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Haiterbachs Bürgermeister will unsachliche Kritik und persönliche Diffamierungen künftig nicht mehr veröffentlichen.

Haiterbach - Ein Amtsblatt, in dem nicht nur der Bürgermeister als verantwortlicher Herausgeber, sondern auch Stadträte mit schöner Regelmäßigkeit von politischen Gegnern durch den Kakao gezogen werden? Anderswo undenkbar. Nur nicht in Haiterbach. Das soll sich nach dem Willen von Bürgermeister Andreas Hölzlberger aber nun ändern.

Bislang galt in dem amtlichen Mitteilungsorgan der Kuckucksstadt die völlig freie Meinungsäußerung. Bewusst hatte man sich in der Vergangenheit kein Redaktionsstatut zugelegt. Kurz vor der Kommunalwahl 2014 kam das Thema im Stadtrat zwar nochmals auf den Tisch, aber man kam damals überein, einen sachlichen Meinungsaustausch zu pflegen, der "frei von Angriffen auf Personen oder Gruppierungen und frei von Diffamierungen" sein sollte. Auf eine Aufstellung von verbindlichen Regelungen verzichtete man – es galt die freie Meinungsäußerung.

Für Bürgermeister ist das Maß voll

Eine Fraktion wusste diese publizistische Freiheit in den vergangenen Jahren weidlich zu nutzen: CDU/Freie Wähler mit den beiden Protagonisten Otto Roller und seinem Stellvertreter Johann Pagitz. Bürgermeister Hölzlberger verzichtete zwar in einer Beratungsgrundlage darauf, Ross und Reiter zu nennen – "Beobachter der Kommunalplitik" könnten sie auch so "eindeutig zuordnen", aber das Maß war für ihn mittlerweile übervoll: "Jetzt ist Schluss damit", sagte er im Gespräch.

Seit der letzten Kommunalwahl, so konstatiert der Schultes in dem Beratungspapier für die nächste Gemeinderatssitzung, habe die "Schärfe der Veröffentlichungen zugenommen". Personen und Gruppierungen würden ständig angegriffen und diffamiert werden. Häufig würden Meinungen so dargelegt, dass sie vom Leser als Fakt verstanden würden. Gegenüber unserer Zeitung wurde Hölzberger deutlicher: "Viele in Haiterbach sagen: Den Mist lese ich gar nicht mehr."

Der Bürgermeister holte sich dabei Rückendeckung vom Landratsamt, zuständig für die Kommunalaufsicht. Die Antwort aus Calw war eindeutig: Man müsse zwar den Fraktionen des Stadtrats die Gelegenheit geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Kommune im Amtsblatt darlegen zu können, aber diese Beiträge müssten sachbezogen formuliert sein und dürften keine persönlichen Angriffe oder beleidigende Inhalte enthalten. Die Kommunalaufsicht empfahl Hölzlberger die Aufstellung eines Redaktionsstatuts, um unsachliche Kritiker an die Kandare zu nehmen. Der Bürgermeister als oberster Zensor? Hölzlberger schlüpft offenbar nur ungern in diese Rolle: "Ein solches Redaktionsstatut braucht niemand sonst. Da läuft’s auch so ordentlich". Aber er schaute sich dennoch in der Nachbarschaft nach Inspirationen für ein redaktionelles Regelwerk um, das solche medialen Auswüchse wie in Haiterbach künftig ausschließen sollte. Fündig wurde er in Horb, kommunalpolitisch oft nicht minder spannend als Haiterbach.

Kein Platz mehr für Beleidungen

Während Hölzlberger sich darüber Gedanken machte, wie er als Verantwortlicher für den Inhalt des Amtsblattes die Diskussionskultur in seiner Stadt in sachliche und geordnete Bahnen lenken könnte, nutzte CDU-/Freie Wähler-Fraktionschef Otto Roller das Mitteilungsorgan nochmals für einen verbalen Rundumschlag. In seiner selbst ernannten Enthüllungsgeschichte, tituliert als "Haiterbacher Hintergründe Teil 1", schrieb er von "rechtswidrigen Sitzverteilungen", die von Ratskollegen "missbraucht" worden seien, von "Veruntreuung von Steuergeldern", für die Bürgermeister wie andere Stadträte seiner Meinung nach eigentlich strafrechtlich verfolgt werden müssten, gar von "Sabotagemaßnahmen" und anderen Haiterbacher "Spielchen". All diese Vorwürfe wurden unkommentiert und 1:1, wie es Roller formuliert hatte, im Amtsblatt abgedruckt.

