Für die Erddeponie "Grund" liegen Angebote in Millionenhöhe vor. Foto: Kost

BauLog S21, STRABAG und der Landkreis geben Angebote ab. Summen für Pacht lassen Gemeinderat fast die Sinne schwinden.

Haigerloch - Als sie sich auf ihrer Irrfahrt über die Meere der Insel der Sirenen näherten, verstopfte Odysseus seinen Seemännern die Ohren. Er selbst ließ sich an den Mast seines Schiffes binden, um ihren betörenden Gesang zwar hören zu können, ihm aber nicht zu erliegen – was ihn fast in den Wahnsinn trieb.

Ein bisschen erinnert eine der berühmtesten Geschichte aus der griechischen Mythologie an die Situation des Haigerlocher Gemeinderates am Mittwochabend. Was das Gremium und auch das zahlreiche Publikum im Bürgerhaus zu hören bekam, klang verlockend, verführerisch, verheißungsvoll, vielversprechend. Doch bevor der Gemeinderat irgendeiner Versuchung erliegen konnte, schaltete er seinen Verstand wieder ein – und vertagte eine Entscheidung.

"Wir sollten das erst noch mal in den Fraktionen besprechen", meinte Kristin Koschani-Bongers (CDU) nach zwei Stunden geballter Information, und bekam dafür die Zustimmung aller sichtbar erschöpften Beteiligten. Konrad Wiget (SÖL) pflichtete ihre bei: "Wir sollten das erst einmal setzen lassen, obwohl die Präsentationen viele Fragen des Ortschaftsrates Stetten beantwortet haben." Dieser hatte sich bereits einen Tag vor dem Gemeinderat mit dem Thema Erddeponie befasst.

Was war passiert, das dem Gemeinderat, fast die Sinne schwinden ließ? Nun, mit der BauLog S 21, der Arbeitsgemeinschaft STRABAG/DrP und dem Zollernalbkreis stellten sich in aller Öffentlichkeit erstmals alle drei Partien vor, die an der Pacht der Erddeponie "Grund" Interesse haben.

Alle drei Angebote hatten Charme: Die beiden Investorengemeinschaften aus der Privatwirtschaft versicherten, dass sie beim Verfüllen der Deponie, die erforderlichen Genehmigungsverfahren selbst in die Hand nehmen, alle nur erdenklichen Kontroll-, Qualitäts- und Sicherheitsmaßstäbe erfüllen und sich auch um die Renaturierung der Deponie danach kümmern. Und sie lockten die politischen Vertreter der Stadt mit Geld. Sehr viel Geld.

Unter der Voraussetzung, dass man Material der Güteklasse bis Z 1.2 einbauen darf, bietet die BauLog S 21 über jährliche Pachtzahlungen von 1,5 Millionen Euro, insgesamt 7,5 Millionen Euro an. Die selbe Summe würde auch STRABAG/DrP zahlen, geht aber noch einen Schritt weiter: Wenn man auf "Grund" sogar Z 2-Material einlagern darf, dann sattelt die Arbeitsgemeinschaft nochmals 3,5 Millionen drauf. Also elf Millionen Euro – und zwar komplett in Vorkasse. Ingenieur Markus Reichl versprach: "Bis zur abschließenden Genehmigung trage wir alle Kosten."

Der Landkreis kann mit Avancen in solchen Dimensionen nicht mithalten. Ohne ein konkretes Angebot für "Grund" abzugeben, stellte er als Vergleichszahl eine jährliche Pacht für die Kreismülldeponie bei Hechingen (etwa 54.000) Euro in den Raum.

Dagegen versuchte der Kreis mit der Zusicherung einer "Rundumversorgung" zu punkten (Ein Teil des Geländes bleibt Erddeponie für die Haigerlocher Bürger, Bau eines Wertstoffzentrums, Annahme von Grüngut und Rasenschnitt).

Info: Faktencheck

Zollernalbkreis: Betreiber von 19 Deponien im Kreisgebiet. Darunter 17 Deponien der Klasse DK -0,5 (unbelasteter Erdaushub), einer DK 0-Deponie (gering belasteter Erdaushub und Bauschutt) und einer DK 2-Deponie (Kreismülldeponie Hechingen; stark belastete Abfälle).

BauLog S 21: Zusammenschluss der Firmen Fischer; (Weilheim; Entsorgungsbetrieb), Gfrörer (Empfingen; Schotterwerk) und U+TL (Singen; Bahntransporte). 115 Millionen Euro Jahresumsatz, 500 Mitarbeiter (eigene Angaben).

ARGE STRABAG/DrP: Das Bauunternehmen Strabag hat in Deutschland 73.000 Mitarbeiter und einem Jahresumsatz von 2,1 Milliarden Euro (eigene Angaben). DrP ist seit 1993 im Bereich Altlasten, Abfallwirtschaft und Deponien tätig, zehn Mitarbeiter.

Seite 2: Aufrüsten auf DK1

(tk). Aufgrund einer Verschärfung des Deponierechtes, so erklärte es der Erste Landesbeamte Matthias Frankenberg vom Landratsamt, werde nicht mehr jede Kommune im Kreis künftig eine eigene Deponie betreiben können. Also muss eine Lösung her.

