Bezirksliga: Standby-Spieler Erkin Kaptan von der SG Ahldorf-Mühlen reist für Einsätze drei Stunden an –­ um dann zu treffen.

Wenn allein die Anreise zum Spiel doppelt so lange dauert wie die Partie selbst, muss man schon besonders motiviert sein, um seiner Mannschaft zu Diensten zu sein. Für Erkin Kaptan ist das obendrein noch selbstverständlich.

Auch wenn es der – man muss es so sagen – Edel-Joker der SG Ahldorf-Mühlen es lieber sähe, wenn die Jugendlichen in dem Team mehr zum Zug kämen. Allein, vor Verletzungen ist keine Mannschaft gefeit, und so rückte Kaptan, der beruflich mittlerweile in der Wiesbadender Umgebung tätig ist, am Sonntagmittag beim Aufsteiger an, um unterstützend einzuwirken. "Das habe ich mit Trainer Andy Hug vorab so ausgemacht. Wenn Not am Mann ist, soll er sich melden. Dass der Anruf bereits so früh kommen würde, ahnte ich hingegen nicht", sagt Kaptan.

Und doch wohnen zwei Seelen in seiner Brust. Einerseits, sagt er, wisse er genau, dass er mit seinen 34 Jahren dem Ende der aktiven Fußballkarriere entgegenstrebt, und das sei auch gut so, gerade im Hinblick auf die Jugend. Andererseits aber "bin ich total heiß drauf gewesen, endlich wieder auf dem Feld stehen zu können".

Selbstverständlich ist all dies nicht, denn man muss wissen, dass Kaptan gar nicht mehr mit seiner Mannschaft trainiert, aus Zeitgründen. Selbst in seiner neuen Umgebung schaffe er es nicht, bei irgendeinem Klub mitzuspielen. Bleibt ihm also nur ein privat sich selbst auferlegtes, ambitioniertes Fitnessprogramm – und seine fußballerische Erfahrung.

Der 34-Jährige blickt nämlich auf eine durchaus markante Karriere zurück. Richtig los mit seinen Erfolgen ging es dem in der Mössinger Gegend aufgewachsenen Spieler 2001 beim TSV Ofterdingen. Dort wurde der immer schon im Zentrum Wirbelnde und Stürmende am Saisonende Torschützenkönig in der Landesliga, es folgte gar der Aufstieg in die Verbandsliga. Andere Vereine wie der SV Böblingen oder die TSG Balingen wurden auf den 1,83 Meter großen, kantigen Spieler aufmerksam, auch dort hinterließ er stets eine Duftmarke; er, der stets körperbetont auftritt, die Bälle festmacht, vom Gegner nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, seinerseits aber eiskalt im Abschluss ist.

Nach einer Station in Nehren und einer Trainertätigkeit in Hirrlingen und dann beim SV Wachendorf, mit dem er den Aufstieg aus der Kreis- in die Bezirksliga perfekt machte, zwang ihn der Beruf, eine Pause einzulegen. Danach bekleidete er das Amt als Spielertrainer bei der SG Ahldorf-Mühlen, bis vor zwei Jahren Andreas Hug übernahm, man kennt sich also noch.

"Das ist wichtig in meiner jetzigen Position, du brauchst einen Trainer, der einem blind vertraut", sagt Kaptan. Er tut seinerseits alles, um mithalten zu können, "ich trainiere fünf- bis sechsmal die Woche im Fitnessstudio. Das ist bei mir schon so drin, dass ich es gar nicht mehr wahrnehme", ergänzt er. Und mit seinem Fokus auf Krafttraining schraubte er sein Gewicht eben Mal auf 105 Kilogramm, "mein höchstes bisher".

Früher, vor 15 Jahren etwa, stand er noch bei nur 70 bis 75 Kilo, "wie man sich das bei einem Fußballer eben vorstellt", mit 25 Jahren aber entwickelte Kaptan seinen Körper dahin immer drahtiger zu werden. "Damit bin ich zwar nicht mehr der Schnellste, aber das mache ich mit meiner Erfahrung wett", ergänzt er. Sei er früher Wege größtenteils noch doppelt gelaufen, "mache ich heute weniger, aber die richtigen Läufe".

Wie gut das klappt, demonstrierte er am Sonntag, als er in der 44. Minute für den verletzten Kai Sieb eingesetzt wurde. Hug wusste wohl genau, was er an Kaplan haben würde, und auch die Mannschaft scheint das etwas ungewöhnliche Konzept der beiden mitzutragen. Kaptan schoss zwei Minuten nach seiner Einwechslung das erste Tor, ließ im weiteren Verlauf noch zwei folgen. "Das alles wäre ohne die tollen Zuspiele der Kollegen gar nicht möglich gewesen. Die Bälle, die kamen, waren weltklasse", lobte Kaptan das Team. In dem vermutet er ohnehin enormes Potenzial, "ich sehe eine gute Entwicklung, der Klassenerhalt sollte möglich sein".

So hofft Kaplan, dass die Verletzten schon bald zurückkehren, "nach 20 Minuten habe ich alle meine Körperteile gespürt, als hätte ich eine komplette Halbzeit hinter mir. Die Erholungsphase dauert auch noch bis Mittwoch", merkt er an. Dennoch befürchtet er, dass der nächste Anruf in nicht allzuweiter Ferne liegt, obwohl – irgendwie ist er ja auch heiß drauf, wie er selber sagt.