, und sie zeigt die Landschaft der Volks- und Raiffeisenbanken zwischen Schwarzwald, Schwäbischer Alb und Bodensee, herausgegeben von den Volksbanken Schwarzwald-Neckar und Donau-Neckar, die noch im Juni fusionieren wollen. Aber es stehen nicht alle Institute drauf. Drei fehlen, darunter die Raiffeisenbank Aichhalden-Hardt-Sulgen (Raiba AHS). Aber es gibt sie noch. Und wenn es nach Haber-stroh, dem Vorstandssprecher, und dem Aufsichtsrat geht, dann bleibt das auch so. Ärgert ihn die Karte? "Ich stelle bloß fest", sagt der Bankchef und lässt sich lächelnd zurückfallen in die Stuhllehne.

2015er-Zahlen "sehr gut"

Helmut Haberstroh wirkt entspannt. Er sieht so aufgeräumt aus wie sein Besprechungstisch. Ein 2014er-Geschäftsbericht liegt vor ihm, ein paar Zettel mit handschriftlichen Notizen und aktuellen Zahlen, außerdem ein simpler Taschenrechner. Dabei sind die Zeiten eher aufgekratzt für die Banken. Niedrigzinsen, ausufernde Regulierung, Veränderung durch Digitalisierung der Finanzgeschäfte. Außerdem hat Haberstroh grade die Bankenprüfung im Haus. Na und? "Tät mich schon sehr überraschen, wenn sie etwas Ernsthaftes finden würden", sagt der 61-Jährige.

Haberstroh, Bankkaufmann, ist seit 40 Jahren bei der Raiba in Hardt und davon "fienfadriesk" (35) im Vorstand. Er hat schon einige Prüfungen und Veränderungen mitgemacht in seiner Laufbahn, auch Fusionen. Die Raiba AHR gibt es seit 1999, seinerzeit hervorgegangen aus den drei damals selbstständigen Raiffeisenbanken, die heute noch im Namen stehen. Die aktuelle Fusionswelle im Land, wenn es sie denn überhaupt gibt, verfolgt er gelassen. So viele Bankenhochzeiten seien es derzeit gar nicht, sagt er. Klar, die Digitalisierung schreite voran. "Da muss man schon mitmachen", so der Vorstand. Seit vorigem Jahr können Kunden der Raiba AHS Geld mit ihrem Handy abheben. "Wir waren eine der ersten", sagt Haberstroh.

Den Geschäftsbericht für 2015 gibt die Raiba in Kürze raus. Der Vorstand ist mit den Zahlen zufrieden. Das Ergebnis sei "sehr gut". Die Bilanzsumme stieg auf 166 Millionen Euro, das Kreditgeschäft um 9,6 Prozent, die Summe der Kundeneinlagen um 5,6 Prozent. Insgesamt wuchs das betreute Kundenvolumen um 7,3 Prozent auf 332 Millionen, alles Zuwachsraten weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Institute. Das Ergebnis vor Steuern beträgt 1,3 Millionen, an Gewinn werden 430 000 Euro ausgewiesen. Dadurch wird das Eigenkapital weiter aufgestockt, 3,5 Prozent Dividende will die Raiba an ihre 5500 Mitglieder auf deren Anteile ausschütten.

Wachstum durch Nähe

"Natürlich" beschäftigen den Vorstand auch die Verwerfungen durch die aktuelle Nullzins-Politik der EU. Allerdings sorge sich Haberstroh weniger um die Bank als um die Sparer. Der Staat profitiere, das sei klar, der Bürger bezahle die Zeche, weil seine Ersparnisse schmelzen. Zwar sanken auch die Zinsmargen für Banken. Da gleichzeitig aber die Darlehen um fast zehn Prozent zunahmen, vor allem durch Häuslebauer, trifft es die Raiba unterm Strich nicht so heftig. "Es geht nur über Wachstum, man muss die Sach- und Personalkosten im Griff haben", sagt Haberstroh, "das heißt: Das zusätzliche Geschäft muss mit den selben Leuten gemacht werden." Die Kollegen tragen den Kurs offenbar mit; die Fluktuation in der Belegschaft mit derzeit 47 Mitarbeitern auf 33 Vollzeitstellen sei extrem niedrig. Das Haus sei auch in der zweiten Führungsebene "tipptopp" aufgestellt, die drei Geschäftsstellen in Schuss, technisch wie von der Gebäudesubstanz her.

"Wachstum", das Zauberwort im Kapitalismus, definiert die Raiba AHS anders. Die Zahlen müssten "schon stimmen". Aber sie schöpft es nicht durch Fusionen, sondern vor Ort an ihren drei Standorten. Von der Größe her steht sie aktuell irgendwo zwischen Platz 130 bis 140 bei insgesamt 206 genossenschaftlichen Banken im Land. Die Raiba sei "Dorfbank", und für Haberstroh ist das nicht despektierlich. Kunden und Mitarbeiter kennen sich persönlich, und das meist seit vielen Jahren. "Das Internet spielt schon eine Rolle", so der Vorstand, "die Leute informieren sich heute besser." Aber im Finanzgeschäft gehe es genau andersrum als in vielen Einzelhandelsbranchen: Sie vergleichen zwar die Preise am PC, schließen ihre Geschäfte aber doch lieber bei der Bank vor Ort ab. "Der Kunde braucht persönliche Beratung, um zu wissen, wie er dasteht", sagt Haberstroh.

Das Konzept durch Nähe scheint aufzugehen. Haber-stroh schätzt den Marktanteil der Raiba in Hardt auf 70 Prozent, in Sulgen und Aichhalden zusammen wird etwas mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes der Raiffeisenbank erzielt. Bei den Geschäftspartnern sind 55 Prozent Privatkunden, die anderen 45 Prozent Firmen, meist Handwerksbetriebe und kleinere Mittelständler. Mit Hilfe der DZ kann die Raiba die Expansionen der eigenen Klientel finanzieren, ohne bei einem Kreditausfall gleich die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. Mehr wolle die Raiba gar nicht. "Das reicht uns", sagt Haberstroh.

Banker vom alten Schlag

Haberstroh ist Banker vom alten Schlag, sitzt im Gemeinderat, im Vorstand des Gewerbevereins und im Genossenschaftsverband. Das nennt man wohl gut vernetzt. Im 2500-Einwohner-Ort kennt der gebürtiger Hardter sowieso jeden Stein. Die Fusionspläne in der Nachbarschaft kamen auch für ihn überraschend, kommentieren will er sie nicht. "Die Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen." Ob die Raiba eines Tages auch noch mit einem Partner verschmilzt, vermag Haber-stroh derzeit nicht abzusehen. Der Aufsichtsrat habe sich jüngst eindeutig für die weitere Selbstständigkeit ausgesprochen. Abstimmen müssten hier übrigens die Mitglieder, nicht die Vertreterversammlung. Aber das sei derzeit ohnehin kein Thema. Die Bank steht ja auch gut da.

"Was in fünf Jahren ist, kann derzeit natürlich auch keiner sagen", so Haberstroh. Niemand wisse, was sich die Politik noch ausdenke. So lange es geht, macht die Raiba AHS weiter, als "Dorfbank". Nächstes Jahr will Helmut Haberstroh übrigens in den Ruhestand gehen, ein kritischer Moment für jede Bank. Dann stellt sich oft die Frage: neuer Vorstand oder gleich neue Allianz? Haberstroh winkt ab, deutet an, dass es bereits einen designierten Nachfolger für ihn gibt. "Hat der Aufsichtsrat alles längst geregelt", sagt er, lässt sich in die Lehne zurückfallen und lächelt.