Im Dezember 2003 gab es ein Erdbeben der Stärke 6,5 auf der Richterskala in Kalifornien Foto: EPA

Fast 13 Millionen Menschen leben im von Erdbeben geplagten Großraum Los Angeles. Während die Menschen sich auf ein Beben vorbereiten, sind die Atomkraftwerke alles andere als bereit.

Fast 13 Millionen Menschen leben im von Erdbeben geplagten Großraum Los Angeles. Während die Menschen sich auf ein Beben vorbereiten, sind die Atomkraftwerke alles andere als bereit.

Los Angeles - Erst traf es Süd-Kalifornien, dann die Millionenmetropole Los Angeles: Als Ende März die Erde an der amerikanischen Westküste bebte, blieben die Schäden zwar gering. Trotzdem hat das Naturereignis die Bevölkerung nachdenklich gestimmt. Zum einen, weil ein viel stärkeres Beben laut Geologen lange überfällig ist. Zum anderen, weil mehrere Atomkraftwerksbetreiber nicht nachweisen können, dass ihre Reaktoren im Ernstfall sicher wären. Eigentlich hätten alle AKW-Betreiber bis Ende März der amerikanischen Atomaufsichtsbehörde einen Bericht übergeben sollen, in dem sie die Sicherheit ihrer Kraftwerke im Falle eines starken Erdbebens nachweisen. Von mindestens zwei Dutzend Anlagen liegt allerdings bis heute kein Bericht vor. Die Auflage war nach der Katastrophe im japanischen Fukushima vor drei Jahren erlassen worden.

Tektonische Platten

Die Betreiber, die diesen Nachweis bis zum Ende der Frist nicht erbringen konnten, müssen nun Millionen investieren – allerdings nicht unmittelbar in Verbesserungen. Zunächst sollen sie ein Gutachten erstellen und bauliche Veränderungen vorschlagen. Den demokratischen Senator Edward Markey bringt das zögerliche Verhalten der Aufsichtsbehörde auf die Palme. „Was wir brauchen, sind Taten, um gefährdete Reaktoren zu sichern, nicht einfach nur mehr Berichte“, sagte er im Gespräch mit der „New York Times“.

Seit Fukushima ist die Gefahr wieder im Alltag präsent

Vor allem an der erdbebengefährdeten Westküste stößt der Politiker damit auf offene Ohren. „Unsere größte Herausforderung besteht darin, das Thema wachzuhalten“, sagt Richard McCarthy, Leiter der Kommission für Seismische Sicherheit in Kalifornien. Die Kommission untersucht, ob Gebäude einsturzgefährdet sind, und versucht die Einwohner im wahrsten Sinne des Wortes wachzurütteln. Lange Zeit war die Mühe vergeblich – wegen knapper Staatskassen und einer eher desinteressierten Bevölkerung.

Spätestens seit Fukushima ist die Gefahr aber wieder im Alltag präsent. So hat sich die Zahl der Menschen, die an der jährlichen Erdbebenübung teilnehmen, spürbar erhöht. Machten im Jahr 2010 gerade mal 7,9 Millionen Kalifornier mit, wurde im Jahr 2013 bereits die Zehn-Millionen-Marke geknackt. Ausbaufähig sind die Zahlen trotzdem noch: Im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat leben mehr als 38 Millionen Menschen.

Politisch gibt es – zumindest kleine – Fortschritte. So musste die Kommission für Seismische Sicherheit ihr Budget bisher alle drei Jahre neu genehmigen lassen. „Seit letztem Juli kommen uns nun dauerhafte Haushaltsmittel zu“, erklärt McCarthy. Trotzdem sei die Förderung noch immer zu niedrig: „Viele Behörden wetteifern um die wenigen Mittel, die es gibt.“ Billig zu haben ist ein guter Erdbebenschutz ohnehin nicht: Ein Gebäude auf den neuesten Stand der Technik zu bringen verschlingt oft mehrere Hunderttausend Euro.

Wie gut gerüstet ist die Westküste für eine Flutwelle?

Schwer treffen könnte es vor allem das auf der San-Andreas-Spalte gelegene Los Angeles. Die zweitgrößte Stadt der Vereinigten Staaten müsste nach Berechnungen der Umweltbehörde U.  S. Geological Survey (USGS) mit insgesamt bis zu 18 000 Todesopfern rechnen, wenn das Epizentrum des Bebens in unmittelbarer Nähe der Millionenmetropole läge. Die Stadtverwaltung ermahnt die Bevölkerung der Stadt daher schon lange, die Gefahr eines Erdbebens ernst zu nehmen. Sogar eine eigene Homepage (www.readyLA.org) mit Überlebensregeln hat die Kommune ins Netz gestellt. Die wichtigste: vorbereitet sein. Möglichst jeder Einwohner von Los Angeles solle sich einen eigenen Vorrat von Lebensmitteln und Trinkwasser anlegen, mit dem man im Ernstfall bis zu 72 Stunden ausharren könnte. Zurückliegende Katastrophen hätten gezeigt, dass es so lange dauern kann, bis die Wasser- und Stromversorgung sowie das Handynetz wieder funktionieren, erklärt Richard McCarthy von der Kommission für Seismische Sicherheit. Wie viele Bewohner der Stadt bei diesen Vorbereitungen tatsächlich mitmachen, ist allerdings nicht bekannt.

Ebenso unklar ist, wie gut gerüstet die amerikanische Westküste für eine meterhohe Flutwelle ist, die ein Erdbeben auslösen könnte. Seit langem gibt es spezielle „Tsunami-Evakuierungsrouten“, um Betroffene nach einer Flutwelle schnell in höheres Gelände zu bringen. Ob das im Ernstfall klappt, weiß niemand. In Japan konnten sich trotz ausgefeilter Warnsysteme viele Menschen nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen.

Fortschritte gibt es vor allem in den Großstädten. „In San Francisco und Los Angeles gehen die Umbaumaßnahmen stetig voran“, sagt McCarthy nicht ohne Stolz. Seit Gründung der Behörde vor knapp 40 Jahren habe man insgesamt weit über 2200 Brücken erdbebensicher gemacht. Und trotzdem gilt im Falle eines Erdbebens für die Region: „Unsere Szenarien gehen davon aus, dass wir mit hohen Schäden und Todesopfern rechnen müssen.“