Die Überlebenden des Geiseldramas Joel Herat (li.), Elly Chen (Mitte) und Fiona Ma (re.) gedenken der Toten Foto: Getty

Seit diesem Freitag steht Joel Herat wieder hinter der Theke des Lindt-Cafés in Sydney. Er war einer der 18 Geiseln, die damals 16 Stunden lang um ihr Leben fürchteten. Jetzt ist das Café im Herzen der Stadt wieder geöffnet.

Sydney - Seit 6 Uhr morgens polieren Mitarbeiter des Lindt-Cafés in Syndey Fenster, rücken Schokoladenosterhasen zurecht und kehren Böden. Drei Monate war das Café mit Planen und Holzplatten verbarrikadiert gewesen. Es war im Kugelhagel zerstört worden, als die australische Polizei die Geiselnahme am 16. Dezember 2014 blutig beendete. Seit Freitag glänzt das beliebte Café in der Innenstadt Sydneys wieder wie neu.

Unter den Mitarbeitern, die geschäftig Schokolade rühren und Geschirr arrangieren, ist auch Lindt-Mitarbeiter Joel Herat. Er war einer der 18 Menschen, die ein islamistischer Geiselnehmer gefangen gehalten hatte. „Es ist wichtig für mich, zurückzukommen und die Schürze wieder überzuwerfen“, sagt Herat im australischen Fernsehen. Aber es werde ihm noch lange nachgehen, dass Café-Manager Tori Johnson ihn nicht mehr zu Beginn seiner Schicht begrüßt, sagte der 21-Jährige, dem die Emotionen während des Interviews ins Gesicht geschrieben stehen. Johnson war eine von zwei Geiseln, die ums Leben kamen.

Zwei Gedenktafeln erinnern an die Opfer

Bei der Eröffnung des Cafés wird Herat vom Ministerpräsidenten seines Bundesstaates New South Wales umarmt. „Ich habe ihm gesagt, dass die Stadt stolz auf ihn ist, dass er so stark sein kann – trotz allem, was er erlebt hat“, sagte Mike Baird der Tageszeitung „Sydney Morning Herald“. Es sei ein unglaublich wichtiger Tag für Sydney. Dem stimmt auch Elizabeth Gunning zu, eine der ersten Kundinnen im Café. „Ich halte es für wichtig, dass wir als Australier zeigen, dass wir alle zusammenkommen können, dass wir Respekt zeigen und der Opfer gedenken, aber trotzdem auch gemeinsam nach vorne gehen.“

Im Café erinnern zwei Gedenktafeln an die getöteten Geiseln, Johnson und Katrina Dawson, eine erfolgreiche Anwältin und Mutter dreier Kinder. Ein weiterer Gedenkort ist am Martin Place vor dem Café geplant, wo Tausende Menschen in den Tagen nach der Geiselnahme Blumen für die Opfer abgelegt hatten. Die inzwischen geschredderten Blumen sollen an der Gedenkstätte ausgestreut werden.

Der Schweizer Schokoladenhersteller Lindt hatte sich die Entscheidung, das Café wieder zu eröffnen, nicht leicht gemacht. Er habe nach den tragischen Ereignissen vom Dezember ausführlich mit seinem Personal gesprochen, sagt Steve Loane, der Australienchef des Unternehmens. „Die überwältigende Mehrheit fühlte, dass es die richtige Entscheidung für alle Beteiligten ist.“

Polizei kannte den Geiselnehmer

Anfang Dezember hatte der islamistische Terrorist Man Haron Monis 18 Geiseln in dem Café gefangen gehalten. Als die Polizei das Café nach 16 Stunden stürmte, waren zwei Geiseln und der Geiselnehmer ums Leben gekommen. Das Geiseldrama und der Tod zweier Geiseln hatten Sydney und ganz Australien in der Vorweihnachtszeit schwer erschüttert. Der Polizei wurden im Nachhinein schwerwiegende Fehler vorgeworfen. So ergab die Untersuchung, dass Katrina Dawson von einer abgeprallten Polizeikugel ins Herz getroffen wurde. Infrage gestellt wurde auch, warum der 50-jährige, selbst ernannte Prediger und spirituelle Heiler Monis, der ursprünglich aus dem Iran stammte und seit fast 20 Jahren in Australien lebte, von den Behörden nicht überwacht worden war.

Denn der Islamist war bei weitem kein unbeschriebenes Blatt: Neben Beihilfe zum Mord wurden ihm fast 50 Sexualdelikte zur Last gelegt. Zwischen 2007 und 2009 soll er zudem die Familien toter australischer Soldaten mit Hassbriefen terrorisiert haben. Monis hätte sich zum Zeitpunkt der Geiselnahme in Haft befinden können. Stattdessen war er auf Kaution frei.