In den Räumen des Museums in Gechingen stimmt jedes Detail. Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimat: In einer Serie stellt der Schwarzwälder Bote Denkmäler und Museen vor – und die Menschen, die sich um sie kümmern

Man könnte es sein "zweites Leben" nennen. Im "ersten Leben" war Norbert Jensen in der Computerbranche tätig. Doch vor vier Jahren stand er "kurz vor dem Burnout", wie er sagt. Da wusste er, dass er "etwas ganz Anderes" machen musste.

Gechingen. Heute, in seinem "zweiten Leben", ist der 61-Jährige der "Chef" des Heimatmuseums Gechingen. "Die Arbeit gibt mir etwas, man wird im Ort anerkannt", erzählt Jensen von seiner neuen Mission. Er habe wieder Boden unter den Füßen gefunden, meint er. "Und auch gesundheitlich geht es mir heute viel besser."

Das "Museum Appeleshof" nennt sich selbst "das lebendige Heimatmuseum im Heckengäu." Es ist kein großes Museum, es ist ein kleines Museum, ein Museum, das zu der 3800-Seelen-Gemeinde passt – und, was der Besucher auf den ersten Blick erkennt: Es ist liebevoll gemacht. Das Museum besteht aus einem 250 Jahre alten Bauernhaus inmitten des Ortes, ein schmuckes Fachwerkhaus, das Freunde und Unterstützer mit viel Elan und tausenden Arbeitsstunden wieder auf Vordermann gebracht haben.

"Das landwirtschaftliche Leben und das Brauchtum drohen in Vergessenheit zu geraten", das solle der "Appeleshof" verhindern, so der "Arbeitskreis Heimatgeschichte im Schwarzwaldverein", dem Träger des Museums. Mit Liebe und geradezu unendlicher Sammelwut lassen die freiwilligen Helfer längst vergangene Zeiten wieder auferstehen. Präsentiert werden nicht etwa nur alte landwirtschaftliche Geräte oder Gegenstände des täglichen Gebrauchs von "anno dazumal". Im ersten Stockwerk ist etwa ein altes Klassenzimmer zu bestaunen – samt Schulbänken und Wandtafel aus alten Zeiten. Dann ist da eine alte "Amtsstube", ein Fotoatelier, ein kleiner Dorfladen, eine traditionelle Schumacherwerkstatt sowie eine alte Küche – alles original, alles so, wie es vor etwa 100 Jahren ausgesehen hat. Jedes Detail stimmt, alles in mühsamer Kleinarbeit zusammengetragen – und das ausschließlich von freiwilligen Helfern aus dem Ort.

Seit 1995 gibt es das Museum, damals arbeitete Jensen noch in Böblingen beim US-Computerhersteller HP. Zwölf Stunden täglich habe er damals gearbeitet, für Freizeit oder Mitarbeit im Museum habe er überhaupt keine Zeit gehabt. Museumsgründer war damals Fritz Roller, seit heute 95, der immer schon ein "leidenschaftlicher Sammler" war. "Zuerst hatte ich für das Gesammelte zwei Stuben bei mir zu Hause eingerichtet." Als die Sammelei dann immer mehr ausuferte, kam ihm die Idee mit dem Museum. Die Gemeinde kaufte schließlich das alte Bauernhaus, dann hieß es Ärmelhochkrempeln zur Renovierung. Noch heute ist Roller aktiv, geht dem neuen "Macher" des Museums zur Hand.

Jensen, der trotz seines norddeutschen Namens beteuert, waschechter Schwabe zu sein, sieht sich nicht gerne als "Macher" des "Appeleshofs". Fast ein bisschen krampfhaft betont er immer wieder, dass alles "Teamarbeit" sei, dass er die Arbeit alleine gar nicht stemmen könnte. Jensen, der Mann mit dem karierten Hemd, mag es nicht, wenn er im Mittelpunkt steht. Als er vor vier Jahren sein "erstes Leben" beendete und in den vorgezogenen Ruhestand trat, wusste er nur eins: "Nie mehr was mit Computern." Doch der Weg zum Museum führte über einen Umweg. "Ich wusste nur, dass ich etwas ganz Anderes machen wollte, dass ich erstmal meinen Kopf freikriegen musste." Jensen absolvierte zunächst beim Schwarzwaldverein eine Ausbildung zum Wanderführer. Heute sagt er: "Ich musste erst wieder Boden unter meinen Füßen kriegen." Dann habe er den Schwarzwaldverein gefragt, wo und wie er "mit anpacken", wo er sich nützlich machen könne. "Ich habe einfach gefragt: Wo brennt’s, wo kann ich helfen?" So kam er zum "Appeleshof".

Jensen spürte sofort, dass er seinen Platz gefunden hatte. "Dieses Museum ist so liebevoll aufgebaut, da haben die Leute so viel Zeit investiert, die konnten einfach nicht mehr." Er erzählt weiter: "Als ich zum ersten Mal hier war, da stand eine 80-jährige Frau auf einem Stuhl und hat Fenster geputzt. Ich musste einfach sagen: Das geht nicht, das übernehme ich, da konnte ich einfach nicht anders."