Ein weiterer Aspekt: Im Kreis rechnet man in Zukunft mit einem jährlichen Potenzial zwischen 20- und 40.000 Tonnen an Müll, für den eine DK 1-Deponie (Bauschutt und Erdaushub, Abfall mit geringem organischen Anteil) genau das Richtige wäre. Im Landkreis gibt es aber bislang keine einzige DK 1-Deponie und die Einlagerung dieses Abfalls auf der höherwertigeren DK 2-Deponie in Hechingen ist sozusagen reine "Ressourcenverschwendung".

Also hat der Kreis die Erddeponie "Grund" bei Stetten ins Auge gefasst und würde sie von der bisherigen Klasse DK -0,5 (unbelasteter Boden und Erdaushub) auf DK 1 aufrüsten. Diese DK 1-Deponie hätte als Einzugsgebiet dann den gesamten Landkreis.

Der Investitionsbedarf erscheint überschaubar und der die Kreisverwaltung würde die Deponie an sechs Tagen in der Woche nicht nur mit eigenem Personal betreiben, sondern auch ein Wertstoffzentrum bauen und die Annahme von Grüngut und Rasenschnitt ermöglichen. Den Haigerlochern bliebe zudem ein Bereich erhalten, auf dem sie auch künftig ihren Erdaushub bringen können.

Die Nutzung ist auf 15 Jahre ausgelegt und Haigerloch hätte laut Frankenberg und Abfallamtsleiter Friedrich Scholte-Reh als Nutzen nicht nur eine jährliche Pacht und Personaleinsparungen, sondern insbesondere ein bürgerfreundliches Angebot mit kurzen Wegen.

Seite 3: Um die Ecke gedacht

(tk). Die Deponie "Grund" wird als Deponie aufgeben und trotzdem werden dort Erdaushub, Bauschutt oder Boden-Asphaltgemische eingelagert. Klingt verwirrend, funktioniert aber.

Und zwar indem man die bisherige deponierechtliche Genehmigung durch eine abfallrechtliche Genehmigung ersetzt. Diese Idee schwebt der Arbeitsgemeinschaft STRABAG/DrP vor.

Die Erddeponie würde dann in ein technisches Bauwerk umgewandelt, das nicht mehr dem Deponie- sondern dem Abfallrecht unterliegt. Der Vorteil dieser Lösung: Die in dieses technische Bauwerk eingebauten Stoffe unterliegen laut Abfallrecht keiner Nachsorgepflicht. Thomas Pfirrmann, Ingenieur für Umweltsicherung: "Das ist kein Taschenspielertrick, sondern eine legale und in der Praxis oft angewandte Methode." Bei der Ablagerung von Material der Einbauklassen bis Z 1.2 (eventuell Z 2) würden aber alle gesetzlichen Vorgaben und Aspekte des Umweltschutzes eingehalten, so versicherten Pfirrmann und sein Kollege Markus Reichl. Das Landratsamt könne jederzeit Proben entnehmen oder auf die Eigenüberwachung und Erfassung der STRABAG zurückgreifen. Der Endzustand des Bauwerks im Jahr 2021 wäre laut ihm und Reichl schließlich ein Hügel mit einer viele Meter dicken mineralischen Abdeckschicht, in die kaum noch Wasser sickern kann.

Auf dem Hügel könnte dann entweder eine Genossenschaft oder ein Energieversorger eine Fotovoltaik-Anlage bauen – und der Stadt weitere jährlich Pacht- und Gewerbesteuereinnahmen von etwa 40.000 Euro bescheren. Die STRABAG selbst wäre sogar bereit diese Anlage "schlüsselfertig und betriebsbereit" zu errichten.

Seite 4: Keine Angst vor Z 1.2

(tk). Hans-Jörg Fischer und seinen beiden Geschäftspartner Hubert Gfrörer und Claus Bechlars (BauLog-Geschäftsführer) stellten das Angebot der BauLog S 21 für die Anpachtung vor.

Ihr Firmenzusammenschluss würde sämtliche Kosten für die Genehmigungen und den Betrieb übernehmen. Den täglichen Ablauf auf der Deponie sollen Mitarbeiter des Empfinger Schotterwerkes Gfrörer sicherstellen. Das Material soll aus Baustellen aus dem Großraum Stuttgart kommen.

Das finanzielle Angebot an die Stadt variiert zwischen 500.000 Euro und 1,5 Millionen Euro Pacht pro Jahr (auf fünf Jahre), je nachdem welches Material die BauLog einbauen kann und darf (Z 0 oder bis zu Z 1.2). Wobei Fischer versuchte, Zuhörer und Gemeinderäten die Angst davor zu nehmen, Z 1.2 sei was ganz Übles. Fischer: "Ein abgebrochenes Gartenhäuschen oder eine Garage müssen auf einer Deponie Z 1.2 entsorgt werden." Schon in der Vergangenheit sei auf der Erddeponie ganz legal Material eingebaut worden, das heute dem Standard Z 2 entspreche. Fischer: "Was unten schon drin ist, ist viel höher belastet, als das, was jetzt reinkommt."

Er versicherte, dass die Haigerlocher auf der Deponie auch weiterhin Material aus ihren Baumaßnahmen zu "ortsüblichen Preisen" abliefern können. Allerdings müsse jeder einen Nachweis über die Herkunft und Zusammensetzung seines Materials vorlegen können.

Auf das Thema Verkehrsbelastung angesprochen, schätzte er, dass im Mittel mit 80 bis 100 Lastwagen pro Tag zu rechnen sei. Diese kämen von der Autobahn, würden aber nicht durch Stetten fahren.