Wertlose Aktienpapiere hat Katrin Kinsler (Mitte) in Kunst umgewandelt und damit wieder wertvoll gemacht. Welchen Bezug der Gott Merkur auf diesen Scheinen hat, zeigt ihre Kunstausstellung "die da oben" im Eutinger Rathaus. Foto: Feinler Foto: Schwarzwälder-Bote

Außergewöhnliche Ansichten des Eutinger Rathauses mit Katrin Kinsler / Künstlerin rettet auch den Landkreis Freudenstadt

Von Alexandra Feinler

Eutingen. "Sie spricht mir aus dem Herzen", meinte Kunstbetrachterin Rosemarie Intorp in Bezug auf die Horber Künstlerin Katrin Kinsler. Diese bot Interessierten im Eutinger Rathaus die zweite Chance, ihre Ausstellung "die da oben" zu erleben.

Wer die Vernissage am 16. Mai (wir berichteten) verpasst hatte, bekam dieses Mal eine etwas andere Führung durch den Flur des Rathauses. Wie bei einem Interview stellte Journalistin Annette Maria Rieger Fragen, zu denen die quirlig-sympathische Katrin Kinsler Antworten fand.

Dabei arbeitete sich die 40-Jährige Stock für Stock aufwärts. "Eigentlich bin ich relativ zufrieden, will aber trotzdem was ändern", erklärt die Ausstellerin, die 2004 ihr Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart abgeschlossen hat.

In ihren Alltagscollagen verbindet sie immer wiederkehrende Begriffe wie "gewöhnlich", "Single" oder "erschüttert" mit Zufriedenheit. Alltägliche "Makel" werden bildlich dargestellt, was die Künstlerin wie folgt beschreibt: "Jeder ist individuell, arbeitet an euch."

Viel Arbeit steckt in den Kunstwerken, die die Köpfe der Zwölfgötter von Rohrdorf umrahmen. Aus ehemaligen Aktien hat Katrin Kinsler Teile herausgestanzt wie beispielsweise den Gott Merkur und somit dem wertlosen Papier eine monetäre Bedeutung beigemessen.

"Es sollte viel mehr Künstler in der Politik geben"

Die Anspielung auf die Bedeutung der Kunst griff Annette Maria Rieger auf und bohrte nach. "Ich will Dinge schaffen, zu denen Menschen einen Bezug aufbauen können. Jeder soll damit etwas anfangen können." Ihre Kunst soll über das "darüber nachdenken" hinausgehen. Vielmehr soll sie die Menschen fesseln und Kommunikation fördern. "Ich finde diesen Dialog einfach spannend", flüstert ein Besucher, der der Künstlerin in den zweiten Stock folgt. Auch die restlichen Zuhörer nicken Katrin Kinsler zu und stellen Fragen.

Rosemarie Intorp aus Horb liebt die Kunst der Gewinnerin, die 2011 den Preis "zehnte Ortszeit Nordschwarzwald" erhalten hat. "Sie nimmt mich mit, weil sie ihre Gedanken klar ausspricht. Das finde ich gut", erklärt die Horberin. Vor allem ihre politische Kunst, die in Zusammenarbeit mit Walle Sayer entstanden ist, spricht Rosemarie Intorp an. "Es sollte viel mehr Künstler in der Politik geben."

Doch diese Meinung teilt Katrin Kinsler nicht, was sie mit ihren Werken im zweiten Stock verdeutlicht. Die SPD-Beisitzerin des Ortsvereins Horb weiß, dass es schwierig ist, als Künstlerin Politik zu machen. "Ich hab nicht immer zu allem eine Meinung, aber das erwarten die Wähler".

Deshalb kehrt Katrin Kinsler zwischen dem Büro von Bürgermeister Armin Jöchle und seiner Sekretärin Bettina Kieferle wieder zur Kunst zurück. Bildlich erklärt sie als Kind Horbs auch, wie sie als Künstlerin den Wandel zur Hausfrau und Mutter von zwei Kindern erlebt hat. Kollagen mit backenden Frauen, die anstatt eines Gesichts eine Hörkassette haben, wirken abstrakt und für den ein oder anderen auch befremdend.

Andere Kunstbeobachter finden sich in diesen Werken wieder. Dass die Kunst zum Erleben ist, macht die Nahbarkeit zur Künstlerin selbst aus. Ganz locker erzählt das "Horber Kind", wie es den Kreis Freudenstadt gerettet hatte. Dieser hing als Papiernachbildung bei Landrat Klaus Michael Rückert im Büro und sei während den Schwierigkeiten rund um das Horber Krankenhaus heruntergefallen.

Weil das Kunstwerk, das von Katrin Kinsler angefertigt wurde, kaputt war, erhielt der Landrat die Papiernachbildung der Stadt Horb als Leihgabe während der Reparaturzeit. Katrin Kinsler konnte das Kunstwerk retten und brachte es dem überglücklichen Landrat wieder. "Das sollte auch mal jemand wissen", erzählt sie lachend. Doch diese Geschichte spielt nicht ihr neues Motto "Kunst macht abergläubisch" an, sondern zeigt, wie viel Pepp die 40-Jährige hat.

Die Besucher konnten sich im Sitzungssaal, in dem Filmausschnitte der Vernissage zu sehen waren, weiter mit der Künstlerin unterhalten. Sie zeigte, dass sie mit dieser im Großen und Ganzen mehr als zufrieden ist, wenn sie diese auch immer wieder kritisch hinterfragt.