Vor den Geschäften der jüdischen Familien standen am 1. April 1933 in Donaueschingen SS- und SA-Patrouillen, um den Boykott durchzusetzen. Beim Novemberpogrom 1938 kam es zu Plünderungen und Ausschreitungen. Foto: Filipp

Martina Wiemer informiert über jüdisches Leben in Donaueschingen. Hobby-Historikerin befürwortet Gedenktafeln statt Stolpersteine.

Donaueschingen - In ihren Stadtführungen zum jüdischen Leben informiert Martina Wiemer Interessierte über die vier jüdischen Familien, die die Reichspogromnacht in Donaueschingen miterlebt haben. Außerdem setzt sie sich für die Gedenkstättenförderung ein.

2009 begann Wiemer mit ihren Führungen, die von der evangelischen Erwachsenenbildung angeboten wurden. Seit diesem Jahr werden sie von der Stadt angeboten, Martina Wiemer führt sie aber immer noch durch.

"Meine Informationen habe ich am Anfang aus der Stadtchronik und dem Internet bekommen", erzählt sie im Gespräch mit unserer Zeitung. "Dort gab es allerdings große Lücken, viele Geschichten wurden immer wieder weitergegeben, dadurch gingen die Details verloren."

Auf wichtige Einzelheiten der jüdischen Geschichte in Donaueschingen stieß Martina Wiemer dann bei ihrer Recherche im Landesarchiv in Freiburg. Dabei kam heraus, dass vier Familien, die in Donaueschingen lebten, die Reichspogromnacht am 9. November 1938 hier miterlebten.

In den Akten, die Wiemer in Freiburg fand, stellten besagte vier Familien Anträge auf Wiedergutmachung für alles, was ihnen angetan wurde. Der Lebensweg der jüdischen Familien Besinger, Guggenheim, Lindner und Weil wird ab 1939 genau dokumentiert.

"Ich werde oft gefragt, warum es vor den damaligen Häusern der Juden keine Stolpersteine gibt. Ich persönlich halte von diesen nicht sehr viel", verrät Wiemer. Auf die Frage warum, erklärt sie, das habe drei Gründe.

Erstens seien ihr auf einem Stolperstein nicht genügend Informationen enthalten. Nur der Name, das Geburtsjahr und wann der- oder diejenige ermordet wurde oder gestorben ist, das sei ihr nicht genug. "Da erfährt man nichts über die Geschichte, die ein Mensch erlebt hat."

Der zweite Grund sei, dass in zwei der vier Häuser, die damals von den jüdischen Familien bewohnt wurden, auch heute noch Nachfahren der "arischen Geschäftsführer" leben. "Die Hauseigentümer dürfen ihre Meinung zu einem Stolperstein nicht äußern, das ist nicht okay", findet Wiemer.

"Der dritte Grund ist, dass der Künstler der Stolpersteine, Gunter Demnig, die Voraussetzungen für einen Stein setzt. Und er hat andere Kriterien als ich", so Martina Wiemer. Damit meint sie: Demnig setzt keine Stolpersteine für Halbjuden oder Sinti und Roma, von denen aber in Donaueschingen auch einige gelebt hatten. "Auch ihnen wurde Unrecht getan. Sie sind Opfer, ihnen sollte man ebenfalls gedenken."

Sinnvoller seien für Wiemer Gedenktafeln. "Damals hingen vor dem Rathaus Kästen mit den Seiten der damaligen Zeitung aus. Darüber stand geschrieben: ›Die Juden sind unser Unglück‹. An dieser Stelle Gedenktafeln aufzuhängen, für jede Familie und Geschichte eine, das wäre sinnvoll."

Im Gemeinderat wurde schon einige Male über Stolpersteine oder Alternativen dazu geredet. "In nächster Zeit wird das auch noch einmal Thema werden. Und ich hoffe, ich kann die Räte, den Bürgermeister und den Oberbürgermeister von meiner Idee und den Gedenktafeln überzeugen."