Geschafft: Der Großteil der Abi-Prüfungen liegt hinter Louisa Sturm und Janis Schwarz. Die Wege dorthin waren verschieden, das Ziel dasselbe. Jetzt geht es auf in einen neuen Lebensabschnitt. Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Zwei Wege: Louisa Sturm macht ihr Abitur an der Waldorfschule, Janis Schwarz am Gymnasium

Von Tina Eberhardt Freudenstadt. Viele Wege führen zum Abitur. Der klassische über das Gymnasium. Ein weniger bekannter über die Waldorfschule. Aber wie sieht die Vorbereitung an den beiden grundverschiedenen Schulformen aus? Ganz anders und doch wieder völlig gleich, wie zwei Abiturienten erzählen. Louisa Sturm und Janis Schwarz sind beide 18 Jahre alt. Wenn sie im Juni die letzten mündlichen Prüfungen hinter sich gebracht haben, werden sie beide dasselbe Abschlusszeugnis in den Händen halten: die allgemeine Hochschulreife. Im Gespräch verstehen sie sich auf Anhieb prächtig, es scheint als ob sie den Weg zum Abitur gemeinsam gegangen wären. Dabei hat Janis am Kepler-Gymnasium die klassische Bahn eingeschlagen. Er gehört zur G8-Generation, hatte sich in der Oberstufe durch Pflicht- und Neigungsfächer geschlagen und dabei in den vergangenen zwei Jahren immer das Wissen im Hinterkopf: Jeder Notenpunkt zählt auf dem Weg zum Abitur.

Lousia hingegen hat ihr Abitur an der Waldorfschule abgelegt. Dort gibt es keine zweijährige Punktesammelei. Ganz entgegen dem Klischee des kreativ vor sich hinträumenden Freigeists ist das Abitur an der Waldorfschule eine Sache, die im ersten Moment richtig knackig klingt: zwölf Jahre regulärer Schulalltag, bevor es in der 13. Klasse zur Sache geht. Dann stehen nur noch Abiturfächer auf dem Plan.

Am Tag X muss die Leistung stimmen

Ein Jahr Intensivvorbereitung für den Tag X. Und an dem muss die Leistung stimmen. "Man lernt, auf den Punkt da zu sein", meint Louisa. Druck hat sie keinen verspürt. "Bei uns zählt halt ein Tag", im Gegenzug konnte sie aber die Zensuren in den Jahren zuvor – ab der neunten Klasse werden auch an der Waldorfschule Zensuren verteilt – locker nehmen. Dennoch stößt das Prinzip bei ihrem Gesprächspartner Janis auf sichtlichen Respekt. "Man kann Leistung nicht aufbauen. Man hat keine Basis, auf die man zurückfallen kann."

Wie am Gymnasium spielt man aber auch an der Waldorfschule das Prüfungsszenario immer wieder in Übungsklausuren durch. Das Abitur wird so irgendwann auch nur zu einer weiteren Prüfungssituation – nur mit weitreichenden Konsequenzen. Überhaupt haben Louisa und Janis in Sachen Fächerkonstellation, Stundenpensum und Prüfungen das gleiche Reglement hinter sich. Über die Deutschprüfung wird erst einmal munter gefachsimpelt, und beim Austausch über die Lerndisziplin müssen beide immer wieder lachen.

Egal welche Schulart, der innere Schweinehund wohnt überall. "Wir haben gemacht, was man machen konnte", beteuern beide schmunzelnd auf die Frage nach der Prüfungsvorbereitung. Ach ja? Während bei Janis der Schulalltag aber mittlerweile spürbar lockerer wird, ist bei Louisa immer noch ackern angesagt. Denn an der Waldorfschule ist die mündliche Abiturprüfung deutlich umfangreicher.

Am Gymnasium ist man im Idealfall nach einer mündlichen Fachprüfung von übersichtlichem Zeitrahmen erlöst. "Das schwerste liegt hinter mir", bestätigt Janis, der sich in Geschichte prüfen lassen will, mit Blick auf die letzte Hürde. Louisa dagegen muss in zwei Fächern antreten. Zum einen in Biologie, traditionsgemäß ein Feld, das viel Auswendiglernen erfordert, zum anderen in Russisch – und bei beidem ist die Prüfungszeit rund doppelt so lang wie am Gymnasium.

Erstmal stehen Reisen auf dem Programm

Mit der Vorbereitung auf Fragen ist es zudem nicht getan, denn die Prüflinge müssen eigene Beiträge parat halten. "20 Minuten Vorbereitung, 20 Minuten Präsentation und Fragen", beschreibt Louisa das Prozedere an der Waldorfschule. Dann ist auch sie endlich durch. Und wie geht es danach weiter? Spätestens bei dieser Frage gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Gymnasiast und Waldorfschülerin. "Schauen was kommt", antwortet Janis, während Louisa zustimmend nickt. Erst mal steht Reisen auf dem Plan. Und im Moment stecken beide noch mitten in der Gefühlsmischung aus Euphorie und Wehmut angesichts des Endes eines Lebensabschnitts. Da ist es gut, wenn jetzt die obligatorischen Feiern anstehen.

Den großen Abiball, wie er für jeden Gymnasiast Krönung der Schulzeit ist, gibt es an der Waldorfschule jedoch nicht. Mit fünf Schülern im Abi-Jahrgang feiert man stattdessen familiär im Oberstufenkreis. Doch spätestens beim Abi-Fest kommen alle wieder zusammen. Letzteres hat im Kreis Freudenstadt ohnehin schon fast Legenden-Status.