Rekonstruiertes Gesicht des begrabenen Soldaten Foto: Landesmuseum

Das Landesmuseum kauft dem Haus Hohenzollern das Fürstengrab von Gammertingen ab. Es gehört zu den bedeutendsten Funden des Mittelalters. Und gibt noch immer Rätsel auf.

Wie ein Sechser im Lotto sei das für sie, sagt die wissenschaftliche Direktorin des Landesmuseums Württemberg, Cornelia Ewigleben – und meint das Fürstengrab von Gammertingen, das sie seit vergangener Woche in ihrem Museum ausstellt. Das Landesmuseum hat es Karl-Friedrich Fürst von Hohenzollern abgekauft, dem Vorstand des Sigmaringer Fürstenhauses. Das Grab war seit 1902 im Besitz der Adelsfamilie. Die darin entdeckten Beigaben gehören zu den kostbarsten, die je aus dem sechsten Jahrhundert in Mitteleuropa gefunden wurden. Jetzt ist der Schatz nach Stuttgart umgezogen.

„Die Stücke des Inventars reihen sich als weiteres Glanzlicht in die Ausstellung ,Legendäre Meisterwerke‘ ein“, sagt Ewigleben. Vor allem der vergoldete byzantinische Offiziershelm und das beinahe vollständig erhaltene Kettenhemd aus Eisenringen haben es den Historikern angetan. Weitere Fundstücke: vergoldete Gürtel- und Schuhschnallen, kostbar verziertes Reitzubehör, Trink- und Essgefäße sowie eine umfangreiche Waffenausstattung samt Schwert, Streitaxt und Wurfspeer. All diese Grabbeigaben müssen einem ranghohen alamannischen Truppenkommandeur gehört haben, da sind sich die Historiker einig.

Doch wer war dieser Unbekannte, der um 570 n.Chr. so prunkvoll bei Gammertingen beerdigt wurde? Die Historiker gehen aufgrund einer neuen Analyse seines Zahnzements davon aus, dass er nur zwischen 31 und 33 Jahre alt wurde und nicht, wie bisher angenommen, 50 bis 55 Jahre. Warum er so früh starb, darüber lässt sich nur spekulieren. Als gesichert gilt aber, dass der Beerdigte schon in diesem jungen Alter zur Oberschicht gehörte. Unklar ist hingegen seine Herkunft: Siedelte er aus dem Frankenreich ins Alamannische über, oder war er doch ein Einheimischer? Eine Strontium-Isotopen-Analyse soll diese Frage „bis zum Jahresende“ klären, sagt Klaus Georg Kokkotidis, Mittelalter-Experte am Landesmuseum.

Das Aussehen des Helmträgers allerdings konnten die Wissenschaftler des Freiburger Instituts für Anthropologie verblüffend exakt nachbilden. Sie scannten den beinahe komplett erhaltenen Schädel im Computertomografen ein und bildeten so die Gesichtszüge des Mannes nach. Herausgekommen ist ein fotorealistisches Bild seines Gesichts, das erstaunlich echt aussieht. Dieses Verfahren wird normalerweise in der Gerichtsmedizin zur Aufklärung von Verbrechen eingesetzt. Ein dreidimensionales Abbild des Gesichts prangt über der Grabkammer, als bewache es den kostbaren Schatz.

Anno 1902 kaufte Fürst Leopold von Hohenzollern den wertvollen Fund dem Landwirt Johannes Dorn für 1500 Reichsmark ab. Dorn hatte diese und weitere Grabstätten zwischen 1886 und 1901 östlich des alten Ortskerns von Gammertingen ausgegraben. Das Fürstenhaus stellte das Inventar in Schloss Sigmaringen aus. Nun könnten die Stücke der Öffentlichkeit aber nicht mehr „in einem angemessenen Maße“ zugänglich gemacht werden, sagt Karl-Friedrich Fürst von Hohenzollern. Aus diesem Grund hat er den Verkauf ans Landesmuseum angestoßen. Über den Kaufpreis haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart.