Die Verhandlung vor dem Nagolder Amtsgericht wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung dauerte drei Stunden und endete mit einer Überraschung Foto: Bernklau Foto: Schwarzwälder-Bote

Justiz: Prozess gegen 30-Jährigen wegen Gewaltakten gegen seine Freundin endet mit Überraschung

Ein Prozess vor dem Nagolder Amtsgericht wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung dauerte drei Stunden – und endete mit einer Überraschung.

Nagold. Bevor der Staatsanwalt nach drei Stunden mit seinem Plädoyer beginnen konnte, präsentierte Verteidiger Wolfgang Schäfer ein Video. Danach hatte die Geschädigte entgegen ihrer Aussage vor Gericht auch später noch eine Beziehung zu dem Angeklagten. Bei einem gemeinsamen Frühstück sagte sie ihrem Partner laut hörbar, dass sie ihn liebe.

Kennengelernt hatte sich das Paar im November 2014. Sie zog mit ihren beiden Kindern in die Wohnung des Mannes in einer Kommune im Nagoldtal. Im Laufe der Zeit kam es zu Spannungen. Sie habe sich von ihm zunehmend kontrolliert geführt, behauptete die 30-Jährige. Wenn sie ihre Verwandten besuchen wollte, habe er das missbilligt und auch untersagt. Es habe immer öfter Streit und auch körperliche Übergriffe gegeben. "Einmal hat er mir Waffelteig über den Kopf gegossen." Nach einem Besuch bei ihrer Cousine habe sie beschlossen, ihn zu verlassen. Dort sei der Mann dann wiederholt aufgetaucht, habe sie beleidigt und bedroht. Am 29. Juli 2016 eskalierte die Auseinandersetzung.

Frau lässt sich im Nagolder Krankenhaus untersuchen

Laut Anklageschrift schaute der Angeklagte an diesem Tag bei seiner Verlobten vorbei, nannte sie "Monster", "Schlampe" und "Matratze", schlug ihr mit der Hand ins Gesicht und würgte sie mit beiden Händen, "bis sie fast keine Luft mehr bekam". Um die Situation zu entschärfen, habe sie ihn zu einem Spaziergang aufgefordert, worauf er sich eingelassen habe. Unterwegs sei es erneut zum Streit gekommen. Ihr Freund sei daraufhin weggerannt, habe ihr vor der Wohnung aufgelauert, mit der Faust auf einen Oberarm geschlagen, dabei seien ihr unter anderem Ausweispapiere auf den Boden gefallen. Bevor die Polizei eintraf, sei er geflüchtet.

Völlig anders schilderte der Angeklagte die Beziehung. Seine Freundin habe ihn "belogen und betrogen", sich nicht an Vereinbarungen und Absprachen gehalten. Als er erfahren habe, dass sie noch verheiratet ist und er in der Wohnung eine Perücke fand, sei in ihm der Verdacht aufgestiegen, seine Verlobte würde anschaffen gehen.

Nach ihrem überstürzten Auszug aus der gemeinsamen Wohnung habe er versucht, mit ihr ein klärendes Gespräch zu führen. "Ich habe sie weder bedroht noch gewürgt". Ein Polizeibeamter vom Posten in Haiterbach sagte vor Gericht aus, die 30-Jährige sei vorbeigekommen und erklärt, ihr Verlobter habe sie vor der Wohnung gepackt, habe ihr Ausweise abgenommen und sei danach mit dem Auto weggefahren.

Das Fahrzeug habe man später gefunden – und die Dokumente seien tatsächlich im Fahrzeug gelegen. Die Frau ließ sich im Nagolder Krankenhaus untersuchen. Dabei wurden laut schriftlichem Bericht eines Arztes Verletzungen festgestellt. Ob sie von der Auseinandersetzung herrühren, versuchte eine medizinische Sachverständige in der Verhandlung zu klären. Dass der Angeklagte ihr eine Ohrfeige verpasst haben muss, sah sie als erwiesen an, alles andere könne nicht hundertprozentig nachgewiesen werden.

Ein weiterer Verhandlungstag hätte 5000 Euro gekostet

Als nach Ende der Beweisaufnahme das Video gezeigt wurde, änderte sich die Situation schlagartig. Sollte man einen neuen Verhandlungstag festsetzen, einen medizinischen und einen technischen Sachverständigen hinzuziehen, weil Staatsanwalt Nikolaus Wegele behauptete, die Datumsanzeige auf dem Video könne auch manipuliert worden sein? "Das kostet 5000 Euro", rechnete der Richter blitzschnell nach. Weil die Ohrfeige nicht wegzudiskutieren sei, komme der 30-Jährige um eine Strafe nicht ganz herum.

Daraufhin gab sein Verteidiger eine Erklärung ab. Im Protokoll müsse festgehalten werden, dass sein Mandant die ihm zur Last gelegten Taten nicht begangen habe, aus "prozessökonomischen Gründen" aber bereit sei, den Einspruch gegen den erlassenen Strafbefehl über 1800 Euro zurückzunehmen, weil es sein könnte, dass das Urteil höher ausfällt