Otto Bogenschütz vor einem alten Bauernhaus. Viele Ortskerne bluten aus, weil die jüngere Generation lieber neu baut oder gleich ganz in größere Zentren zieht. Um diesen Trend abzumildern gibt es aus Bogenschütz’ Sicht Möglichkeiten. Foto: Kost Foto: Schwarzwälder-Bote

Dorfentwicklung: Ortskerne zu beleben ist nicht unmöglich, sagt Otto Bogenschütz

Alte Bauernhäuser, die keiner mehr bewohnt, an denen die Dächer undicht werden und das Mauerwerk zerbröckelt: Solche Anblicke sind heute vor allem in kleinen Dörfern keine Seltenheit mehr. Sie beschäftigten auch den Heimatkundler Otto Bogenschütz aus Hechingen.

Zollernalbkreis. Eigentlich ist es eine paradoxe Situation: Aufgrund niedriger Guthaben- und Kreditzinsen ist der Bau oder der Kauf einer Immobilie so attraktiv wie schon lange nicht mehr. Und dennoch profitiert nicht jeder Ort von dieser Entwicklung: Während Ballungszentren boomen, tun sich kleine, früher bäuerlich geprägte Ortschaften schwer; die junge Generation verlässt die Dörfern, den ländlichen Kommunen droht Überalterung.

"Schon jetzt stehen zehn Prozent der Häuser, die um die 150 Jahre alt sind leer", hat Bogenschütz erkannt, der sich mit der Siedlungsgeschichte der Orte seit dem 15. Jahrhundert beschäftigt. Als Verlierer hat er vor allem zwei Arten von Dörfern ausgemacht: Solche, die nicht unmittelbar im Schatten größerer Zentren liegen, aber auch solche, die abseits von "Achsen" liegen, wie er es bezeichnet. Als Beispiele dafür nennt Bogenschütz Orte wie Erlaheim, Hart oder Höfendorf.

Junge Leute ziehen gerne in die Nähe ihres Arbeitsplatzes

Das grundsätzliche Problem des Dorfsterbens ist für Bogenschütz offensichtlich: Junge Leute sind heute besser ausgebildet als früher und wesentlich mobiler. Deshalb ziehen sie eher in ein Zentrum, in die Nähe ihres Arbeitsplatzes.

Doch auch andere Faktoren spielen bei dieser Entscheidung eine Rolle, die bessere Infrastruktur eines Ballungsraums beispielsweise. Junge Familien werden eher dorthin gehen, wo sie ein attraktives Angebote an Kindergärten, Schulen, Freizeitangeboten, Einkaufsmöglichkeiten und ärztlicher Versorgung haben.

Schwierige Voraussetzungen also, um kleine Dörfer zu retten. Aber aus Bogenschütz‘ Sicht ist das nicht unmöglich. Sein Ansatz dazu unterscheidet sich jedoch leicht von der immer noch häufig zu beobachtenden kommunalpolitischen Strategie. Bogenschütz: "Das Aushängeschild eines kleinen Ortes ist nicht das neue Baugebiet, sondern der optische Eindruck, den der Ortskern macht." Deshalb müssen aus seiner Sicht zunächst einmal diese attraktiver werden, damit dort jüngere Leute wieder heimisch werden.

Kein leichtes Unterfangen, das ist ihm klar. Meistens sind die Stockwerkshöhen von alten Häusern im Ortskern viel zu niedrig. Dazu stehen sie in aller Regel auch noch recht nahe an befahrenen Straßen oder sind dicht am Nachbarhaus gebaut.

Die größten Bürden tragen für ihn die so genannten "Hinterlieger-Häuser". Zugänge zu öffentlichen Straßen und Wegen sind bei ihnen meist nur über Nachbargrundstücke möglich und selbst die Wasserleitung – sofern man überhaupt noch weiß, wo sie exakt verläuft – führt über andere Privatgrundstücke.

Der Kauf eines solchen Hinterlieger-Hauses ist also mit gewissen Risiken verbunden. Das seit 1951 nicht mehr geltende Gewohnheitsrecht, erklärt Bogenschütz, habe früher bestimmt, dass ein zurückversetztes Haus das "herrschende Gebäude" und das davor liegende Haus das "dienende Gebäude" sei. Werde also ein dienendes Grundstück verkauft, sei das Gewohnheitsrecht weg und dem "Hinterhaus" drohe ein enormer Wertverlust.

Um das zu vermeiden, sind aus der Sicht von Otto Bogenschütz sowohl die Gemeinde als auch Privatleute gefordert. Als Erstes, so der Hechinger, sei ein Dorfentwicklungsplan erforderlich. Darunter versteht er eine Bestandsaufnahme, aus der klar ersichtlich wird, wo die Grundstücksgrenzen liegen, wie Leitungen und Kanäle verlaufen und wie es um die Überfahrtsrechte steht.

Besitzer von maladen Gebäuden hoffen oft auf "bessere Zeiten"

Oft würden aus seiner Sicht die Besitzer von maladen Gebäuden in der Hoffnung auf "bessere Zeiten" zu lange mit dem Verkauf warten. Diese Rechnung ist aus Otto Bogenschütz’ Sicht aber verkehrt: Ein altes Gebäude verliere jährlich zwei bis drei Prozent an Wert und werde immer unattraktiver. Stattdessen sollten Hausbesitzer lieber aktiv werden und Förderprogramme nutzen, die das Land für Sanierungen anbietet.

Mittlerweile hätten auch einige Kommunen die Zeichen der Zeit erkannt und unterstützten Sanierungen, Abbrüche oder Neubauten in Ortskernen mit Mitteln aus der eigenen Haushaltskasse. Die Stadt Haigerloch ist ein Beispiel dafür: Seit Jahren bietet sie ein Förderprogramm an, das gut nachgefragt wird.

Was aber passiert mit so genannten "Schandflecken", die partout keiner kaufen will, die aber das Ortsbild stören? Bogenschütz rät in diesem Fall, dass die Kommune das betreffende Gebäude und Grundstück kauft. Aber erst dann, wenn vorher klar sei, was man mit dem Objekt respektive dem Platz machen will.

Geht gar nichts mehr voran – beispielsweise wenn Einsturzgefahr besteht, das Haus eine öffentliche Gefahr darstellt, der Gebäudeeigentümer aber nichts unternimmt – dann kann die Baurechtsbehörde einschreiten.

Für Otto Bogenschütz ist unterm Strich eines klar: Es gebe Möglichkeiten wieder junges Leben in kleine Ortschaften zu bringen.