Helmut de Raaf, der Coach der Schwenninger Wild Wings, erwartet von seinen Cracks "ehrliche Arbeit" auf dem Eis. Foto: Sigwart

Interview: Schwenningens Trainer über den Charakter seiner Spieler, die neue DEL-Saison 2015/16 und die Fans.

Nur noch wenige Tage – dann fällt für die Schwenninger Wild Wings der Startschuss in die DEL-Saison (Auftakt am Freitagabend bei Titelverteidiger Adler Mannheim). Der neue Schwenninger Coach Helmut de Raaf wirkt in dieser Mittagspause entspannt. Er zieht ein Fazit der sechswöchigen Vorbereitungszeit, blickt auf den neuen Schwenninger Weg, zeigt sich begeistert von den Fans und freut sich auch darüber, dass sich seine beiden Torhüter auch außerhalb der Eisfläche gut verstehen.

Herr de Raaf, was sagt Ihnen der 12. Oktober 2014?

(überlegt lange und schmunzelt). Nein, da komme ich jetzt nicht drauf.

An diesem Tag haben die Wild Wings einen historischen 5:2-Sieg gegen Mannheim in der Arena gefeiert.

(lacht). Natürlich, jetzt fällt es mir wieder ein.

Was macht Sie denn zuversichtlich, dass Ihre Mannschaft dieses Kunststück gegen den Titelverteidiger am Freitag wiederholen kann?

Es könnte für uns klappen, wenn wir 120 Prozent Leistung bringen können – Mannheim aber vielleicht nur 95 Prozent schafft. Der Druck liegt klar bei den Adlern, denn diese werden nach dem Titelgewinn ihr erstes Heimspiel nicht verlieren wollen. Ich denke, wir können vielleicht für mehr Überraschungseffekte sorgen, denn uns kennen sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht so gut – wie wir sie kennen.

Sie klingen zuversichtlich. Liegt dies vor allem an der Vorbereitung?

Insgesamt war unsere Vorbereitung gut. Zuletzt haben wir vier Testspiele in Folge gewonnen, auch wenn man diese Ergebnisse richtig einstufen muss. Alle Spieler haben viel Eiszeit in den Tests bekommen. Wir hatten auch kaum Verletzungen zu beklagen.

Sie mussten immerhin 16 Neuzugänge integrieren.

Es hat mich positiv überrascht, wie schnell dies gelungen ist. In der Mannschaft herrscht ein sehr gutes Klima. Die Spieler sind sehr lernwillig. Sie haben einen guten Charakter, und sie hatten den Willen, jedes Vorbereitungsspiel zu gewinnen. In Rapperswil haben sie zum Beispiel nach einem 1:3-Rückstand mit einer Energieleistung das Spiel noch gedreht. Dies sind für uns Trainer sehr positive Zeichen. Wir mussten beim Spielsystem angesichts der vielen neuen Spieler praktisch bei Null beginnen. Vieles läuft in den Details schon gut, aber es wird auch noch einige Wochen brauchen, bis alle Automatismen optimal laufen. Das ist aber auch normal. Sechs Wochen waren für all diese Dinge schon relativ kurz.

Es gab aber auch Rückschläge.

Keine Frage, der Ausfall von unserem Stürmer Jukka Voutilainen zum Saisonbeginn tut uns schon weh. Wir haben ihn ja geholt, weil er besondere Qualitäten hat. Wir hoffen, dass Jukka nun so schnell wie möglich zurückkommen kann. Dass wir Hannu Pikkarainen, der das komplette Trainingsprogramm absolviert hat, nach seiner Schulteroperation erst einmal ein paar Spiele schonen werden, war vorher schon geplant.

Es wurde in den vergangenen Wochen schon viel über den neuen Schwenninger Weg gesprochen – zudem über die Spielphilosophie. Beschreiben Sie diese doch mal?

