Marshall Bruce Mathers III alias Eminem Foto: promo

Kopf hoch, wir schaffen das! Rapper Eminem entdeckt auf  "Recovery" das Miteinander.

Der Mann auf dem Cover dreht uns den Rücken zu. Wie er so mit den Händen in der Hose auf einer leeren Straße dem Horizont entgegentrottet, scheint er noch einen langen Weg vor sich zu haben. Doch der Anfang ist gemacht: "Das Album ist all jenen gewidmet, die sich an einem dunklen Platz befinden und versuchen, da rauszukommen. Kopf hoch! Es wird tatsächlich irgendwann mal besser", schreibt Eminem im Booklet.

Hat sich der Mann, der sich früher am liebsten als Hip-Hop-Bürgerschreck Slim Shady verkleidete, auf seinem siebten Studioalbum "Recovery" in ein Sensibelchen verwandelt? Nicht wirklich. Noch immer rappt Marshall Bruce Mathers III. am liebsten mit der Verve des hypernervösen Großmauls, mimt den wortgewaltigen Berserker, der mit Schüttelreimen alles klein haut.

Dr. Dre wieder für die Produktion verantwortlich

Doch etwas ist anders. Da gibt es zum Beispiel den selbstkritischen Eminem, der bekennt, dass er sein letztes Album "Relapse" zwar "ganz okay", die Witze auf der Platte aber inzwischen etwas ausgelutscht findet. Und da ist der Eminem, der nicht mehr glaubt, alles allein hinkriegen zu müssen. Nachdem ihn seine Medikamentensucht fast umgebracht hätte, hinterfragt der 38-Jährige seine Ich-gegen-den-Rest-der-Welt-Parolen von früher in der Single "Not Afraid" - einem hymnischen Popsong mit flächigen Synthies, der nicht nur musikalisch wie eine DJ-Bobo-Dekonstruktion daherkommt: "Everybody, come take my hand / We'll walk this road together", heißt es im Refrain in einer Geste der Weltumarmung.

"Recovery" ist ein sehr ernsthaftes Album, in dem Eminem von der dunklen Wolke erzählt, die ihn immer noch Schritt auf Tritt begleitet, seit er beschlossen hat, seiner Sucht nicht mehr nachzugeben. Es ist ein Album, in dem es darum geht, sein Leben in den Griff zu bekommen, den Mut zu haben, sich zu ändern. Da wäre zum Beispiel die Hasstirade "25 to Life", in der er bekennt: "I'm addicted to the pain, the stress, the drama." In "Talkin' 2 Myself" beschreibt er sich zu einem mürrischen E-Gitarren-Groove als einsamen Menschen, als Egomanen, dessen Wutausbrüche zugleich Hilferufe waren. Aber auch als einen, der nicht mehr in seinem eigenen Kinofilm leben, der endlich wieder er selbst sein will. Die Songcollage "Going Through Changes", die sich Ozzy Osbournes Stimme aus dem Black-Sabbath-Song "Changes" borgt, protokolliert noch einmal den Selbsthass, den Medikamentenmissbrauch, den Absturz und das Aufwachen im Krankenhaus. Und selbst das selbstbewusst aufstampfende "So Bad" ist in Wirklichkeit das Psychogramm eines stets unter Erwartungsdruck leidenden Mannes.

Wie schon auf "Relapse" ist Eminems Entdecker Dr. Dre wieder für die Produktion verantwortlich. Außerdem hat sich der Mann aus Detroit zu einigen Promigästen überreden lassen. Rihanna singt den Refrain der mit Akustikgitarre und Streichern verzierten Sado-Maso-Ballade "Like The Way You Lie", "Won't Back Down" mit Pink als Gast reagiert sich an einem nervös-nervigen Beat ab. Die musikalische Inszenierung kann aber meistens nicht mit der Sprachgewalt Eminems mithalten. "No Love" bedient sich des unerträglichen Haddaway-Hits "What Is Love", und in "Space Bound" geht der Kitsch mit ihm durch: "I'm a space bound rocket ship and your heart's the moon, and I'm aimin' right at you": Ich bin eine Rakete, dein Herz ist der Mond, und ich ziele direkt auf dich. Slim Shady hätte sich totgelacht.