Strohhut und Riesenbrille, Satinhemd und Schmalzlocke, Lieder und Erinnerungen: Das Duo Bellevue bot bei Kultur am Dobel eine große Nostalgie-Show, und das Publikum war glücklich. Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Duo Bellevue gastiert mit "Himbeereis und flotter Käfer" bei Kultur am Dobel / Zeitreise in 50er- und 60er-Jahre

Von Tina Eberhardt

Freudenstadt. Zeitreise in Tönen: Bei Kultur am Dobel lebten Deutschlands 50er- und 60er-Jahre wieder auf. Das Duo Bellevue war in Fahrt, das Publikum selig, und zweieinhalb Stunden Konzertzeit waren ziemlich schnell vorbei, wenn man sich im Dauer-Seufz-Zustand befand.

Alles war da beim Programm "Himbeereis und flotter Käfer", mit dem die Musiker Gabriele und Alexander Russ den proppenvollen Saal im Stadthaus ins Schwärmen brachten: Pünktchen-Kleid und Schmalzlocke, "Lady Sunshine" und die Erinnerung an den legendären Radio-Moderator bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954, Geschlechterklischees und Heile-Welt-Bilder und mittendrin ein Publikum, dass stellenweise aus dem verzückten "Ach" gar nicht mehr herauskam. Es war der geistige Kinoabend derer, die jene Zeit selbst aktiv miterlebt hatten, eine Insider-Show, die von vorne bis hinten kurzweilig und von den beiden Künstlern mit viel Abwechslung und Gespür fürs Publikum gestaltet worden war.

Wer sich hingegen aus der späten Generation X ins Stadthaus verirrt hatte, dem blieb ein Abend zum Staunen, Beobachten und manchmal zum perplexen Lächeln. Darüber, wie gravierend die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen damals und heute teils sind und darüber, wie einfach und übersichtlich die angeblich so umbruchreichen Jahre der Nachkriegszeit gegenüber der digitalen Revolution erscheinen. Dass die Generation jener Jahre – in denen es durchaus auch wild zuging, wie mancher Gast im Publikum beim Rausgehen augenzwinkernd meinte – heute nicht mehr tanzend durch den Saal ziehen würde, hatte das Duo Bellevue in seiner choreografischen Gestaltung des Abends umsichtig berücksichtigt. Der Saal war bestuhlt. Geboten wurden ein Konzert zum Zuhören und Mitsummen, teils auch zum begeisterten Mitsingen, und eine Hommage an Zeiten, als auch die Werbung noch überschaubar, ikonisch und vor allem mit klarer Rollen-Zuteilung daher kam. Denn Werbung, der Spiegel eines jeden gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses, durfte zur Begeisterung der Zuhörer und Auflockerung des Programms nicht fehlen: das schmusige Bärenmarke-Bärchen, die idyllisch-sportliche Opel-Rekord-Welt, das Grundig-Radio oder die zarthändige Palmolive-Werbung. Jene hatte sich in ihrer stereotypen Simplizität über fast drei Jahrzehnte im Fernsehen gehalten. Andere Unternehmen reagierten weniger gelassen, wie Alexander Russ etwas spöttisch verriet: Auf die Anfrage, ob man denn das berühmte HB-Männchen in die Show mit aufnehmen dürfte, habe der dahinter stehende Tabakkonzern mit einem Hinweis auf die dann fällige Strafzahlung geantwortet. Machte nichts, der Abend war auch so voll von Liebgewonnenem alter Tage.

Frau Wutz und dem Urmel aus der Augsburger Puppenkiste zum Beispiel, bei denen das Publikum dann auch an seine Schamgrenzen stieß. Denn der berühmte schnarrige "Urmele"-Ruf, mit dem Schweinehandpuppe Frau Wutz den kleinen grünen Drachen rief, traute man sich im Stadthaus doch nicht mehr ganz mitzugehen – man ist ja schließlich doch älter geworden. Lieber sang man bei "Little Banjo Boy" mit und summte die Melodie bei "Heißer Sand". Jenes Lied ist noch so ein Relikt, das heute schmunzeln macht. Der sehr metaphorische Text wurde bei Veröffentlichung des Liedes als zu anstößig erachtet. Man fragte sich unwillkürlich, was der Herzrhythmus jener Sittenwächter beim Anblick mancher heute frei zugänglichen Youtube-Videos erleiden würde? Zeit für solche Überlegungen blieb indes nicht lange. Nachdem in der ersten Programmhälfte durchaus auch noch geplaudert wurde, zog das Duo Bellevue mit fortschreitendem Abend richtig an.

Cliff Richard folgte zackig auf Caterina Valente mit Peter Alexander auf den Fersen. Drei Zugaben waren fällig, bevor der Spaziergang durch die 50er und 60er beendet war. Das Programm war flott und auch für Nach-Sechziger-Generationen äußerst unterhaltsam.