Das Interesse an der Informationsveranstaltung zur geplanten Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Gechingen war groß. Foto: Selent-Witowski

Zahlreiche Einwohner bei Infoabend zur Gemeinschaftsunterkunft. Nachbarn fürchten um Wert ihrer Immobilie.

Gechingen - "Wir sollten die Flüchtlinge wie Freunde aufnehmen, dann klappt das alles auch." So äußerte sich eine Besucherin des Infoabends zur künftigen Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Gechingen. Dafür gab es Beifall. Einige Anwohner des dafür vorgesehenen Gebäudes sahen das völlig anders.

Nicht nur die Bewohner und Gebäudeeigentümer in der näheren Umgebung des Objekts Gartenstraße 34 waren am Mittwochabend in die Gemeindehalle eingeladen worden, sondern ausdrücklich alle interessierten Gechinger Bürger. Und diese machten reichlich Gebrauch vom Angebot der Gemeindeverwaltung und des Landratsamts, deren Vertreter rund zwei Stunden lang Rede und Antwort zum Thema Gemeinschaftsunterkunft standen.

Bis zu 32 Flüchtlinge sollen in Gebäude leben

Wie berichtet, hat der Landkreis die ehemalige Pension "Irmtal", in der zuletzt eine Pizzeria betrieben worden war, gekauft, um dort eine weitere, dringend benötigte Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber einzurichten. In dem Gebäude sollen künftig bis zu 32 Flüchtlinge leben. Landratstellvertreter Frank Wiehe ging auf den dramatischen Anstieg der Flüchtlingszahlen in Baden-Württemberg und im Kreis Calw ein. "Der Kreis als Betreiber der Unterkunft lässt Gechingen bei der Betreuung der Asylbewerber nicht allein", versprach er.

Bevor es aber um die künftigen Lebensbedingungen der Flüchtlinge und vor allem um die Frage ging, wie die Menschen in der Gäugemeinde ihre neuen Mitbürger am besten unterstützen können, machten zwei Anrainer ihrem Ärger Luft. "Ich bin direkter Anwohner und habe mir in den vergangenen 47 Jahren etwas aufgebaut. Jetzt wird meine Immobilie wertlos. Warum wird die Gemeinschaftsunterkunft in Gechingen und nicht anderswo eingerichtet?", sagte einer der beiden. Er bot sein Eigenheim den Vertretern des Landkreises zu einem angemessenen Preis zum Verkauf an: "Dann können Sie weitere Asylbewerber hier aufnehmen". Der Kreis könne nicht jeden Anwohner ausbezahlen, entgegnete der Landratstellvertreter. Man stehe bei den Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge mit dem Rücken zur Wand und brauche jede verfügbare Immobilie, die sich für diese Zwecke eigne. "Jede Kommune im Kreis muss Flüchtlinge aufnehmen", betonte Wiehe.

Mitte Januar soll die Gechinger Gemeinschaftsunterkunft bezugsfertig sein. Auf jedem Stockwerk wird es eine Küche und sanitäre Anlagen geben. Der Gemeinderat wird sich bereits am kommenden Dienstag mit dem Bauvorhaben beschäftigen.

Zwei bis drei Mal wöchentlich wird ein Sozialarbeiter vor Ort sein, "der auch für die Gechinger ansprechbar ist", sagte Sozialdezernent Norbert Weiser. Die soziale Betreuung sei das A und O. "Das ist Sache des Kreises." Im Landratsamt bereite man zudem einen Beschäftigungsgipfel für die Flüchtlinge mit sozialen Trägern, der Agentur für Arbeit und der Kreishandwerkerschaft vor.

Während zu Beginn die Stimmung eher gereizt war, meldeten sich nach und nach mehr Gechinger zu Wort, die sich für eine Willkommenskultur aussprachen. Unter anderem wurde ein Arbeitskreis Asyl angesprochen. Beifall bekam schließlich Sozialarbeiter Johannes Henseler, der bereits seit Jahrzehnten Asylbewerber betreut und einen deutlichen Appell an die Zuhörer richtete: "Geben Sie den Flüchtlingen eine Chance". Diese Menschen hätten viel Leid ertragen müssen und bräuchten Hilfe.