Wir wollen ein hohes Tempo gehen. Unsere Mannschaft soll auch als echtes Team auftreten, in dem viele Automatismen ineinander laufen. Spiele gewinnt man vor allem über die Mannschaft und nicht über Einzelaktionen. Wir wollen dem Gegner keinen Platz lassen, denn wenig Platz bedeutet für ihn wenig Zeit zum Spielen.

Was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft? Sie werden das Saisonziel im Moment sicher nicht an einem Tabellenplatz festmachen?

Das stimmt. Wir denken von Spiel zu Spiel, und wir wollen von Spiel zu Spiel besser werden. Wir wollen für den weiteren Aufbau in der neuen Saison die Basis schaffen. Die Konkurrenz in der DEL zum jetzigen Zeitpunkt einzuschätzen, ist schwer. Natürlich kann man verschiedene Mannschaften wieder vorne erwarten, aber in vielen Teams gab es personell auch große Veränderungen. Ich denke, nach dem ersten Viertel der Hauptrunde werden die Stärken jeder Mannschaft klarer erkennbar sein.

3300 Zuschauer kamen zum Test gegen Olten – knapp 5000 Fans waren es gegen Freiburg. Dies zeigt, dass Eishockey in Schwenninger wieder sehr populär ist. Allerdings steigen auch die Erwartungen der Fans. Was erwarten Sie denn von den Wild-Wings-Anhängern in der neuen Saison?

Diese Zahlen und diese Resonanz schon in den Vorbereitungsspielen waren für die Spieler und uns Trainer sehr beeindruckend. Dass die Fans unseren neuen Weg mitgehen wollen, ist für uns eine große Hilfe. Die Spieler wissen aber auch, dass sie dieses Vertrauen mit Leistung zurückzahlen müssen. Nach meiner Einschätzung sind viele Zuschauer in Schwenningen schon über viele Jahre dabei, sind sehr fachkundig und haben ein gutes Gespür dafür, ob die Mannschaft auf dem Eis ehrliche Arbeit abliefert oder nicht. Sie werden von uns nicht in jedem Spiel einen Sieg erwarten, aber sie wollen sicherlich, wie wir, eine positive Entwicklung sehen.

Wer ist denn Ihre neue Nummer 1?

Wir werden mit zwei Nummer-1-Torhütern in die Saison starten. Das Positive für uns Trainer ist, dass sich Joey MacDonald und Dimitri Pätzold nicht nur einen gesunden Konkurrenzkampf auf dem Eis liefern, sondern sich auch außerhalb sehr gut verstehen und sogar mit ihren Familien gemeinsame Dinge unternehmen. Wir werden über ihre Einsätze von Spiel zu Spiel entscheiden.

Wie laufen die letzten Tage vor dem ersten Spiel ab?

Sehr wichtig ist, dass wir unser Programm normal absolvieren. Wir achten sehr darauf, dass wir die Spieler, zum Beispiel am Tag vor dem Spiel, nicht in ihrem Rhythmus stören, denn jeder hat seine eigene Philosophie, wie er sich vorbereitet. Dies bedeutet auch, dass wir keine Trainingszeiten oder Besprechungen plötzlich überziehen. Man darf die Spieler in dieser Phase auch nicht mehr mit Informationen über den Gegner überstrapazieren.

Hatten Sie eigentlich als Spieler vor Ihren Einsätzen ein bestimmtes Ritual?

(lacht). Nein, dies habe ich mir erst gar nicht angewöhnt. Wenn dann mal was außer der Reihe passiert wäre, hätte es auch noch ein großes Chaos gegeben. Dies wäre vor einem Spiel sicherlich für mich kontraproduktiv gewesen.

Ein ganz anderes Thema noch zum Abschluss. Das Wort "de" zwischen Ihrem Vor- und Ihrem Nachnamen lässt auf holländische Vorfahren schließen.

Das stimmt. Ich habe entfernte Vorfahren, die im holländischen-deutschen Grenzgebiet gewohnt haben.

Dann hätte aus Ihnen auch ein guter Eisschnellläufer, in den Niederlanden ja eine sehr populäre Sportart, werden können?

(lacht). Ja, dies hätte so sein können.