Ihnen kann’s egal sein: Viele Kita-Plätze im Kreis sind derzeit nicht besetzt. Trotzdem bekommt nicht jede Familie einen Platz in der Einrichtung ihrer Wahl. Foto: © famveldman / Fotolia.com

Manche Kommune im Kreis plant offenbar am Bedarf vorbei. Kreis empfiehlt Umwandlungen und flexiblere Modelle.

Kreis Freudenstadt - Politik trifft auf Wirklichkeit: Der Landkreis strebt neue, höhere Ausbauquoten in der Kindertagesbetreuung an. Dabei sind viele teuer geschaffene Plätze derzeit gar nicht belegt. Die Tageseltern wollen mehr Geld für ihre Arbeit.

Mit dem Thema befasste sich der Sozialausschuss am Montag. Einstimmig sprach sich die Runde für die neuen Ausbauquoten aus, in denen die Betreuungsquote sowohl für Angebote für Kinder unter als auch über drei Jahre bis 2018 tendenziell steigen soll – zumindest prozentual. Für manche Gemeinde könnte das aber das Gegenteil bedeuten – in Form einer Empfehlung des Kreises, Plätze umzuwandeln oder sogar abzubauen.

Grundlage des Empfehlungsbeschlusses, den der Kreistag noch bestätigen muss, ist eine Umfrage des Landratsamts unter den Städten und Gemeinden. Das Ergebnis irritiert auf den ersten Blick: Ausbau? Insgesamt 900 Kita-Plätze für unter Dreijährige und Ganztagsplätze für Kinder über drei Jahren sind aktuell überflüssig. Die Zahl ist aber eher von theoretischer Natur. Eingerechnet sind auch die Angebote der Tageseltern. Sie können statistisch jeweils fünf Plätze anbieten, was sie in der Praxis aber selten tun. Außerdem können sie ihren Dienst jederzeit quittieren.

Bundesweit Überangebot von KIta-Plätzen

Auch sonst ist es für die Kommunen fast unmöglich, gesetzliche Ansprüche, Wünsche der Eltern und Betreuungsmodelle halbwegs unter einen Hut zu bringen. "Ein schwieriges Geschäft", kommentierte Landrat Klaus Michael Rückert trocken. In der Euphorie der Debatte um Vereinbarkeit von Beruf und Familie scheint die eine oder andere Kommune übers Ziel hinausgeschossen zu sein, obwohl die Zahl berufstätiger Eltern steigt. Übrigens: Auf eine Erhebung des Bedarfs an Plätzen in Ganztagsschulen hat der Kreis diesmal verzichtet, weil die letzte Prognose offenbar komplett daneben lag. Anhaltspunkte gibt es dennoch. Die Erfahrung zeige, dass jene Familien die Ganztagsschule wählen, die für ihre Mädchen und Buben bereits im U3-Alter Ganztagsbetreuung in Anspruch genommen hatten.

"Da kommt auf die eine oder andere Kommune noch was zu", sagt Amtsleiterin Charlotte Orzschig. Bundesweit gebe es aktuell ein Überangebot von Plätzen. Das Landratsamt gibt den jeweiligen Städten und Gemeinden je nach Lage und Prognosen unterschiedliche Empfehlungen, wie sie mit der Lücke von Angebot und Nachfrage umgehen sollen: Einige sollen zusätzliche Plätze schaffen, andere streichen, manche können U3-Plätze in Plätze für Drei- bis Sechsjährige umwandeln, andere flexiblere Modelle einführen. Einige Eltern könnten oder wollten es sich nicht leisten, einen Ganztagsplatz für fünf Tage in der Woche zu zahlen, wenn die Familie das Angebot nur an drei Tagen brauche. Der Weg zu einer besseren Auslastung führe wohl über mehr Flexibilität: bedarfsgerechtere Öffnungszeiten und die Möglichkeit, dass sich Familien einen Platz teilen, neudeutsch als "Platzsharing" bezeichnet. "Da ist ganz schön was in Bewegung", so Orzschig.

Betreuungsplatz in Wunscheinrichtung nicht garantiert

Obwohl es keine Wartelisten mehr gibt, bekommt nicht jede Familie einen Betreuungsplatz in der Wunscheinrichtung. Orzschig erklärte, der Kreis sei immer gesprächsbereit und habe "bereits gefühlt 20 Ausnahmeregelungen gemacht", um Lösungen zu finden. Der Landrat erklärte, dass auch für Eltern "gewisse Wege zumutbar" seien.

Viel in Bewegung ist auch bei den Tageseltern im Kreis. Paul Huber, Vize-Vorsitzender und Geschäftsführer des Tageselternvereins im Landkreis, stellte in der Sitzung des Jahresbericht 2016 seiner Einrichtung vor (wir berichteten). Demnach betreuten 136 Tagesmütter und -väter im vorigen Jahr 620 Kinder, erbrachten insgesamt 310 000 Stunden. Die Arbeit habe sich "erfreulich entwickelt". Der Verein sei gut aufgestellt. Allerdings gehe die Zahl der Tageseltern leicht zurück, was Huber vor allem auf die "schlechte Bezahlung" von 3,76 Euro Stundenlohn zurückführt. Da sich auf Landesebene hier immer noch "wenig bewegt", kündigt der Verein einen Antrag im Kreistag für einen höheren Zuschuss an. Denn Tageseltern decken oft die Lücken in der kommunalen Betreuung ab, sowohl was Tages- als auch Wartezeiten bis zum freien Platz in einer öffentlichen Einrichtung betrifft. Schon jetzt fördert der Kreis die Arbeit des Vereins mit 290 000 Euro im Jahr, bei einem Gesamt-Budgetansatz von 350 000 Euro in 2017.

Huber geht davon aus, dass der Betreuungsbedarf steigt, weil sich allmählich mehr Eltern des Rechtsanspruchs "bewusst" würden. Einige Eltern würden dies eher dazu nutzen, einen Kaffee trinken zu gehen. In Hubers Augen nicht immer ein Fehler: "Für manches Kind ist die Betreuung durch eine Tagesmutter förderlicher, weil es sonst vor dem Fernseher hängt."