Jetzt zog der Bürgermeister die Reißleine. Am 23. Oktober informierte er nichtöffentlich den Verwaltungsausschuss über seine Absichten, solchen Berichten künftig mit einem Redaktionsstatut Einhalt zu gebieten. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits der zweite Teil der Serie "Haiterbacher Hintergründe", wieder verfasst von der CDU/Freie Wähler-Fraktion, auf seinem Tisch. Tenor: "Das Haiterbacher Spielchen geht weiter". Wieder war davon die Rede, dass in der Kuckucksstadt Geld zum Fenster hinaus geworfen würde. Und die Autoren versprachen nicht weniger, als mit dieser Veröffentlichung die "wahre Haltung" einzelner Gemeinderäte offen zu legen und damit zu enthüllen, was wirklich "hinter den Kulissen abläuft." Doch den Autoren schwante bereits Böses: "Wer weiß", schrieben Sie in ihrem Vorwort ans Redaktionsteam im Rathaus, "wie lange wir noch diese Hintergründe darstellen dürfen." Sie sollten Recht behalten: Hölzlberger hatte die Roller-Pagitz’sche Geschichtsschreibung bereits kassiert und eine Veröffentlichung abgelehnt.

Am kommenden Dienstag soll nun der Gemeinderat darüber entscheiden, ob dem Amtsblatt jener hoheitliche Charakter verliehen wird, der dem Bürgermeister erlaubt, das Mitteilungsorgan künftig von "unsachlichen Auseinandersetzungen örtlicher Interessengruppen" und von "Stellungnahmen mit beleidigendem Charakter" frei zu halten.

Info Redaktionsstatut

 So sieht unter anderem das Redaktionsstatut für das Amtsblatt aus, das in Haiterbach zur Diskussion steht:

 "Das Amtsblatt hat hoheitlichen Charakter. Es ist von unsachlichen Auseinandersetzungen örtlicher Interessengruppen sowie von einer über den örtlichen Bezug hinausgehenden Berichterstattung freizuhalten. Veröffentlichungen müssen sachbezogen formuliert sein und sollen sich auf das Notwendige beschränken. Berichte mit Angriffen auf Personen, Gruppierungen dürfen nicht veröffentlicht werden. Gleiches gilt für Berichte, die geeignet sind andere zu diffamieren und für Berichte, die Meinungsäußerungen enthalten und die Meinungen nicht deutlich als solche kenntlich gemacht sind. (…) Die Stadtverwaltung hat, Stellungnahmen zurückzuweisen, die nicht diesen Anforderungen entsprechen. Gleiches gilt, wenn die Stellungnahmen beleidigenden Charakter haben oder falsche Tatsachen beinhalten."

 Fraktionen und Wählervereinigungen des Gemeinderats haben unter Berücksichtigung der Sitzverteilung ein Veröffentlichungsrecht einmal monatlich in der ersten Ausgabe unter der Rubrik "Berichte der Fraktionen". (…) Das Veröffentlichungsrecht ist auf den kommunalen Wirkungskreis begrenzt und soll den Fraktionen und Wählervereinigungen ermöglichen, ihre Auffassung zu Angelegenheiten der Gemeinde darzulegen. Für den Inhalt sind die jeweiligen Fraktionen und Wählervereinigungen selber verantwortlich.

  Drei Monate vor Wahlen sind in dieser Rubrik wöchentliche Veröffentlichungen möglich. Um das Neutralitätsgebot bei Wahlen zu gewährleisten, entfällt diese Rubrik jedoch in den beiden Wochen, die direkt vor dem Wahltag liegen.

 Ausgenommen (von der Veröffentlichung) sind:

Beiträge, die gegen gesetzliche Vorschriften, die guten Sitten oder die Interessen der Stadt verstoßen.

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