Seitdem ist er ein bisschen Mädchen für Alles, wie sein Vorgänger Roller das nennt. Vor eineinhalb Jahren wurde Jensen dann zum Vorsitzenden des Arbeitskreises Heimatverein gewählt – ist also praktisch Museumschef, auch wenn er das so gar nicht gerne hört, schließlich sei ja alles Teamarbeit, wie er nicht müde wird zu betonen.

Tatsächlich fällt eine Menge Arbeit an, die einer alleine nicht bewältigen könnte. Von April bis Oktober hat das Museum an jedem ersten Sonntag im Monat geöffnet. "Dann sind mindestens 20 Leute anwesend, zum erklären", sagt er. "In jedem Raum ist ein Gechinger, der seine Sache erzählen kann."

Mit besonderem Stolz zeigt Jensen etwa die bäuerliche Wohnung im oberen Stockwerk des Bauernhauses. Auch hier stimmt jedes Detail: Eine Wohnstube samt Sofa, Buffet und Klavier, daneben das elterliche Schlafzimmer samt Doppelbett und dicken Federbetten. Selbst die Kleiderschränke sind noch bis obenhin vollgepackt. Und, lediglich durch eine kleine Wand abgetrennt, befindet sich eine winzige Kammer für die bettlägerige Großmutter. "Ein echtes Drei- Generationen-Haus", sagt Jensen. "Wenn die Eltern auf dem Feld arbeiteten, waren die Kinder hier bei der Oma." So habe selbst die bettlägerige Großmutter noch ihre Aufgabe gehabt.

Doch das wirklich Besondere an dem "Appeleshof" sind die Sonderausstellungen. "Wir wollen keine Asche verwalten, wir wollen das Feuer am Brennen halten", betont Jensen. Deshalb gebe es an jedem geöffneten Sonntag eine Sonderausstellung zu jeweils einem bestimmten Thema. Demnächst steht etwa das Thema Licht an. "Rund ums Licht: Von der Öllampe bis zur Elektrizität", heißt der Titel, die meisten Ausstellungsstücke stammten von einem "Lampen-fixierten" Sammler aus der Umgebung, erzählt Jensen. So solle Geschichte lebendig gehalten werden. Ein weiteres Sonderausstellungs-Thema demnächst heiße "Schwäbische Küche" – der Bezug zum Alltagsleben der Gechinger sei ein Fixpunkt, berichtet der Museumsdirektor. Es ist nur ein kleines Museum, aber an guten Sonntagen im Sommer kommen immerhin 200 und mehr Besucher. Im Winter bleibt der "Apelleshof" geschlossen, "weil wir keine richtige Heizung haben", wie Jensen sagt. "Im Winter fahren wir alles runter, decken alles ab, damit kein Schaden entsteht." Dafür gibt es an Sommer-Sonntagen für jeden Besucher Kaffee und Kuchen – bei gutem Wetter draußen, bei schlechtem Wetter im "Museums-Stüble" unterm Dach, alles zubereitet von freiwilligen Helfern.

"Wir sind ein Teil der Ortschaft", sagt der ehemalige Computer-Mann, der sich sichtlich wohlfühlt in seinem "zweiten Leben". Wie lange er den Job noch weitermachen will? "So lange es geht", sagt der 61-Jährige. Gewählt sei er bis nächstes Jahr. "Dann sind Neuwahlen", meint Jensen. Und ohne nur eine Sekunde zu zögern fügt er hinzu: "Ich werde bestimmt wieder kandidieren." Hier spricht ein Mann, der im "zweiten Leben" seinen Platz gefunden hat.

Das Museum Appeleshof "Das lebendige Heimatmuseum im Heckengäu" wurde 1995 eröffnet. Träger ist der Arbeitskreis Heimatgeschichte im Schwarzwaldverein Gechingen. Das Museum wird von freiwilligen Helfern geführt.

  Was ist zu sehen?: Das Museum ist ein 250 Jahre altes Bauernhaus mitten im Ortskern. Gezeigt werden alle Lebensbereiche des ländlichen Lebens der Vergangenheit in Gechingen. Zu sehen sind neben landwirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Arbeitsgeräten unter anderem eine komplett eingerichtete bäuerliche Wohnung, ein rund 100 Jahre altes Fotoatelier, eine alte Amtsstube sowie eine traditionelle Schumacherwerkstatt. Zudem gibt es jeden geöffneten Sonntag Sonderausstellungen.

  Öffnungszeiten: Von April bis Oktober, jeweils erster Sonntag im Monat von 14 bis 18 Uhr

  Sonderführungen: Für Gruppen nach telefonischer Vereinbarung

  Eintritt: an Sonntagen frei, Sonderführungen zwei Euro für Erwachsene

  Adresse und Kontakt: Kirchstraße 2/2, 75391 Gechingen, Telefon: 07056/ 966080, E-Mail: appeleshof@gmx.de, Homepage: www.appeleshof.de, Ansprechpartner: Norbert Jensen, Telefon: 07056/939969

E-Mail: njensen@t-online.de