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Fußball: Mannschaft verdient sich die drei Punkte im Derby. SV Zimmern kommt mit frühem Pressing nicht klar.

Die Rollen vor dem Landesliga-Derby zwischen dem SV Seedorf und SV Zimmern waren so klar verteilt, da schien eigentlich nur noch die Frage offen: Wie hoch wird der Favorit gewinnen?

Doch während der Außenseiter für vorweihnachtliche Freude bei seinen Anhängern sorgte, erlebte der Tabellenzweite sein "blaues Wunder". Zumindest in der ersten Halbzeit. Da ist der SV Seedorf mit dem SV Zimmern "Schlitten gefahren", obwohl trotz frostiger Temperaturen noch gar kein Schnee lag. Vom frühen und konsequenten Pressing, das die Gastgeber an den Tag legten, wirkte der Ex-Verbandsligist völlig überrascht und nicht darauf vorbereitet.

Der SVZ wurde geradezu überrumpelt. Auch wenn das 3:3 des SV Seedorf eine Woche zuvor in Böblingen als Warnung hätte registriert werden können (müssen). Dass Patrick Fossé, Trainer des SV Zimmern, von einer Überheblichkeit in seiner Mannschaft sprach, lässt doch durchblicken, dass bei den Gästen nicht alle mental auf das Derby eingestimmt waren, der Underdog bereits besiegt war. Bis man beim SVZ "aufgewacht" war, da lag der Aufsteiger schon mit 3:0 in Führung. Und da waren gerademal 25 Minuten absolviert.

Vorahnung vom "Stadionsprecher"

Doch das war nur ein Kapitel aus dem Drehbuch dieses Derbys, das alles zu bieten hatte, was diesem Namen gerecht wird. Seedorfs "Stadionsprecher" ging noch einen Schritt weiter: "Jungs, ihr könnt Geschichte schreiben", gab er dem SVS-Team beim Einlaufen mit auf den Weg. Und die hielten sich daran, auch wenn noch nicht feststeht, wer dieses Geschichtsbuch einmal schreiben wird…

Die Vorfreude auf das Derby, die Gästecoach Fossé beim Anpfiff noch im Gesicht anzusehen war, wich schnell einer finsteren Miene. Was er zu sehen bekam, missfiel ihm von Minute zu Minute mehr. Und obwohl Fossé das Unheil herannahen sah, immer wieder lautstark von der Seitenlinie eingriff, verhallten seine Worte wirkungslos. Keine fünf Meter vom SVZ-Trainer entfernt stand Tobias Heizmann, spielender Trainer und Torjäger des SV Seedorf, der aufgrund seiner Knöchelverletzung zum zuschauen verurteilt war. Heizmann wirkte nach außen ruhig und gelassen, doch innerlich brodelte es in ihm wie in einem Vulkan. Erst recht als er registrierte, wie die mit Trainerpartner Tobias Bea ausgearbeitete Taktik aufging, der SV Seedorf auf einen Coup zusteuerte.

Es war schon phänomenal, welch läuferischen und kämpferischen Aufwand beim SV Seedorf betrieben wurde. Das Abwehrnetz war so engmaschig, dass es so gut wie kein Durchkommen für den SV Zimmern gab. Und da die Gäste ständig versuchten, das Geschehen Richtung gegnerische Hälfte zu verlagern, boten sich dem SVS auch auf dem nicht zu großen Kunstrasen die nötigen Räume, um Konter zu fahren.

Die verfehlten ihre Wirkung nicht. "Wir wussten, dass Seedorf über den Kampf ins Spiel kommt, haben wir das teilweise fahrlässig hergeschenkt", kritisierte der SVS-Trainer vor allem das schwache Zweikampfverhalten seiner Mannschaft. "Gerade bei den Toren, so was darf und nicht passieren", fügte er an. "Bei uns haben einige gemeint, das Spiel kann man mit Technik heimschaukeln", vermisste Fossé insbesondere die kämpferischen Tugenden gerade in der ersten Halbzeit.

Erst in der Halbzeitpause erreichte Patrick Fossé seine Spieler wieder, rückte einiges in deren Köpfen zurecht. Zu jenem Zeitpunkt war die Situation eine neue, eigentlich ein Vorteil für den Favoriten, obwohl man 0:3 zurück lag.

