Fast als wäre nichts gewesen: Rund um den fünften Jahrestag der blutigen Attacke auf den Straßburger Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr war der Trubel in der historischen Innenstadt der Elsassmetropole ungebrochen groß. Foto: Armbruster

Während des Weihnachtsmarkts in der elsässischen Hauptstadt 2018 schlug ein islamistischer Attentäter zu und hinterließ Tod und Schrecken. Nun stehen vier mutmaßliche Waffenbeschaffer vor Gericht. Viele Fragen werden wohl offen bleiben – auch das Warum.

Es ist eine erbarmungslose Menschenjagd, bei der der Islamist Chérif Chekatt im vorweihnachtlichen Trubel in der Elsassmetropole Straßburg am Abend des 11. Dezember 2018 fünf Menschen tötet und elf verletzt.

Nur zehn Minuten dauert der blutige Lauf des 29-Jährigen durch Gassen und über Plätze, bei dem er seine Opfer mit Schüssen teils unvermittelt in den Kopf und Messerstichen angreift.

49 Stunden lang fiebert Straßburg, ehe Chekatt nach einer Großfahndung bei einem Schusswechsel mit Beamten im Straßburger Viertel Neudorf stirbt.

Angeklagte sollen die Waffen besorgt haben

Von Donnerstag, 29. Februar, an müssen sich vier Männer vor einem Pariser Schwurgericht verantworten, die für den Attentäter Waffen beschafft haben sollen. Damit startet der Prozess mehr als fünf Jahre nach dem Anschlag. Hauptangeklagter ist ein langjähriger Freund des Täters, der diesem über längere Zeit beim Kauf von Waffen geholfen haben soll und dem wegen Komplizenschaft lebenslange Haft droht. Der 42-Jährige gibt an, den Täter für einen einfachen Kriminellen gehalten zu haben.

Außerdem angeklagt sind zwei 37 und 39 Jahre alte Brüder sowie ein weiterer 34 Jahre alter Mann, die an der Waffenbeschaffung auf unterschiedliche Weise beteiligt gewesen sein sollen. Dabei geht die Anklage nicht davon aus, dass sie von den Plänen des Angreifers wussten. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Das Verfahren gegen einen 84-Jährigen, der den bei der Tat verwendeten alten Revolver verkaufte, wurde wegen dessen schlechten Gesundheitszustands abgetrennt. Der Prozess ist bis zum 5. April im Pariser Justizpalast terminiert, wo 2021 für den Prozess um die verheerenden Pariser Terroranschläge im Jahr 2015 ein gesonderter Saal eingerichtet wurde.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Frustrierend wie schon bei vorherigen Prozessen wird für Angehörige und Nebenkläger auch dieses Mal sein, dass nicht der Täter selber auf der Anklagebank Rechenschaft ablegen muss – er ist tot. Die quälende Frage des Warum wird unbeantwortet bleiben, die Suche nach dem Grund, weshalb ein in Straßburg geborener junger Mann dort während des Weihnachtsmarkts wahllos Passanten massakriert, ins Leere laufen.

Bekannt ist allerdings das Profil des Täters. Der vielfach vorbestrafte Angreifer mit nordafrikanischen Wurzeln soll sich im Gefängnis radikalisiert haben und war den Behörden als Gefährder bekannt. Er wurde wegen etlicher Diebstähle in Frankreich, der Schweiz und in Deutschland vom Amtsgericht Singen verurteilt. Nach Verbüßen seiner Haft wegen schweren Diebstahls in Deutschland wurde er 2017 nach Frankreich abgeschoben. Schon vorher saß er vier Jahre im Gefängnis.

Der Angreifer verfügte über einen Hauptschulabschluss, hatte dann bei der Gemeinde gearbeitet und war seit 2011 arbeitslos. Nur Stunden vor dem Anschlag wurden bei einer Durchsuchung von Chekatts Wohnung Waffen gefunden – darunter Granaten und Messer. Die Polizei hatte den 29-Jährigen wegen eines versuchten Tötungsdelikts festnehmen wollen, dieser war aber nicht zu Hause. Von seinem Vater über das Anrücken der Polizei informiert, entschloss Chekatt sich dann offensichtlich, seinen ohnehin vorbereiteten Anschlag am selben Abend zu verüben.

Täter hat sich offenbar im Gefängnis radikalisiert

Teils unter „Allahu Akbar“-Rufen griff er seine Opfer an, darunter einen Franzosen, der vor einem Restaurant auf seine Familie wartet, einen Touristen aus Thailand sowie einen Kriegsflüchtling aus Afghanistan, der vor den Augen seiner Familie erschossen wird. Auf seinem blutigen Streifzug durch die Stadt, in deren Straßen sich zunehmend Panik ausbreitete, versuchten mehrere Musiker, den Angreifer zu stoppen, es kam zu einem Schusswechsel mit den zum Schutz des Weihnachtsmarkts eingesetzten Militärkräften.

Chekatt aber gelang zunächst die Flucht mit einem Taxi – bevor er wenige Tage nach der Tat gestellt wurde. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag später für sich. Chekatt selber hatte dem IS in einem Video seine Treue geschworen, das auf einem USB-Stick in seiner Wohnung gefunden wurde.

Besucherrekord

Noch weiter hochgefahren wurde nach dem Anschlag der Schutz des auch bei deutschen Touristen beliebten Straßburger Weihnachtsmarkts. Mehr als 1000 Beamte und auch Drohnen waren zuletzt in Frankreichs „Weihnachtshauptstadt“ im Einsatz. Die Freude an dem Weihnachtsspektakel konnte der Attentäter aber nicht vernichten: Dicht drängten sich die Besucher im Dezember in der Straßburger Innenstadt. 3,3 Millionen Besucher zählte der Weihnachtsmarkt 2023 – so viele wie noch nie zuvor.