Handball: Nach dem Europameister-Titel hofft man in der Region auf einen neuen Schub im Nachwuchsbereich

Kreis Calw - Was für eine Mannschaft! Der Titelgewinn bei der Europameisterschaft in Polen hat dem deutschen Handball neue Sympathie-Punkte eingebracht. Nun stellt sich die Frage: Hallt der Jubel über das Gold von Krakau auch bis in den Kreis Calw nach?

"Völlig unsportlich" hat Achim Albrecht, Chef der Handball-Abteilung des TSV Altensteig, das EM-Finale zwischen Deutschland und Spanien (24:17) angeschaut: "Meine ganze Familie ist handballverrückt. Die habe ich für das Finale zu mir nach Hause eingeladen und mehrere Kartons Pizza bestellt." Gut gerüstet war der Albrecht-Clan somit für das, was die deutsche Nationalmannschaft in der Krakauer Tauron-Arena aufs Parkett zauberte – und das kam bei dem Altensteiger Abteilungsleiter natürlich bestens an: "Die Jungs haben genau das ausgedrückt, was eine Mannschaftssportart ausmacht. Jedem Handball-Fan geht da das Herz auf." Besonders freue sich Albrecht darüber, dass der Sport nach dem Fifa-Skanal nun wieder für positive Schlagzeilen sorgte.

Positive Schlagzeilen, die sich wohl auch beim TSV Altensteig bemerkbar machen werden. "Ich denke, dass der Titel einen Effekt für uns haben wird. Vor allem durch die Art und Weise, wie das Team Europameister geworden ist", meint Albrecht. Momentan spielen rund 150 Kinder und Jugendliche in Altensteig Handball. In den nächsten Wochen könnte diese Zahl steigen. Albrecht: "Man muss nur mal Boris Becker nehmen. Nach seinen Siegen haben auch ganz viele mit Tennis angefangen. Das wird einen ähnlichen Effekt haben. Handball wird jetzt den ein oder anderen einfach jucken."

In die gleiche Richtung gehen die Gedanken bei der SG Hirsau/Calw/Bad Liebenzell. "Wir erwarten das Gleiche wie nach dem WM-Titel 2007: Zulauf!", sagt der Vorsitzende Wolfgang Flik. Auch nach dem Wintermärchen vor neun Jahren stand der Handball bei Kindern und Jugendlichen verstärkt im Fokus – und bei den Nachwuchsmannschaften der SG HCL setzte ein Boom ein. Damit in diesem Jahr dieser Effekt erneut eintritt, will der Verein in die Offensive gehen. "Jetzt müssen wir arbeiten: Trainingszeiten publik machen, an Schulen gehen", sagt Flik.

Der Vorsitzende der SG HCL hat dabei auch eine Bevölkerungsgruppe auf dem Schirm, die im Handball bislang völlig unterrepräsentiert ist: Migranten. Während der Fußball in diesem Bereich gut bestückt ist, gibt es etwa bei den rund 150 Nachwuchsspielern der SG HCL so gut wie niemanden mit ausländischen Wurzeln. "Wir haben zwei Kroaten bei der männlichen Jugend. Der Rest ist deutsch", weiß Flik, der sich mehr Zulauf von Migranten wünscht: "Wir müssen darauf hoffen. Es geht ja auch gar nicht anders, wenn man sich die demografische Entwicklung mal anschaut." Vor allem über Kinder und Jugendliche aus Balkan-Ländern, in denen Handball eine große Popularität genießt, würde sich der SG-Chef freuen: "Da ist schon das Grundverständnis im Elternhaus da."

Die Suche nach neuen Nachwuchsspielern steht auch bei den Handballern vom VfL Nagold ganz oben auf der Agenda. "Das ist ein ganz großes Thema. Durch die Ganztagsschulen wird das ja auch nicht leichter", sagt Michael Schweizer, Trainer der Nagolder Männer-Teams. Der Titelgewinn in Polen ist aus seiner Sicht eine hervorragende Möglichkeit, gerade an den Schulen präsenter zu sein: "Diese Welle sollte man unbedingt nutzen."

Gespannt mitgefiebert hat natürlich auch Schweizer während des Finales. "Man hat schon an der Körpersprache gesehen, dass sie den Sieg unbedingt wollen", erkannte das geschulte Auge des Nagolder Trainers. Dass es dann aber gleich ein 24:17-Sieg wird, haute selbst Schweizer aus den Socken: "Ich hatte schon damit gerechnet, dass sie es schaffen, aber so deutlich habe ich das nicht erwartet. Ich dachte auch, dass Anfang der zweiten Halbzeit vielleicht noch mal ein Einbruch bei den Deutschen kommt." Der kam jedoch nicht – und so konnte der VfL-Coach gemeinsam mit seinen Kumpels und seinem zehnjährigen Sohn vor dem Fernseher jubeln.

Bei der SG H2Ku Herrenberg warf man bei der Handball-EM einen ganz genauen Blick auf den Spielfeldrand. Denn: Deutschlands Co-Trainer Axel Kromer war von 2009 bis 2012 Coach des Gäu-Clubs und führte ihn in die 2.   Bundesliga. "Der Europameistertitel ist für uns etwas ganz Besonderes. Wir waren die ja erste Trainer-Station von Axel Kromer", freut sich H2Ku-Pressesprecher Peter Gebhardt. Gleichzeitig bedeutet das Gold von Krakau nun viel Arbeit für die Spielgemeinschaft – und besonders für den hauptamtlichen Jugendkoordinator Fabian Gerstlauer. "Wir müssen den Handball-Gedanken nun an die Schulen tragen", sieht Gebhardt den Herrenberger Drittligisten sogar ein Stück weit in der Pflicht.

Echte Nachwuchssorgen hat die SG H2Ku Herrenberg allerdings nicht: Rund 400 Jugendliche spielen derzeit in einer der 30 Nachwuchsmannschaften Handball. Von Vorteil ist, dass es etwa im Stadtteil Haslach – in dem einer der drei H2Ku-Stammvereine ansässig ist – gar keinen Fußballverein gibt. Gebhardt: "Handball steht da ganz anders im Fokus." Und der ist seit Sonntag noch größer geworden.