Amts- und Landgericht in Rottweil. Die 1. Große Jugendkammer hatte im Fall aus dem Raum Freudenstadt viel abzuwägen. Foto: Nädele

Gericht schickt Stiefvater ins Gefängnis. 46-Jähriger zeigt sich teilweise geständig.

Freudenstadt/Rottweil - Wegen des sexuellen Missbrauchs seiner minderjährigen Stieftochter wurde ein 46-Jähriger aus einer Gemeinde im Raum Freudenstadt am Donnerstag in Rottweil zu einer Gefängnisstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.

An sieben Hauptverhandlungstagen – fast alle unter Ausschluss der Öffentlichkeit – hatte sich die 1. Große Jugendkammer am Landgericht Rottweil seit dem 22. November dem Fall gewidmet. Es war offenbar nicht leicht, die Tatvorwürfe so konkret zu fassen, dass sie strafrechtlich belastbar genug waren. Letztlich, so der Vorsitzende Richter Daniel Scholze, sei es gelungen, aus hunderten anzunehmender Vorkommnisse vier als jeweils eine Tateinheit zu separieren.

Um die Jahrtausendwende ging der 46-Jährige mit der Mutter der betroffenen Jugendlichen eine Liebesbeziehung ein, aus der ein weiteres Kind hervorging. Die Vaterrolle nahm er für beide ein. Als er sich daraus ab 2007 der damals Achtjährigen erstmals mit sexuellem Interesse näherte, blieb dies viele Jahre allen anderen verborgen.

Erst als die dann 14-Jährige aufgrund gesundheitlicher Probleme auch mit dem Jugendamt Kontakt bekam, fasste sie dort zu einer Mitarbeiterin solches Vertrauen, dass sie dieser das sie bedrückende Geheimnis anvertraute.

Unter anderem im eigenen Zuhause, in einem Hotel und in einem Lagerraum kam es zu sexuellen Übergriffen auf das Mädchen, so das Gericht. Das Mädchen habe das, was sie im Prozess aussagte, "mit hoher Wahrscheinlichkeit" erlebt. Diesen Schluss lasse auch ein psychologisches Gutachten zu den Aussagen zu. Die Aussagen hätten "ein Bild ergeben", das für einen hohen Wahrheitsgehalt spreche, so Scholze in seiner Urteilsbegründung.

Vorangegangen war eine "sehr aufwendige Beweisaufnahme" mit drei Gutachtern. Die Vernehmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit habe wohl "maßgeblich zu einer Verhandlungsatmosphäre beigetragen", in der sich die Jugendliche habe offenbaren können. Der Stiefvater habe dem Kind diverse Sexualpraktiken zugemutet oder zumuten wollen. Gedroht habe der 46-Jährige ihr aber wohl nie. Als das Mädchen beim Sexversuch über Schmerzen geklagt habe, sei der Mann von dieser Absicht zurückgetreten. Nach ihrer Offenbarung im Jahr 2014 unterzog sich das Mädchen einer Traumatherapie. Auch stationäre Behandlungen musste sie in Kauf nehmen. Psychische Labilität äußert sich ferner in Schulproblemen.

Mit Freiheit und Familie "verdammt viel verloren"

Seit Bekanntwerden der Vorkommnisse hat der Täter gesellschaftlich einen schweren Stand. Die Familie hat sich ohnehin von ihm abgewendet. Wenn das Urteil demnächst rechtskräftig werden sollte, wird sich das Leben des Mannes mit Antritt der Haftstrafe nochmals deutlich verändern. Wegen Verfahrensverzögerung gibt es einen Strafrabatt von drei Monaten. Das Verfahren kam wegen Überlastung des Landgerichts Rottweil nämlich erst deutlich nach der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft in Gang.

Frieden finden, Schlussstrich ziehen, Neuanfang starten: Dies anzustreben, könne vielleicht am Besten mit einer sozialtherapeutischen Maßnahme gelingen, gab Scholze dem 46-Jährigen, der mit Freiheit und Familie "verdammt viel verloren" habe, auf dem Weg ins Gefängnis als Ratschlag an die Hand.