Lungensport macht Spaß – und die Freude an der gemeinsamen Bewegung ist die beste Voraussetzung, die Folgen der Krankheit abzumildern. Foto: Günther Foto: Schwarzwälder-Bote

Atemwegserkrankung: Lungensportgruppe in Dornstetten wird immer größer / Gezieltes Training, wenn die Puste wegbleibt

Dornstetten. Einige stöhnen angesichts der Aufforderung "Das geht noch schneller" – andere legen noch einen Gang zu. Die Leiterin der Gymnastikgruppe dreht die flotte Musik noch etwas lauter und feuert ihre Schützlinge gut gelaunt an: "Seid ihr bereit für den nächsten Gang? Könnt ihr noch?"

Was auf den ersten Blick wie die Übungsstunde einer ganz gewöhnlichen Sportgruppe aussieht, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als eine ganz besondere Reha-Sportgruppe. Denn einige Teilnehmer haben neben sich einen kleinen Tank stehen. Ein langer dünner Schlauch spendet ihnen daraus Sauerstoff. Andere haben neben sich einen Stuhl platziert, um sich bei Bedarf zwischendurch hinsetzen zu können.

Von den Teilnehmern ist ein Drittel "sauerstoffpflichtig"

In der Zeppelinstraße 21 in Dornstetten ist jeden Donnerstagnachmittag Lungensport angesagt. Die Teilnehmer sind Menschen mit Atemwegserkrankungen. Sie kommen aus der ganzen Region zu dieser besonderen Sportstunde. Die Teilnehmer sind bunt gemischt, Frauen und Männer jedes Alters sind vertreten. Rund ein Drittel sind "sauerstoffpflichtig". Sie sind auf permanente Sauerstoffzufuhr angewiesen und haben daher ihren Tank stets dabei, als Rucksack oder in einer Art fahrbarem Einkaufstrolley.

Die Gruppe Lungensport trifft sich seit drei Jahren. Begonnen hat es mit einigen Betroffenen, die in Horb-Mühlen zusammen trainierten. Angefangen hat es aber vor allem mit einer kompetenten Sportpädagogin: Claudia Raible. Sie hat zahlreiche Zusatzausbildungen im Rehasport absolviert. Hauptberuflich ist sie Fachlehrerin an einer Sonderschule, zusätzlich leitet sie als Sportpädagogin mehrere Lungensportgruppen.

Für die rund 30 Teilnehmer ist diese besondere Sportgruppe wichtig. "Mir bringt der Lungensport sehr viel", zeigt sich Gisela überzeugt. Sie ist wegen einer Auto-Immunsystem-Erkrankung schwer lungenkrank und hält sich seit Ausbruch der Krankheit durch Rehasport und zusätzlich durch regelmäßiges Trainieren im Fitnessstudio beweglich und fit.

Auch Erich lobt die gemeinsamen Sportstunden und versäumt, wenn irgend möglich, keine. Auch er ist schwer lungenkrank und permanent auf Sauerstoff angewiesen. Seine Lunge ist aufgrund eines genetischen Defekts irreparabel geschädigt. Seit Jahren ist er auf der Transplantationsliste und wartet dringend auf eine Spenderlunge. Sollte der ersehnte Anruf kommen, muss er aber eine wichtige Bedingung erfüllen: "Ich muss gesundheitlich noch einigermaßen beieinander sein, und meine Muskulatur sollte noch einigermaßen beweglich sein", beschreibt er seine große Motivation.

Überhaupt sprechen alle Teilnehmer erstaunlich offen über ihre Erkrankung. So erklärt Markus geradezu fatalistisch die Ursache seines Lungenleidens: "Bei mir kommt es vom Rauchen. Ich habe bis vor 20 Jahren geraucht." Nicht sehr viel, fügt er hinzu. Aber bei ihm hat sich ein irreversibles Lungenemphysem entwickelt, und er ist "sauerstoffpflichtig".

