"Japan hat uns nicht platt gemacht": Dietrich Birk vom VDMA. Foto: Rath Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaft: VDMA-Chef hält Vortrag in Freudenstadt

Freudenstadt. Klassische Fehldiagnose: Der angeblich sterbenskranke Patient lebt immer noch. Es geht ihm sogar besser denn je. "Bomben-Stimmung", sagt Dietrich Birk, "wir sollten ein Bier aufmachen."

Birk ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) in Baden-Württemberg. Bei der Verleihung des Unternehmenspreises Nagold-Freudenstadt am Mittwoch beschrieb er den Zustand seiner Branche, die auch im Kreis Freudenstadt eine Reihe von Weltmarktführern und so genannte heimliche Champions hat.

In der vorerst größten Wirtschaftskrise Anfang der 90er-Jahre hatten Skeptiker den Niedergang der Branche vorhergesagt; Deutschland sei zu teuer, das Maschinenbauland Baden-Württemberg erleide dasselbe Schicksal wie das Ruhrgebiet. "Es kam anders", so Birk, "Japan hat uns nicht platt gemacht. Wir müssen nur um so viel besser sein, wie wir teurer sind." Die Industrie im Land sei wettbewerbsfähig. Der Weltmarkt biete einen Umsatz von 2,5 Billionen Euro, und Deutschland stehe im Ranking auf Rang drei hinter China und den USA: Um erfolgreich zu sein, brauche die Industrie die freien Märkte aber "mehr denn je".

Auch Investitionen in Forschung und Bildung seien wichtig. Beim "Innovationsindex" liege das Ländle vorne, es stecke fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesen Bereich. Bund und EU müssten ihre Förderungen erhöhen. "Sonst fallen wir gegenüber den USA und China zurück", sagte Birk. Die Region Nordschwarzwald habe hier "etwas Nachholbedarf". Mit dem Campus sei Freudenstadt aber "auf dem richtigen Weg". Überhaupt sei es notwendig, Facharbeiter und Ingenieure "viel näher zusammenzubringen", um neue Lösungen zu entwickeln, von einer "standortnahen Ausbildung" gehe außerdem "ein wichtiger Impuls für den Nordschwarzwald und Freudenstadt" aus. Die Quote von 92 Prozent Facharbeiter aus der Dualen Ausbildung und 17 Prozent Ingenieuren sei gut, als Facharbeiter habe man gute Karrierechancen. Dafür sei Weiterbildung wichtig. "Mit ungelernten Kräften kommen wir nicht weiter", so Birk.

Die VDMA-Betriebe in Baden-Württemberg erwirtschaften laut Birk mit ihren 310 000 Mitarbeitern 76 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, 30 Prozent des gesamten Umsatzes in Baden-Württemberg. Prognositziert wird ein weiteres Plus von drei Prozent. "Wir dürfen wieder selbstbewusster sein", so der Geschäftsführer.

Stärken seien der Export mit einer Quote von 70 Prozent, die Weltklasse des Mittelstands, das "globale Denken und Handeln" der Betriebe, der erstklassige Ruf von Maschinen "Made in Germany", die schnellen Lieferzeiten und die "einzigartige" Fähigkeit, Lösungen für Probleme der Kunden zu finden. Seine Empfehlung an junge Mitarbeiter: "Jeder sollte bereit sein, mal eine Zeit lang nach China oder in die USA zu gehen. Es sei wichtig, zu verstehen, wie die Anforderungen der Kunden dort aussehen.

Auch ein Vorteil im Land: Für jedes technische Problem gebe es im Umkreis von 100 Kilometern einen Betrieb, der die Lösung habe. "Bloß weiß man das nicht immer. Netzwerkstrukturen werden deshalb immer wichtiger." Was den Wandel hin zur Elektromobilität angehe, sei ihm "gar nicht so bange". Mehr Sorgen mache ihm, dass die Kompetenz für IT und Software dafür oft im Ausland sitze. "Das wird darüber entscheiden, wer das Auto der Zukunft baut. Das muss natürlich Baden-Württemberg sein."

Die Rente mit 63 habe die Industrie viel Erfahrung und Wissen gekostet, die fehlen. Erstmals sei der Fachkräftemangel die größte Wachstumsbremse, aber auch der Bedarf an leistungsfähigem Breitband-Internet habe "absolute Priorität". Datenraten von 50 mBit seien "höchstens der erste Schritt. Die aktuelle Forderung der IG Metall nach einer 28-Stunden-Woche und sechs Prozent mehr Lohn sei "ein Klops", den der Verband wohl nicht schlucken werde.