Kunst: Schau mit bislang unbekannten Werken im Dornstetter Rathaus / Kuratorin erstellt Werkverzeichnis

Die Künstlerin Eleonore Kötter hätte die Ausstellung "Meine unbekannten Bilder" mit ihren Werken im Dornstetter Rathaus gerne selbst noch besucht. Im Juli aber starb sie. Doch ihr außergewöhnliches Talent soll in ihrer Kunststiftung weiterleben.

Dornstetten. Als die Museologin Marion Dämmig die Künstlerin im April und Mai dieses Jahres während ihrer fortschreitenden Krankheit begleitete und betreute, habe Kötter sie immer wieder gebeten, sich den Inhalt von Leinenkassetten in ihrer Dornstetter Wohnung anzusehen. Dämmig, die Kötter seit Beginn der 90er-Jahre kannte, traute ihren Augen nicht: "Ich fand mir bisher unbekannte Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken."

Sofort habe sie der Künstlerin vorgeschlagen, anlässlich ihres 85. Geburtstags im September eine Ausstellung zum Thema "Meine unbekannten Bilder" vorzubereiten. Kötter sei gleich mit leuchtenden Augen dabei gewesen, die Krankheit schien für einige Momente vergessen. Wenige Wochen später starb Kötter, Dämmig wurde Kuratorin der Ausstellung.

"Sie wollte immer Künstlerin werden", erzählt Dämmig über die Frau, die 1943 im Alter von elf Jahren mit ihrer Familie aus Wuppertal wegen des Krieges nach Aach geflohen war. Ihr Vater habe aber darauf bestanden, dass sie zunächst einen kaufmännischen Beruf lernt. "Das hat sich hinterher als glücklicher Umstand erwiesen", so Dämmig.

Erstens habe Kötter so gewusst, wie sie ihre Werke am besten verkauft, zweitens habe sie sich durch Arbeit im elterlichen Betrieb ihr Kunststudium in Stuttgart finanzieren können, wo sie auch nach dem Abschluss noch einige Jahre lebte. So sei sie von 1954 bis 1974 ständig zwischen Stuttgart und Dornstetten gependelt. "Das ist schon bemerkenswert für eine Künstlerin, die ja ihre Ruhe und Muse braucht", sagt Dämmig, "sie hatte eine unglaubliche Disziplin".

Auch habe sie "von Anfang an ein Qualitätsbewusstsein" gehabt, entsprechend sei sie auch eine "ernst zu nehmende Künstlerin". Zum Beispiel ihre mit Linolschnitt dargestellten Fachwerkhäuser haben laut Dämmig zum Erhalt der historischen Architektur im Schwarzwald beigetragen: "Sie hat die Leute daran erinnert, dass wir hier eine Kulturlandschaft haben und gesagt: ›Reißt nicht jedes Haus ab‹." Kötter habe erreicht, dass eine ganze Region in dieser Hinsicht sensibilisiert worden sei. "Ich glaube, in fast jedem Rathaus hier im Landkreis hängt ein Linolschnitt von Kötter", sagt Dämmig.

Ohnehin habe die vielseitig begabte Künstlerin in jedes Werk ihre "Seele" einfließen lassen – und damit auch den Häuser-Porträts eine Seele gegeben. Gerade im Linolschnitt hält die Kuratorin Kötter für "eine ganz Große". Sie habe den Wikipedia-Artikel über Linolschnitt gelesen und findet, dass neben Künstlern wie Pablo Picasso auch Eleonore Kötter mit der Technik in Verbindung gebracht werden müsse. "Aber sie hat das Internet immer abgelehnt", sagt Dämmig etwas bedauernd, "deswegen taucht sie da auch nicht auf". Der Kunstverlag Josef Finke zählt Kötter immerhin zu den 50 wichtigsten Künstlerinnen Baden-Württembergs, was Dämmig "richtig" findet.

Außerdem will sie nun ein online verfügbares Werkverzeichnis erstellen. Wie vielfältig Kötters Kunst ist, zeigt die Ausstellung im Dornstetter Rathaus: In teilweise düster wirkenden Bildern verarbeitet sie ihre Eindrücke vom Krieg, ein Siebdruck stellt die verschwommene Sicht der Fernsehzuschauer auf die erste Mondlandung 1969 dar, und dazwischen hängen bunte Farbholzschnitte mit Motiven des deutschen Wirtschaftswunders sowie ein farbiges Aquarell aus dem Jahr 1950, das ein Karussell in Dornstetten zeigt.

Eines haben laut Dämmig aber alle Werke von Kötter gemeinsam: "Erst wenn sie im Kopf völlig klar war, hat sie was angefangen, sie hat sich immer voll mit ihren Werken identifiziert und sich da reingedacht." Mit Blick auf Kötters außergewöhnliches Talent und ihren hohen Anspruch an sich selbst ist der Kauf eines ihrer Werke laut Dämmig daher "definitiv keine Fehlinvestition".

Zudem sieht die Kuratorin in Kötters Lebenswerk großes Potenzial für den Landkreis Freudenstadt. Kötters Stiftung EK wird nun von der Stadt Dornstetten verwaltet, die gerade ein Team aus ehrenamtlichen Kuratoren zusammenstellt. "Wenn man es schafft, die Stiftung am Leben zu erhalten, wäre das für den Landkreis ein Highlight", sagt Dämmig, "das ist auch wirtschaftlich gesehen ein Schatz, den man hüten sollte". Die Umgebung habe bereits so viel zu bieten – was ihr aber bisher fehle, sei ein "kunsttouristisches Ziel". "Meine unbekannten Bilder" ist noch bis Ende Oktober zu den Öffnungszeiten der Stadtverwaltung im Dornstetter Rathaus zu sehen. Zugang zu jedem einzelnen Bild der Ausstellung bietet ein Katalog mit jeweils passenden Zitaten aus Kötters Tagebüchern.