Obwohl Rauchen als Haupt-Krankheitsursache einer COPD (chronisch obstruktive Bronchitis) gilt, ist dies durchaus nicht bei allen Teilnehmern der Auslöser. Mehrere Gruppenmitglieder, darunter Gisela, sind lungenkrank, obwohl sie nie geraucht haben. Wie geradezu lebenswichtig für Betroffene gezieltes Lungensport-Training ist, hat die Medizin erst in den vergangenen Jahren erkannt. Denn bei Patienten mit COPD besteht eine Verengung der Atemwege. Dadurch ist der Luftstrom vor allem beim Ausatmen stark behindert. Folge ist häufig eine enorm eingeschränkte Belastbarkeit mit Atemnot bei körperlicher Belastung.

Richtige Frau, richtiger Ort: Claudia Raible fordert und motiviert

Bei den meisten Patienten entwickelt sich ein Teufelskreis: Körperliche Anstrengungen werden soweit wie möglich vermieden. Dadurch wiederum wird die Muskulatur noch mehr geschwächt. Treppensteigen wird zur Qual, Wanderungen werden nicht mehr unternommen. Nur wenn der Teufelskreis unterbrochen wird, besteht die Chance, das Fortschreiten der Krankheit zu mindern.

Ganz offensichtlich ist Claudia Raible die geeignete Person dafür, fordert sie doch ihre Patienten permanent zu wohldosierten und am Ende für sie wohltuenden Bewegungen heraus. Bewegungsmuffel haben bei ihrem pädagogischen Geschick keine Chance. Sie versteht es meisterhaft, an die noch vorhandenen – manchmal fast minimalen – individuellen Bewegungsmöglichkeiten jedes Einzelnen anzuknüpfen. Sie motiviert permanent, fordert heraus und lobt.

Langeweile kommt nicht auf, zumal in jeder Stunde andere Übungen auf dem Programm stehen. An diesem Tag ist "Wirbelsäulen-Walking" angesagt. Zu flotter Musik werden Arme und Beine bewegt. Später kommen bunte Gymnastikstäbe zum Einsatz. "Lächeln ist erlaubt", stellt Claudia Raible eingangs klar. Sie lobt Karl, den die Bewegungen sichtlich anstrengen: "Mann, was da noch bei dir geht, das ist ja gnadenlos." Als die Bewegungen mehrheitlich langsamer werden, hält sie ihre Anforderungen aufrecht. "Hauptsache, der Weisheitszahn tut nicht weh", lautet ihre Devise.

Neben der Schulung ihrer Motorik sind für die Teilnehmer auch andere Aspekte wichtig. Sie freuen sich, sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können, genießen die sozialen Kontakte und freuen sich auf gemeinsame Grillfeste oder die Weihnachtsfeier. Nur auf Gruppenwanderungen müssen sie verzichten, wie Erich nüchtern einräumt: "Bergsteigen über den Karlsruher Grat ist nicht mehr drin."

Weil sich die Gruppe über Mund-zu-Mund-Propaganda stetig vergrößerte, wird sie ab Januar geteilt. Dann heißt es in Dornstetten zweimal "Auf zum Lungensport!". Weitere Gruppen gibt es in Mühlen, Nagold und seit diesem Monat in Herrenberg. Wer sich informieren will, kann sich unter Telefon 07451/907 92 88 an Claudia Raible wenden.

 An der COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, englisch: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) leiden in Deutschland rund vier Millionen Menschen, weltweit sind es 400 Millionen. Die Patientenzahlen nehmen von Jahr zu Jahr zu.

 Eine Heilung gibt es nicht. Weltweit betrachtet ist die COPD nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die vierthäufigste zum Tod führende Erkrankung.

 Im Bereich der Lungen- und Atemwegserkrankungen gewinnt die Sport- und Bewegungstherapie an Bedeutung, um die körperliche Leistungsfähigkeit erhalten zu können.