Mit politischem Kabarett um Identität und Selbstoptimierung begeistert Ingo Börchers das Publikum. Foto: Frank-Gauckler Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Ingo Börchers begeistert aufmerksames Publikum bei "hahn-art kunstprojekt"

Gütenbach. Er redet schnell und viel, der Mann aus Bielefeld. Das neue politische Programm "Immer ich" von Kabarettist Ingo Börchers dreht sich um Selbstbildnis und Selbstoptimierung in einer sich wandelnden Gesellschaft.

Am Samstagabend riss er sein aufmerksames Publikum im "hanh-art kunstprojekt" mit Philosophie und klarer politischer Haltung zu Begeisterung hin.

Sein neues Programm schleuderte Börchers auf die Bühne, eine kleine launische Selbstbehauptung. Verschiedene philosophische Betrachtungen zum Ich handelte er ab und zitierte und querverweiste von Kant über Frisch und Freud bis zu Daniela Katzenberger und schlussfolgerte, es komme auf die Perspektive an.

Sein Programm dreht sich um die Selbstdarstellung des Menschen, verloren im Daten-Tsunami mit Leinenzwang, denn man müsse permanent online sein. Er beschreibt eine Gesellschaft, in der der Selfie-Stick die Walkingstöcke ablöst, vom Selbstporträt, das lange den Künstlern überlassen wurde. Mit der Daten- und Bilderflut erzeugten 1000 Selfies noch lange kein Selbstbildnis, kritisierte er den gesellschaftlichen Wandel und seine Folgen. Aufmerksamkeit ist die Währung der Zeit, Selfies sind Erinnern im Präsens, da komme auch das Gefüge aus Raum und Zeit durcheinander. "Die letzte zeitliche Vereinbarung der Menschheit ist der Tatort am Sonntagabend".

Essen als neue Religion sei auch ein Selbstoptimierungsprojekt, so Börchers. Dabei outete er sich als "MuN - moralisch unterlegener Normalesser".

Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor, selbstreflektierend und nicht belehrend, wortreich und spitzfindig mit Querverweisen auf Dichter und Denker – und dabei äußerst unterhaltsam, denn seine philosophischen Ausflüge versinnbildlichte er mit Situationen aus dem Alltag. Um die Frage nach der eigenen Identität zu klären bemühte er Max Frisch, Erich Fromm und Sigmund Freud, er zitierte und schlussfolgerte temporeich und mit brillanter Denkschärfe. Im Prinzip gingen Strukturen und klare Verhältnisse flöten, es gebe in der Genderdebatte das gefühlte Geschlecht, den Avatar, also das zweite Ich im Netz und eine Biografie, die man sich zusammenreime und erdichte.

In seinem Parforceritt durch die Befindlichkeit der Gesellschaft streift er auch die Arbeitswelt, in der der Mensch weniger als Arbeitnehmer und mehr als Konsument gebraucht werde. Quasi ohne Luft zu holen, beschreibt er ein Bild des heutigen Deutschlands mit all seinen Facetten. Börchers zündete ein Feuerwerk an Wortspielen, Pointen und Metaphern in atemberaubendem Tempo, dass man mit Denken, Lachen und Nachdenken schon gar nicht hinterherkam.

Börchers Programm forderte höchste Aufmerksamkeit. Das und viel Applaus bekam er vom restlos begeisterten Publikum.