Die Showeinlagen von Nessi Tausendschön und Gitarrist William Mackenzie kommen beim Publikum prima an. Foto: Frank-Gauckler Foto: Schwarzwälder-Bote

Kabarettistin Nessi Tausendschön begeistert mit schrillem Auftritt

Von Brigitte Frank-Gauckler

Furtwangen. Von wegen Amnesie: Den Abend mit Kabarettistin, Chansonette und Kasparöse Nessi Tausendschön werden die Besucher kaum vergessen. Am Freitagabend verblüffte sie in der Kulturfabrik mit ihrem Programm "Die wunderbare Welt der Amnesie", begleitet von William Mackenzie an der Gitarre.

Die Gesamt-Kunstwerk-Kabarettistin singt, grölt mit voller Energie und unverwechselbar, mimt die Giftspritze genauso überzeugend wie die Gefühlvolle mit bittersüßem Liebeslied, "bestraft" im nächsten Moment das Publikum mit Jazz. Mit einer unglaublich intensiven Bühnenpräsenz bringt sie alle menschlichen Gefühle auf die Bühne, von sanft, weinerlich bis böse und hämisch. Sie spielt gern Lärminstrumente, auch die singende Säge. Sie singt wie Max Raabe, kann auch Nena und Nina Hagen, die sie in einer fingierten Radio-Talkshow vorführte.

Verdrängen und Vergessen als urdeutsches Thema thematisierte sie, haute dem Publikum unbequeme Wahrheiten um die Ohren, heftig fiel die Politikerschelte aus, denn: Kabarett muss auch mal wehtun und stellte die Medien als perfekte Amnesiemaschine vor, gebe es Krieg, stirbt ein Promi und schon ist die Nachricht weg.

"Ich bin so antriebslos" – auch den Blues hat sie drauf, sehr gefühlvoll begleitet vom Kanadier an der Slide-Gitarre, der obendrein noch komische Jonglage kann. Ihr inszenierter Wutanfall mit Publikumsbeschimpfung und Zerknirschungslyrik machte aus ihr eine echte Wutbürgerin, um gleich danach lammfromm zur Kunstfigur Ludmilla aus Kasachstan zu mutieren.

Politkernamen eigenen sich hervorragend als Krankheiten (Niebel-Lungen) und ihr Schutzengel hat ein kleines Alkoholproblem. Unter der Charmanz der Frau Tausendschön wohnt die Niedertracht. Kaum verändert habe sich der Urzeitmann, sie schiebt es aufs Hormon Testoreron und wünscht die Cousine Ariana zur Hölle. Sie verbiegt sich beim Ausdruckstanz, ist uneitel und dabei sehr weiblich.

Wollte man sie in eine Schublade stecken, sie ginge nicht mehr zu. Mehrere Zugaben erklatschte sich das hingerissene Publikum. Das vielfältige, intelligente und anarchisches Programm ist höchst ungeeignet für Amnesie.