Bildung: Oberstufenschüler äußern ihre Sorgen / Was für einen Start mit den unteren Klassen spricht / Blick auf andere Länder

Wie soll es nach der Corona-Z wangspause weitergehen mit dem Schulbetrieb, dem Infektionsschutz und den Prüfungen? Schüler machen sich so ihre Sorgen.

Es ist klar, dass es keine Dauerlösung ist, Schulaufgaben zu Hause selbstständig zu machen. Es kann Lernen und Lehren an einer Schule nicht ersetzen. Jedoch sehen wir es kritisch, wenn die Schulen ohne jegliche gesundheitliche Vorkehrungen geöffnet werden sollten. Es sollte gewährleistet sein, dass der Infektionsschutz funktioniert, dass beispielsweise an allen Eingängen Spender mit Desinfektionsmittel bereitstehen und Türgriffe nach jeder Pause desinfiziert werden. Außerdem sollte von allen Schülern Mundschutz getragen werden. Aber selbst, wenn all das gewährleistet ist, bleibt ein Infektionsrisiko, denn es sind zu viele Menschen in einem Gebäude. Gerade in den Oberstufen sind die Eltern meist etwas älter und haben teilweise Vorerkrankungen. Somit gehören sie zu der Risikogruppe. Dann setzen wir uns in der Schule der Gefahr aus, infiziert zu werden und unsere Angehörige anzustecken.

Der Aspekt, mit der Öffnung klassenweise vorzugehen, ist in unseren Augen in Ordnung, jedoch nicht in der momentanen Lage. Auch sollte nicht mit den Abschlussklassen begonnen werden, sondern mit den unteren Klassenstufen. Dort hat die Gefahr, vom Lernstand her "abgehängt" zu werden, viel größere Auswirkungen. Es zieht sich durch die weitere Schullaufbahn hindurch. In den Abschlussklassen sind viele Themenfelder hingegen nur Wiederholung.

Außerdem fällt den Jüngeren das selbstständige Lernen wesentlich schwerer als den älteren Schülern – gerade auch im Umgang mit den digitalen Medien. Außerdem hätte ein Start mit jüngeren Schülern den Vorteil, dass weniger Eltern ihre Kinder selbst betreuen müssten und so wieder arbeiten könnten. Außerdem ist an Grundschulen das Ansteckungsrisiko deutlich geringer, da dort die Klassen meistens um einiges kleiner sind. In weiterführenden Schulen werden dagegen hunderte Schüler aus den verschiedensten Orten zusammengeführt.

Die Abiturprüfungen stattfinden zu lassen, sehen wir ebenfalls kritisch. Viele Schüler sind durch die Corona-Pandemie in einer psychisch sehr angespannten Lage. Die meisten Leute denken, die Schüler hätten in dieser Phase viel Zeit zum Lernen und könnten sich umso besser auf Prüfungen vorbereiten. Doch so ist es absolut nicht. Man hilft daheim, wo man kann, geht für die Eltern einkaufen, muss kranke Familienmitglieder versorgen oder beaufsichtigt die kleinen Geschwister. Zudem wurden während den Schulschließungen oft den Nachbarskindern in niedrigeren Klassenstufen über Videoanrufe die Aufgaben erklärt, welche sie ohne Hilfe nicht lösen konnten. Auch das nimmt viel Zeit in Anspruch.

In dieser Zeit müssen viele Prioritäten setzen. Setze ich mich jetzt hin und lerne stur für meine Abiturprüfungen oder helfe ich doch lieber den Eltern im eigenen Betrieb, um diesen zu retten? Da wäre es doch nur fair, auf die Prüfungen zu verzichten und sie durch ein Durchschnitts-Abitur zu ersetzen. Da die Zeit vor der Schulschließung nicht ausreichend war, mussten abiturrelevante Themen allein erarbeitet werden. Wer garantiert, dass sie nicht falsch verstanden wurden?

Viele Schüler sind auch direkt von der Krise betroffen, Eltern sind infiziert oder man leidet selbst unter Corona. Das macht eine gute Vorbereitung auf die Prüfungen nur sehr schwer möglich. Zudem ist der Großteil der Notenzusammensetzung bereits erfolgt, sodass man sich fragen muss, ob das letzte Fragment der Note überhaupt das gesundheitliche Risiko wert ist. Die Prüfungen des "International Bakkalaureate Diploma", ein internationaler Schulabschluss und gleichwertig mit dem deutschen Abitur, wurden in allen 158 Ländern abgesagt, in denen das Diplom angeboten wird. Begründung: Prüfungen seien in der derzeitigen Situation "unethisch" und "unfair". Deshalb erhalten die insgesamt mehr als 200  000 betroffenen Schüler nun den Durchschnittsabschluss. Auch Großbritannien hat bereits die Prüfungen des britischen Abiturs vollständig abgesagt und gegen ein Durchschnittsabitur ersetzt.

Wenn man täglich die Zahlen der Neuinfektionen anschaut, dann erkennt man, dass trotz aller Verbesserungen und flachhalten der Infektionskurve die Pandemie trotzdem nicht überwunden ist. Bevor die Neuinfektionen nicht deutlich geringer werden, sollte mit der Öffnung der Schule nicht begonnen werden. Denn wie wir alle wissen, bewirkt ein zu frühes Öffnen bestimmter Bereiche genau das Gegenteil und die Resultate der bisherigen Schulschließung werden letztendlich unwirksam gemacht. Unserer Ansicht nach sollten die gesundheitlichen Aspekte über alles andere gestellt werden.  Die Autoren sind Schüler einer Oberstufe