Martin Heuberger. Foto: dapd

Der Handball-Bundescoach Martin Heuberger spricht über das Verhältnis zwischen Verband und Liga.

Stuttgart ist ein gutes Pflaster für die deutsche Handball-Nationalmannschaft. Entsprechend optimistisch geht Bundestrainer Martin Heuberger ins WM-Qualifikationsspiel an diesem Samstag (15.15 Uhr/Porsche-Arena/Sport 1) gegen Bosnien-Herzegowina: „Wir brauchen ein Polster fürs Rückspiel.“

Herr Heuberger, geht es Ihnen gut, oder macht Ihnen Ihre Hüftarthrose schwer zu schaffen?
Der Verschleiß aus meiner aktiven Zeit als Handballer ist groß. In absehbarer Zeit muss ich mich operieren lassen. Aber die Schmerzen sind zu ertragen. Mir geht’s gut.

Dürfen sich die Zuschauer in Stuttgart auf ein Handball-Fest freuen?
Wir haben in Stuttgart immer gewonnen. Es herrschte stets eine tolle Atmosphäre. Ich bin sehr optimistisch. Aber ob es ein Fest wird, weiß ich nicht. Es geht um enorm viel. Wir müssen einen Sieg landen, möglichst mit einem Torepolster, denn im Rückspiel in Sarajewo wartet auf uns ein heißer Tanz vor 15 000 fanatischen Zuschauern.

Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning sagte, wenn er morgens um 4 Uhr seine A-Jugend weckt, gewinnt auch die gegen Bosnien-Herzegowina.
Das hat der Bob wirklich gesagt? Nicht mehr als ein Spruch, aber mit dem Gegner kann er sich dann wirklich nicht befasst haben. Bosnien hat viele Spieler mit großer internationaler Erfahrung. Im Tor sind sie mit dem Göppinger Enid Tahirovic und Danijel Saric vom FC Barcelona sogar überragend besetzt.

Wie sehr fehlen Ihnen die Verletzten Michael Haaß und Holger Glandorf?
In einer WM-Qualifikation steht man unter Druck. Da fehlen uns die beiden vor allem in puncto Erfahrung, zumal in Pascal Hens und Christian Springer zwei weitere Routiniers nach der EM aufgehört haben.

Hens hat sich über fehlendes Vertrauen bei der EM öffentlich beschwert. Hat Sie das gestört?
Das ist seine Sicht der Dinge. Wir hatten einige gute Gespräche während der EM. Danach hat er seinen Rücktritt erklärt. Damit ist die Sache für mich erledigt.

Die deutschen Clubs haben alle drei Europapokal-Titel abgeräumt. Profitierten Sie davon?
Es ist äußerst erfreulich für die Clubs und die Bundesliga, ich kann mir aber wenig davon kaufen. Ich ziehe den Hut vor Trainer Alfred Gislason und dem THW Kiel, doch die Schlüsselfiguren für diese überragende Leistung waren Ausländer. Solange keine deutschen Nationalspieler in verantwortlichen Positionen bei diesen Vereinen spielen, bringt uns das im DHB-Team nicht voran.

Profitieren die deutschen Spieler nicht von der täglichen Trainingsarbeit mit den Superstars?
Natürlich ist es eine Freude für einen jungen Spieler mit einem Thierry Omeyer, Filip Jicha oder Marcus Ahlm zu trainieren, aber es müssen einfach auch mehr deutsche Spieler im Kader und auf dem Spielfeld auftauchen. Bei den ausländischen Final-Four-Teilnehmern waren doch auch viel mehr Einheimische am Ball.

"Ohne die Liga habe ich keinen Erfolg"

Bei AG Kopenhagen gehörten neun Dänen zum erweiterten Stamm.
Eben, und Atletico Madrid setzte auf neun Spanier. Das zeigt, es geht auch, sowohl auf Top-Ausländer als auch auf einheimische Spieler zu setzen. Diesen Spagat müssen wir dringend hinbekommen.

Haben Sie nicht schon resigniert?
Im Gegenteil. Die Liga hat erkannt, dass sich etwas ändern muss. Wir haben in der Breite genügend Talente, wir sind mit führend in der Jugend und bei den Junioren, jetzt geht es darum, dass die Jungen Woche für Woche unter Druck Leistung bringen.

Woran machen Sie es fest, dass die Liga erkannt hat, was die Stunde geschlagen hat?
Sehr viele Leistungszentren sind entstanden. Das ermöglicht ein deutlich verbessertes Training – qualitativ und quantitativ –, da Schule und Sport effizienter koordiniert werden. Wenn ein 18-Jähriger nur dreimal pro Woche trainiert, landet er nicht in der Bundesliga.

Die Vereinsvertreter loben, dass viel mehr kommuniziert wird, seit Sie Bundestrainer sind.
Das Klima war vergiftet, eine bessere Zusammenarbeit unbedingt nötig. Ohne die Liga habe ich keinen Erfolg. Und umgekehrt braucht die Liga die Nationalmannschaft, als Lokomotive für die Sportart.

Sie sind Badener. Was sagen Sie dazu, dass es in der neuen Saison weniger weiße Flecke auf der Handball-Karte im Süden gibt.
Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Bei den Rhein-Neckar Löwen ist die Tendenz zwar eher rückläufig, aber man möchte dort verstärkt auf deutsche Spieler setzen. Frisch Auf Göppingen wird sicher wieder eine gute Rolle spielen. HBW Balingen-Weilstetten macht aus seinen Möglichkeiten das Optimale. Und bei Aufsteiger TV Neuhausen wächst etwas heran. ich freue mich, dass in Markus Gaugisch ein junger deutscher Trainer die Chance bekommen hat, etwas zu bewegen.

Wird der Göppinger Michael Haaß Ihr neuer Kapitän, wenn er wieder fit ist?
Das kann gut sein, Haaß wäre sicher ein guter Kapitän. Er hat Erfahrung, er hat Autorität, und seine Umgangsformen sind perfekt.

Und in Stuttgart wird Abwehrchef Oliver Roggisch die Spielführerbinde tragen?
So sieht es aus, aber grundsätzlich finde ich die Kapitänsfrage überbewertet. Ich muss mit allen Führungsspielern kommunizieren, aber auch alle anderen einbinden.

Auch Michael „Mimi“ Kraus war schon Kapitän, spielt er in Ihren Planungen überhaupt noch eine Rolle?
Wir tauschen uns regelmäßig aus. Er fühlt sich noch nicht zu 100 Prozent fit, um dem Team zu helfen.

Auf wen tippen Sie als Fußball-Europameister?
Das deutsche Team ist reif für den Titel.

Von Ihrer Mannschaft werden Sie das im Hinblick auf die WM 2013 in Spanien kaum behaupten?
Zunächst müssen wir in Stuttgart den Grundstein für die Teilnahme legen. Aber auch dann sind wir mit Sicherheit noch nicht reif für den Titel in Spanien. Wir müssen jetzt erst einmal Konstanz reinbringen und Erfahrungen sammeln, um kritische Situationen zu überstehen. Denn in der Weltspitze geben Nuancen den Ausschlag über Erfolg und Misserfolg.