Ganz am letzten Zipfel von Frankreich locktCollioure seit jeher Künstler an. Foto: Tschepe

Collioure - viel weiter südlich geht es nicht in Frankreich. Eine Stippvisite in dem kleinen Städtchen an der Côte Vermeille lohnt auf jeden Fall.

Ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Bunte Häuserfassaden, üppig bepflanzte Blumenkästen, verwinkelte Gassen, nette Menschen, eine idyllische Badebucht mit Kiesstrand, ein kleiner Fischerhafen und eine imposante Burgbefestigung. Willkommen in Collioure an der Côte Vermeille. Viel weiter südlich geht es nicht in Frankreich. Wer an der Mittelmeerküste nur noch wenige Kilometer weiterfährt, ist in Spanien. Das kann man machen, muss es aber nicht.

Collioure ist klein, hat nur rund 3000 Einwohner, aber dem Besucher einiges zu bieten. Zum Beispiel das Hotel Les Templiers. Es heißt, in dem Gebäude mit Meerblick hätten einst berühmte Künstler gewohnt, etwa Pablo Picasso. Das erzählt selbst die freundliche Dame in der Tourist-Info an der Meerpromenade. Stimmt aber leider nicht ganz, erklärt der junge Mann an der Rezeption des Templiers. Das Gebäude sei erst 1920 erbaut worden, und Picasso sei damals schon nicht mehr in Collioure abgestiegen. „Andernfalls könnten wird das Zimmer von Picasso bestimmt für viel Geld vergeben“, sagt er noch und grinst breit. Der spanische Maler sei allerdings regelmäßig Gast in der Bar gewesen, die zum Hotel gehört. Und das lässt sich belegen. Wer das Bistro betritt, der kann das alte, leicht vergilbte Foto kaum übersehen, das Picasso zusammen mit einem Barmann zeigt. Wer heute in dieser Bar ein französisches Bier bestellen will, der bekommt eine im wahren Wortsinn ernüchternde Antwort: „Gibt es hier nicht.“ Angeboten werde belgisches Bier. Also trinkt man einen Pernod - auf Picasso, auf Collioure und auf das ungewöhnliche Hotel, in dem an allen Wänden im Treppenhaus und in den Zimmern ungezählte Kunstwerke hängen - allerdings von weit unbekannteren Meistern als Picasso.

Kunst in Collioure

Die Kunst, speziell die Malerei, spielt in Collioure eine herausragende Rolle. Das Musée d’Art Moderne zeigt Werke aus dem 20. Jahrhundert sowie aktuelle. Ein „Weg des Fauvismus“ mit 20 Stationen führt durch die Altstadt. Alle paar Schritte sind wetterfeste Reproduktionen von Kunstwerken der großen Meister zu sehen, etwa von Henri Matisse, der oft in Collioure war. Von ihm ist dieser hübsche Satz überliefert: „Es gibt in Frankreich keinen blaueren Himmel als den von Collioure. Ich brauche nur die Fensterläden zu öffnen, schon habe ich alle Farben des Mittelmeers bei mir.“Ganz genau so ist es auch an diesem Tag. Auf dem Weg nach Collioure hingen im Hinterland noch dicke Wolken am Himmel. Doch bei der Ankunft in Collioure strahlt die Sonne. Es ist nur ziemlich windig. Vor dem Strand tanzten mächtige Wellen. Nur gute Schwimmer wagen sich ins Meer. Sie müssen ein paar kräftige Züge machen. Doch sobald die Krauler die sich brechenden Wellen in Ufernähe überwunden haben, schaukeln sie vor der grandiosen Kulisse im Salzwasser, haben die Wehrkirche und die Festung im Blick. Und sehen die vielen Menschen, weit weg und klein wie Spielzeugfiguren, die in den Cafés am Ufer in der Sonne sitzen.

Eine, die fast bei jedem Wetter schwimmen geht, ist Christie Patek. Die Künstlerin - jugendlich adrett gekleidet, geschätzt 60 - ist vor ein paar Monaten aus dem zweiten südfranzösischen Künstlerstädtchen Céret in den Bergen nach Collioure an die Küste umgezogen. Die extrovertierte Frau hat einen kaum zu bremsenden Rededrang. Sie erzählt viel, zum Beispiel, dass ihr Partner, ebenfalls ein (Lebens-)Künstler, sie ständig gemobbt habe. Nun versuche sie halt einen Neustart. Sie hat eine eigene kleine Galerie eröffnet. Die Konkurrenz ist allerdings groß. In Collioure gibt es ein paar Dutzend Künstler und alle hoffen auf zahlungskräftige Kundschaft. Die Frau vom Fremdenverkehrsbüro erzählt noch, dass im Hochsommer die Hölle los sei im Ort. Aber auch im Frühjahr, im Herbst und selbst im Winter kämen die Touristen - sobald Sonnenschein vorhergesagt wird. Während der kalten Jahreszeit sei das Wetter in Südfrankreich oft fast überall mies, nur in Collioure und Umgebung nicht. Und falls es doch mal regnen sollte, dann kann man die winzige Fabrik besuchen, in der Frauen Sardellen zum Verkauf in Gläser verpacken - fast so wie anno dazumal. Wer sich keins der Kunstwerke leisten kann oder will, der hat die Möglichkeit, für ein paar Euro ein kleines Stückchen Collioure mit nach Hause zu nehmen - salzig eingelegte Anchovis.