Denn der SV Seedorf geriet nach einer halben Stunde in Unterzahl, da Torhüter Steffen Werner die Rote Karte sah, als er mit einem Handspiel außerhalb des Strafraums eine Torchance der Gäste vereitelte. Erste Zweifel beim Seedorfer Anhang, ob es einen "Fußballgott" gibt, wenn diese super Leistung nun noch bestraft werden sollte.

Mit Michael Frey musste der "dritte Keeper" des Aufsteigers ran. Doch der hatte gleich einen "Verbündeten" in Form des Aluminiumgehäuses, als Tom Schmid seinen perfekt getretenen Freistoß über die Seedorfer Mauer zirkelte. Und zur moralischen Unterstützung von Frey ging Fabian Dittmer, Stammtorhüter des SVS, der sich im Heimspiel gegen den SV Wittendorf einen Muskelfaserriss im hinteren rechten Oberschenkel zuzog, gewissermaßen als "Schattenmann" im modischen grauen Zwirn mit hinter den Kasten. Fortan spielte der SV Seedorf zwar in Unterzahl, aber mit "zwei Torhütern". Und doch schien nur fünf Minuten nach Wiederbeginn alles vergebens, nachdem der SV Zimmern ruck-zuck zum 3:2 verkürzte. Als stellte irgendwer die Weichen auf Niederlage für den Aufsteiger. Wie schon so oft in dieser Saison erlebt.

Unterzahl stärkt Kampfgeist beim SVS

Aber diesmal nicht. "Jeder hat den anderen mitgezogen, selbst von der Bank aus und von den Zuschauern", spürte auch Christian Hangst, Sportlicher Leiter beim SV Seedorf, wie die Spieler über sich hinauswuchsen. Dafür gab es auch anerkennenden Respekt vom Gegner.

SVZ-Trainer Fossé machte die Niederlage nicht nur an Fehlern seiner Mannschaft fest, sondern "Seedorf hat auch viele Dinge richtig und gut gemacht. So wie ich das gesehen habe, hat Tobias Bea hinten drin nicht einen Zweikampf verloren." Trotz seiner Enttäuschung über diese Derbyniederlage betont Fossé: "Man darf jetzt auch nicht den Fehler machen, nach so einem Spiel alles niederzureden. Wir schauen auf das Dienstagstraining und dafür werde ich mir einiges überlegen, wir haben viel zu tun."

Auch wenn nach dem Abpfiff schon einige Minuten vergingen, bis Tobias Heizmann zu einem Statement bereit war, die Anspannung wich nur langsam. "Wir haben eine super erste Halbzeit gespielt und das gegen den Tabellenzweiten, der vergangene Saison noch Verbandsliga spielte", umschrieb der SVS-Coach damit, wie hoch er die Leistung seiner Mannschaft ansiedelte.

Die zwei schnellen Gegentore nach der Halbzeit, "das war genau das, was wir in der Pause angesprochen haben und nicht haben wollten", sah auch Heizmann für einen Moment die Felle davon schwimmen.

Anlass für den Torjäger, sich auf seine eigene Einwechslung vorzubereiten, auch wenn das nur als eine letzte Option in Betracht kam. "Bei einem 3:3 wär ich rein, wie in Böblingen", weiß der SVS-Coach, dass allein seine Präsenz für Unruhe in der gegnerischen Abwehr sorgt.

Doch soweit kam es nicht. Mit Genugtuung nahm Tobias Heizmann zur Kenntnis, dass sich die "Top-10" des SV Seedorf auf dem Platz aufopferungsvoll dafür einsetzten, um als Sieger aus diesem Derby hervorzugehen. "Nach dem 3:2 war es eine pure Abwehrschlacht, wir sind nur noch hinten dringestanden. Natürlich war es auch Glück, dass Zimmern nicht den Ausgleich macht. Aber so haben wir unsere Leistung von Böblingen bestätigt". Trotz aller Euphorie über den Derbysieg behält Heizmann den Blick für die Realität: "Wir wissen wo wir stehen, haben trotzdem erst zehn Punkte und der nächste Gegner ist Nagold."