Die "Wild Voices" suchten bei ihrem Konzert auch den Baumarkt-König. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder-Bote

Konzert: Romantisch, einfühlsam und auch manchmal schön derb: Neue Reihe der "Wild Voices" wird begeistert gefeiert

Von Harald Mattenschlager

Auf 25 Jahren Jahre erfolgreichen A-capella-Gesang darf der Weitinger Männer-Chor "Wild Voices" zurückblicken. Und die Stimmen sind auch in diesem Vierteljahrhundert nicht weniger wild geworden. Im Gegenteil.

Eutingen-Weitingen. Dies bewiesen sie am Samstag bei ihrem Heimspiel in der mit weit mehr als 400 Personen nahezu ausverkauften Turn- und Festhalle. Unter dem neuen Konzert-Motto "deCHORativ" begeisterten sie ihre Zuhörer mit Songs quer durch alle Genres.

Dass die Herren mit ihren Stimmen arbeiteten, das machte schon ein kleiner akustischer Kunstgriff zu Beginn des Konzerts sehr deutlich. Die Stimme von Mit-Moderator Rolf Brezing taucht aus dem Off auf, behauptete, dass die ganze Truppe hinten am Eingang stehe und man möge sich doch umdrehen und sie dort beim Einmarsch bewundern. Das war zwar geschwindelt, doch der Chor nutzte diese Gelegenheit, um sich auf der Bühne im Stile einer Fußballmannschaft vor Beginn eines wichtigen Spiels im Kreis aufzustellen und über ihr Lampenfieber gesanglich nachzusinnen.

"Man(n) will’s ja richtig machen und zuhause sei man auch ein klein wenig angespannter als sonst – mimimi" hallte es von der Bühne. Klar, die "Wild Voices" hatten allen Grund, etwas angespannt zu sein, saßen doch im Saal all ihre Hardcore-Fans und vor allem die Familien und Nachbarn der Sänger. Zuhörer also, die jedes Lied kennen, die sich über den Erfolg freuen, aber auch jeden Fehler im Song oder der Intonation bemerken. Da ist es strategisch klug, sich mit drei Liedern, die man schon länger im Repertoire hat, warm zu singen.

Darunter auch der lebensnahe Song "Baumarkt", der in Anlehnung an die TV-Serie "Shopping-Queen" als neue Titelmelodie zur frisch erfundenen Casting-Show "Baumarkt-King" umfunktioniert wurde. Bevor man in der Weitinger Version der Baumarktgeschichte auf die Jagd nach dem nutzlosesten "Deng" gehen konnte, musste man solch komplizierte Fachfragen wie "Wann ist ein Kolbenfresser satt?" oder "In welchem Regal liegt die Feierabendschablone?" beantworten. Nicht ganz einfach und eher an den männlichen Teil des Publikums gerichtet.

Dreistimmig und mit dem Chor als Groove-Abteilung marschierten die wilden Stimmen aus dem Gäu dann durch Hela und Co. Nachdem sich die Herren zufrieden vor sich hin schmunzelnd in Erinnerungen an die Jagd nach Kabelbindern, Linksgewinden und Luftdübeln in ihren Sitzen zurücklehnen durften, waren anschließend die Damen im Saal dran.

Marcus "Feez" Fischer, erster Tenor, genialer Moderator und Spezialist für alpenländische Liedtexte, ließ ein Loblied auf die Frauen ab, das Böses ahnen ließ. Er lobte ihr Geschick im Haushalt, dass sich jede Knitterfalte schon beim Anblick ihres Bügeleisens ergeben würde und dass Frauen einzigartig seien. Gerade bei der Geburt, obwohl einige Männer auch einen scheinbar geburtsfähigen Körper mit sich herumschleppen würden. Dies jedoch nicht nur neun Monate lang, sondern eher als Langzeitstudie angelegt.

"Frauen können vieles und einiges", so sein Fazit. "Und deshalb sollten wir Männer nur das tun, was wir können – Biertrinken, Fußball gucken und Autofahren." Das der nächste Song das "Autolied" war, war nach dieser Ansage kein Zufall. Echter Zufall dagegen war es, wenn Solist Fischer beim Lied von Andreas Gabalier "Amoi seg’ ma uns wieder" (Einmal sehen wir uns wieder) einen Hauch vom Gefühl, von der Melancholie, von der intimen Dichte, mit der der Komponist den Tod von Vater und Schwester verarbeitete, traf. Den rauen Dialekt der Steiermark, den Text und dann noch die Interpretation unter einen Hut zu bringen, ist nicht ganz einfach. Viel besser dagegen die auf Schwyzerdütsch gesungene Version "Ewigi Liäbi."

Post im Walde war viel gemütlicher

Wunderbar auch die Geschichte von der Post im Walde und dazu der Vortrag des gleichnamigen Volkslieds. In der Hinführung erlebte Marcus Fischer sein Waterloo mit dem Götterboten "Hermes", der ihm seine als Testversion bestellte 350 Kilogramm schwere Werkbank erst mit Verspätung und dann gar nicht lieferte.

"Da war die Post im Walde doch viel gemütlicher", so das Fazit. Die "Wild Voices" erinnerten mit Trompetensolo und Gesang an den Postmann, der durch den Wald ritt. Dabei ließen sie die Grundidee des einfachen Volkslieds leben. Sie vergewaltigten weder Melodie noch Text durch einen fünfstimmig gesungen Kanon und sonstige unnütze Tricks aus der Dirigentenkiste. Einfach Volkslied – pur. Das reicht.

Bevor es dann für die Sänger in die wohlverdiente Pause ging, erlebten die begeisterten Zuhörer noch einen kleinen Geschlechterkampf. "Wir wollten doch nur Freunde sein – warum hab ich dich jetzt am Bein? Du machst mir das Leben schwer, ich kauf mir ein Gewehr" eine der Überlegungen, die ein wildes Sanges-Pärchen anstellte, um wieder zum Single zu werden.

Die Lieder saßen, Notenblätter waren überflüssig, die Ansagen waren zumeist sehr lustig und die "Wild Voices" präsentierten sich als gut eingesungener Chor, der dadurch auch viel Raum für so manches Zusatz-Späßchen auf der Bühne hatte. Ein gelungenes Konzert zum 25-jährigen Bestehen.