DJ und Produzent Westbam freut sich auf die Beatparade in Empfingen. Foto: Oleg Babenko

Berliner DJ-Legende ist gespannt "was so geht auf einer der letzten Technoparaden der Republik".

Empfingen - Der Berliner DJ und Produzent Westbam gilt als Pionier der deutschen DJ-Kultur und Technoszene. Am Samstag, 29. Juli, legt er bei der Empfinger Beatparade auf. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie sich die Techno-Szene von ihren Anfängen bis zur heutigen Beatparade verändert hat.

Vor einigen Tagen ist der Film "Mein Wunderbares West-Berlin" in den Kinos gestartet, in der auch die Entstehung von Techno-Musik vorkommt. Was ist damals in der Berliner Musikszene passiert, dass Techno in den 90er-Jahren mit der Loveparade so groß geworden ist?

Der Film "Mein Wunderbares West-Berlin" ist ja eine Dokumentation über die Gay-Szene Berlins in den 80er-Jahren. Im Metropol, dem damals führenden Gay Club, in dem High Energy gespielt wurde, habe ich meine DJ-Karriere in Berlin begonnen und diese Erfahrungen haben mich geprägt. Das war aber alles einige Jahre bevor das, was wir heute als Techno kennen, seinen Anfang nahm und seinen Siegeszug startete. High Energy und das was im Metropol passierte war also ein indirekter Vorläufer. Die neue Energie kam durch die musikalische Innovation – Technohouse – der Fusion harter industrieller Klänge und Housemusik – die alle mitriss. Dazu hatten wir in Berlin die neuen Räume, die nach dem Mauerfall im Ostteil der Stadt waren – das war der Nährboden für die Technorevolution, zusammen mit der Love Parade und später dann auch den ersten Mayday.

Welcher Spirit der damaligen Musik Ende der 80er-Jahre hat dich damals als DJ begeistert?

Es war eine Zeit voller Neuerungen, musikalisch war das Feld ja noch nicht erschlossen, jede Woche gab es eine neue Wendung im neuen Genre Technohouse. Es war eine inspirierende Zeit, besonders nach dem Fall der Mauer, als auf einmal überall neue Locations im Grenzgebiet aufmachten.

Was ist heute dein Lebensgefühl als DJ?

Etwas von meiner naiven Vorfreude an  Beats, die ich gleich spielen werde,  habe ich mir über die Jahrzehnte erhalten. Mein Lebensgefühl setzt sich aus noch mehr Komponenten zusammen, als aus meiner Identität als DJ.

Wie würdest du die heutige Techno-Szene in Deutschland beschreiben?

Es gibt ja keine einheitliche Szene mehr wie in den Anfangsjahren, wo es tatsächlich über Stadt- und Genregrenzen eine Szene gab, die sich einander verbunden fühlte.

Du hattest neulich auf Facebook ein Video von der Loveparade 2006 gepostet. Das sieht nach einer für viele Menschen schönen Erinnerung aus. Was fehlt dir, seitdem es die Loveparade nicht mehr gibt?

Das Video ist von der letzten Loveparade in Berlin, die vielen in guter Erinnerung geblieben ist. Vor der Katastrophe von Duisburg hatte ich bereits bekannt gegeben, dass ich mich von der Loveparade zurückziehen wollte. Der Fitnessstudio-Mogul und seine Entourage als Veranstalter, die seltsamen Austragungsorte im Ruhrgebiet, die Abwesenheit aller, die die Love Parade in den 90-ern groß gemacht hatten, hat mir die Veranstaltung fremd werden lassen. Die Loveparade, wie sie zum Schluss war, fehlt mir nicht.

Braucht die Welt wieder eine Loveparade?

Nein, es ist gut, dass mit dem Unglück von Duisburg diese Ära endete. Es bräuchte, wenn überhaupt, etwas ganz neues.

Du bist gerade auf deiner "Risky-Sets-Europatour". Das ist ein interessanter Name für eine Tour. Was ist für dich ein "risky set"?

Ein "risky set" (deutsch: riskantes Set, Anm d. Red.) ist ein DJ Set, bei dem man nicht von vornherein genau weiß, wie es geht. Risky ist, tatsächlich als DJ auch mal ein Risiko einzugehen, auch wenn die Gefahr besteht, dass es nach hinten losgeht. Ich teste auf der Tour oft neue Produktionen und künftige Releases und präsentiere viele eigene Bearbeitungen eigener und fremder Tracks. Deswegen wird man, wenn man mich live hört, tatsächlich ein Musikerlebnis haben, was es wirklich nur da gibt, wo ich live spiele.

Mit welchem Gefühl fährst du am 29. Juli zur Beatparade nach Empfingen?

Nachdem ich nun einiges gehört habe, bin ich tatsächlich gespannt, was so geht auf einer der letzten Technoparaden der Republik...