Heute ist die "Alte Apotheke" oder der frühere Gasthof "Engel" ein Mehrfamilienhaus, das jedoch seinen alten Charme nicht verloren hat. Foto: Feinler Foto: Schwarzwälder-Bote

Wirtschaftsserie Teil vier: Marzell Widmaier führte Wirtschaft bis 1837 / Im Jahr 1922 Gebäude umgebaut

Von Alexandra Feinler

Eutingen. Als Wirtschaft, Alte Apotheke und jetzt als Wohndomizil ist der "Engel" in Eutingen bekannt. In den über 200 Jahren hat sich einiges in dem Gebäude an der heutigen B14 getan.

Der "Engel" ist in der Wirte-Karte von 1790 noch nicht eingezeichnet. Das Gebäude, das später die Hausnummer 9 trug, muss zwischen 1790 und 1810 erbaut worden sein. Darauf weist ein Eintrag im ersten Güterbuch der Gemeinde Eutingen hin: "Ein Wohnhaus an der Straße, zwei Stockwerke, worin derzeit die Engelwirtschaft betrieben wird, mit vier gewölbten Kellern… In diesem Haus ist Bierbrauerei-, Branntweinbrennerei- und Bäckereigerechtigkeit…"

Viele Eutinger erinnern sich noch an das "Medizinzentrum"

Dieses Haus ist eines der wenigen in Eutingen, in denen noch nie ein Stall untergebracht war, erklärt Gemeindehistoriker Willi Schaupp und meint: "So bildete der ›Engel‹ ein repräsentatives Gebäude an der kurz vor Baubeginn neu errichteten Straße nach Horb." Dazu gehörten damals ein nördlich davon stehendes Ökonomiegebäude mit Scheuer und Stall, später bekannt als der Farrenstall.

Willi Schaupp entdeckte im Familienregister von Marzell Widmaier, dass dieser bereits bei seiner Hochzeit im Jahr 1813 als "Engelwirt" bezeichnet wurde. Marzell Widmaier heiratete damals Juliana Kläger. Über die Wirtshausgeschichte zu dieser Zeit ist nichts Näheres bekannt. Jedoch muss wohl zwischen 1815 und 1840 neben dem Gastbetrieb die Eutinger Apotheke als Filiale der Horber unteren Apotheke im Engel untergebracht gewesen sein.

Nach dem Tod des Engelwirts Marzell Widmaier im Jahr 1837 erbten die Witwe und seine neun Kinder das Anwesen je zur Hälfte. Der Engel taucht in der Reihe der Wirtschaften auf, für die die Abfolge der Tanzveranstaltungen vom Gemeinderat geregelt wurde.

Juliana Widmaier betrieb den Gasthof weiter bis zu ihrem Tod im Jahr 1851, dann wurde der einzige Sohn Philipp Widmaier Eigentümer des "Engels". Dass er Gesellschaften zu großen Anlässen empfing, zeigt die Einladung zu einer Hochzeitsfeier von 1863.

Philipp Widmaier ließ um 1870 den Felsenkeller am Eingang zum Eutinger Täle bauen. Dieser wurde als Lagerbierkeller unter dem Kapf bekannt. Der Keller soll im Zusammenhang mit dem Eisenbahn-Bau von Hochdorf nach Horb errichtet worden sein, fand Willi Schaupp heraus.

Noch zu Lebzeiten, im Jahr 1887, verkaufte Philipp Widmaier den Gasthof um 1600 Mark an seinen Sohn Marzell Widmaier. Fasnetstanz und weitere Veranstaltungen wie die Gründung des Darlehnskassenvereins fanden unter seiner Regie statt. Marzell Widmaier starb 1901 bereits im Alter von 40 Jahren.

In der Chronik des Eutinger Militärvereins fand Willi Schaupp eine Aufzeichnung zur Veranstaltung "beim Kamerad Kreidler zum Engel". Daraus schlussfolgert er, dass der "Engel" zumindest zeitweise verpachtet wurde. Maria Widmaier, die Witwe von Marzell Widmaier, überschrieb ihrem Sohn Mathias die Gaststätte vor 1922. Er verkaufte das gesamte Anwesen im Jahr 1922 an die Gemeinde Eutingen. Maria Widmaier behielt im Gebäude das Wohnrecht auf Lebenszeit.

Die Gemeinde baute das Anwesen um. Die Räume der Gastwirtschaft werden zur Vollapotheke sowie zur Arztpraxis von Dr. Oskar Wörrle umfunktioniert. In den oberen Stockwerken richtete die Gemeinde Wohnungen für Apotheker, den Arzt und den Oberlehrer der Volksschule ein. Viele Eutinger erinnern sich noch an das "Medizinzentrum".

Nachdem das Wirtshaus "Krone" an der Ecke Haupt- zur Marktstraße abgerissen wurde, baute Dietrich Hemmer dort ein neues Gebäude.

In diesem Mehrfamilienhaus brachte er im Erdgeschoss Verkaufsräume unter und siedelte die Engel-Apotheke 1979 um.

Das ehemalige Gasthaus Engel bekam den Namen "Alte Apotheke", den es bis heute noch trägt. Ab 1979 war das Gebäude ohne nennenswerte gewerbliche Nutzung. Zeitweise nutzte die Narrenzunft die Räume der früheren Arztpraxis als Zunftstube. Die Wohnungen wurden verpachtet.

Vor dem Abbruch des Ökonomiegebäudes waren dort der Bauhof der Gemeinde und der Farrenstall untergebracht. Das frühere Wirtschaftsgebäude wurde 2001 an einen Bauträger verkauft, der das gesamte Haus zu acht Eigentumswohnungen umbaute. Die Außenansicht blieb erhalten und so wirkt der "Engel" heute noch wie ein altes Wirtshaus, in dem nach Leerstand wieder Leben eingekehrt ist.