Ein starkes Team: Siegfried Riester erhält das Bundesverdienstkreuz, doch "ohne meine Frau wäre ich nicht der, der ich bin". Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Siegfried Riester erhält für seine rührige Vereinsarbeit am Mittwoch das Bundesverdienstkreuz am Bande

Von Tina Eberhardt

Freudenstadt. 50 Jahre im Ehrenamt in fast 40 verschiedenen Positionen. Eine Bilanz, die für zwei Leben reicht und bei Siegfried Riester in eines hineinpasst. Am Mittwoch erhält der Wahl-Freudenstädter dafür das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Auf die Frage, was er denn wann alles gemacht habe, zieht Siegfried Riester lachend einen Zettel hervor. "Ich krieg’s sonst selbst nicht mehr auf die Reihe." Auf dem randgefüllten Papierbogen ist ein Leben für die Vereine dokumentiert: Vom Jugendleiter im Sportverein bis zum Revisor der Bundesgeschäftsstelle der Deutschen Olympischen Gesellschaft. Vom Komitee-Mitglied der Plüderhäuser Festtage – jener Veranstaltung, bei der das Remstal jedes Jahr eine Woche lang Kopf steht – bis zum Wahlkampfmanager, und damit sind gerade einmal die groben Stichpunkte aufgezählt.

Mittlerweile ist es etwas ruhiger bei Siegfried Riester geworden. Immerhin ist der gebürtige Plüderhausener dieses Jahr 75 Jahre alt geworden, auch wenn man es ihm nicht ansieht. Als er mit seiner Frau Ella nach Beginn seines Ruhestands nach Freudenstadt zog, um in der Nähe der Enkel zu sein, fand er neue Aufgaben beim Kreis- und Stadtseniorenrat, war bis vor einigen Jahren SPD-Kreisvorstand, ist nach wie vor Mitglied von Chor und Musikvereinen seiner Heimat und kommt auch im sogenannten Ruhestand auf gute 200 ehrenamtliche Termine pro Jahr.

Früher kamen ganz andere Zahlen zusammen. "Ich habe alles mit höchster Intensität gemacht", erklärt Siegfried Riester, und selbst beim gemütlichen Plausch im heimischen Wohnzimmer wird deutlich, wie indiskutabel irgendeine andere Herangehensweise für ihn gewesen wäre. Dabei hätte schon das Berufsleben ausreichend Erfüllung geboten. Riester war Verkaufsleiter bei Esso, bevor er und seine Frau sich mit einer Großtankstelle selbstständig machten. Zum "selbst und ständig"-Arbeitsprinzip eines Unternehmens kamen mehrere Vereinsposten in verantwortlicher Position und eine Weile auch ein Mandat als Kommunalpolitiker. Aber: "Ich habe nie unterschieden, ob etwas beruflich, ehrenamtlich oder privat ist", betont Riester. Manchmal erfolgte im Auto der fliegende Kleiderwechsel von T-Shirt und Trainingshose zum Geschäftsanzug.

100-Stunden-Woche war in der Familie keine Seltenheit

Die Zwillinge Riesters wuchsen quasi im Verein auf. Die vier Enkel gehen schon in dieselbe Richtung. Eine 100-Stunden-Woche war in der Familie keine Seltenheit. Denn Siegfried Riester hat zwar die beeindruckende Amtsbilanz – Laufpartnerin, Schrittmacherin und das alles verbindende Element ist aber bis heute seine nicht weniger energiegeladene Frau Ella. "Ohne sie wäre ich nicht, der ich bin", erklärt Riester liebevoll. In der heutigen "Zeit für mich"-orientierten, fast balance-versessenen Gesellschaft klingt das Pensum irgendwie wahnwitzig und aktionistisch. Siegfried Riester allerdings ist tiefenentspannt. Er ist ein Mann, der seine Talente und Bedürfnisse sehr gut kennt und immer wusste, wo er sie am besten einbringen kann. Bis heute ist die unbändige Dynamik, die einen Menschen um 7 Uhr am Sonntagmorgen auf dem Festplatz stehen und um 22 Uhr am Dienstag noch in einer Ausschuss-Sitzung ausharren lässt, bei ihm spürbar.

Mit dem Klassensprecher hat es einmal angefangen. Dann sagte der Rektor zu dem Jungen: "Du bist ein Mensch für die Vereine." Und er sollte Recht behalten. "Ich war nie ein guter Sportler", resümiert Riester. "Aber ich bin ein guter Funktionär. Und ich bin sehr ehrgeizig." Diese Gaben könnten grundsätzlich auch beruflich in Spitzenpositionen führen. Doch Riester kennt seine Grenzen. "Dazu bin ich zu harmoniebedürftig." Riester ist ein Teamplayer, einer den die Faszination des Mitgestaltens, des Mitbestimmens und die Freude am Umgang mit Menschen treiben. Und einer, der trotz dieser außergewöhnlichen Verdienstbilanz nicht von oben herab redet.

Wie sieht er denn die Zukunft des Ehrenamts? "Nicht schlecht", meint Riester ohne zu zögern und fast schon etwas verblüfft, als ob es Zweifel geben könne. Er glaubt an die Leute und meint auf Jammerlieder nur abwinkend, diese seien schon immer gesungen worden. Gemeinsam mit seiner Frau hat er gesehen, wie seine Kinder über das Ehrenamt zu ihren Stärken und ihrem Platz im Leben gefunden haben. Und viele andere junge Menschen mit ihnen. Und trotz der Reduzierung des Pensums ist der Funktionär in Riester noch lange nicht in Rente. In markanten Sätzen skizziert er, wie sich Vereine heute aufstellen müssen, um gut in die Zukunft zu kommen. Nein, er hat nie getrennt, ob ein Einsatz für ihn Lohn brachte oder nur Zeit kostete. Für sein "herausragendes Engagement" lässt ihm der Ministerpräsident deshalb nun das Bundesverdienstkreuz am Bande verleihen.