Foto: Photographee

68 Betten umfasst Klinik am Krankenhaus Freudenstadt. Pro Jahr etwa 1200 Patienten stationär aufgenommen.

Freudenstadt - Das Spektrum ist groß, ebenso sind es die Herausforderungen und Spannungsfelder in der psychiatrischen Arbeit am Krankenhaus Freudenstadt. Alkoholvergiftungen und -entzug sind die Hauptdiagnosen von Patienten, die behandelt werden.

68 Betten auf vier Stationen umfasst die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Krankenhaus Freudenstadt. Angeschlossen sind eine psychiatrische Institutsambulanz, ein Tinnituszentrum und eine neurologische Abteilung. Chefarzt Wilhelm Dengler ist ein großer Befürworter der Gemeindepsychiatrie, der sich das Krankenhaus Freudenstadt verschrieben hat. Es hat als Haus der Grund- und Regelversorgung die Versorgungspflicht für die Menschen im Kreis Freudenstadt.

Pro Jahr werden etwa 1100 bis 1200 Patienten in der Psychiatrie stationär aufgenommen. Hinzu kommen 600 bis 700 Patienten in der psychiatrischen Institutsambulanz. Dort werden Patienten behandelt, bei denen eine krankenhausnahe Versorgung notwendig ist und die, so Dengler, "nicht wartezimmerfähig" sind. Hinzu kommen fast 2700 Konsile für andere Abteilungen innerhalb des Krankenhauses Freudenstadt. "Das ist enorm nach oben gegangen", sagt Wilhelm Dengler. Ein Zeichen, dass viele Krankheitsbilder auch von psychischen Faktoren beeinflusst werden.

Wie Chefarzt Dengler in einem Pressegespräch im Krankenhaus Freudenstadt bekanntgab, gibt es die längsten Verweildauern mit sechs bis sieben Wochen auf der Psychotherapiestation. Drei Wochen sind es in der Regel bei schizophrenen Psychosen. Patienten, die zum Teil in Heimen der Eingliederungshilfe untergebracht seien, bräuchten in Krisensituationen immer wieder die Hilfe eines Krankenhauses schildert Dengler die Situation. Bei diesen Fällen spielten andere Einrichtungen, wie zum Beispiel die psychosoziale Hilfsgemeinschaft Die Trepe mit ihren Einrichtungen die erste Geige. Für die häufigsten Diagnosen, die Alkoholintoxikationen und -entgiftungen, werden nur vier bis fünf Tage angesetzt. Eine Entgiftung geht meist an einem Tag über die Bühne, für einen Entzug kalkulieren die Ärzte eine Woche.

Verschiedene Bausteine in der Therapie

Die Therapie umfasst verschiedene Bausteine, zu denen Einzeltherapien, Gruppentherapien, soziales Kompetenztraining, Ergotherapie, Sozialberatung und auch Sport gehören. "Besonders wichtig ist dabei ein genau strukturiertes Tagesprogramm für jeden Patienten", weiß Wilhelm Dengler.

Das Alter der Patienten, die in Freudenstadt behandelt werden, fängt bei 18 Jahren an. "Eine Jugendpsychiatrie gibt es im Landkreis nicht", so Dengler. Ebensowenig gebe es Kinder- und Jugendpsychologen.

Zu den Aufgaben der Psychiatrie in Freudenstadt gehört auch die Unterbringung und Betreuung von Menschen nach gesetzlichen Vorgaben, die auch mal gegen ihren Willen und mit Zwangsmaßnahmen behandelt werden müssen. Diese Formen spielten aber eine untergeordnete Rolle, so Dengler. Eine "Psychiatrie der offenen Türen" wird in der Gesellschaft immer wieder diskutiert. "Sie ist möglich aber schwierig", sagt dazu Chefarzt Dengler. In Freudenstadt seien bis auf die Akutaufnahmestation alle Stationen offen. 90 Prozent aller Patienten hätten freien Ausgang. "Nicht alle, die auf die Ebene sechs kommen, werden weggeschlossen", räumt der Chefarzt mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf. Dengler gibt aber zu, dass eine offene Psychiatrie personalintensiv ist und dass mehr Entweichungen aus der Klinik drohen. Die Suizidrate werde dadurch aber nicht erhöht. In diesem Jahr habe es am Krankenhaus Freudenstadt keinen Selbstmord gegeben.

Wie sieht die Zukunft aus? Stationsersetzende Maßnahmen (Home Treatment) mit mobilen Teams, die die Menschen dort psychiatrisch versorgen, wo sie leben, werden in diesem Zusammenhang genannt. "Wie das funktionieren soll, weiß ich momentan nicht", sagt Dengler. Zunehmen werde der Bedarf an der gerontopsychiatrischen/geriatrischen Versorgung.

Das meint auch Ralf Heimbach, Geschäftsführer der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF). Die Altersmedizin sei einer der Wachstumsmärkte. Je älter die Menschen werden, desto mehr Patienten mit psychischen Symptomen müssten behandelt werden. Er ist auch überzeugt, dass die psychiatrische Institutsambulanz an Bedeutung gewinnen wird. Denn wer keinen Termin bei einem Therapeuten bekomme, werde im Krankenhaus "aufschlagen". Was die baulichen Voraussetzungen am Krankenhaus Freudenstadt anbelangt ist Chefarzt Dengler zufrieden. Auf der Akutstatiuon gebe es dennoch immer wieder drangvolle Enge.

Wie es in einem Krankenhaus-Neubau aussehen wird, vermag Geschäftsführer Ralf Heimbach noch nicht zu sagen. Die Zielplanung für das neue Haus werde bald beginnen. Man könne die Psychiatrie theoretisch auch als eigenes Gebäude, wie eine Art Tagungshotel, konzipieren. Doch Chefarzt Dengler hält es für wichtig, dass die Nähe zum Fachkrankenhaus erhalten bleibt. Ein Problem plagt ihn aber, wie seine anderen Kollegen auch: "Es ist schwierig Ärzte nach Freudenstadt zu bekommen. Wir könnten sonst noch mehr leisten".

Info: Hauptdiagnosen

Die Statistik weist für die Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Krankenhaus Freudenstadt folgende Hauptdiagnosen aus:

 Alkoholintoxikationen, -entzüge (ein Drittel).

 Depressive Störungen (knapp 30 Prozent).

 Schizophrene Psychosen (etwa zehn Prozent).

 Schizoaffektive Psychosen und bipolare Psychosen (etwa zehn Prozent).

 Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen.

 Delirien, Verhaltensstörungen bei Demenz.

 Dekompensierte Persönlichkeitsstörungen.