Manfred Kemter, der ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt und des Landkreises, will es genau wissen. Er misst den Abstand zwischen den Pflastersteinen nach. Dieser stimmt nicht mit der DIN-Vorgabe überein. Foto: Falke

Behindertenbeauftragter kritisiert Residenzviertel und die schwierige Zusammenarbeit mit Stadtverwaltung.

Donaueschingen - Benötigt das Residenzviertel wirklich eine Spur für behinderte Menschen? Manfred Kemter, ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter der Stadt und des Landkreises, sagt eindeutig "Ja". Er kritisiert die Zusammenarbeit mit der Stadt scharf.

Nachdem vergangene Woche der Antrag der FDP im Gemeinderat scheiterte, im neugebauten Residenzviertel eine Spur für gehbehinderte Menschen im Gehbereich einzubauen, meldet sich nun der Behindertenbeauftragte der Stadt Donaueschingen zu Wort. Erst vergangene Woche hat der Schwarzwälder Bote auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung die Antwort erhalten, dass der Behindertenbeauftragte von Beginn an in den Entstehungsprozess des Residenzviertels mit einbezogen gewesen sei. "Falsch", sagt dieser. Erst auf seine Initiativ hin habe er Informationen erhalten. Dabei habe es sich aber lediglich um eine Grobplanung ohne konkrete Details gehandelt, gibt er Auskunft.

In Bezug auf die behindertengerechte Gestaltung der Stadt Donaueschingen habe die Stadtverwaltung noch nie aktiv die Zusammenarbeit mit ihm gesucht, macht sich der Behindertenbeauftragte kräftig Luft. "Ich habe so einen dicken Hals." Kemter, der selbst seit seiner frühen Kindheit Rollstuhlfahrer ist, ärgert vor allem, dass seine und die Bedenken anderer beeinträchtigter Menschen von Anfang an nicht ernst genommen wurden. Nach Fertigstellung der Schützenbrücke habe der Behindertenbeauftragte umgehend Kritik an der Verlegung der Pflastersteine an die Stadt weitergegeben. "Ein Zeitpunkt, wo das Stadtbauamt noch reagieren hätte können und den nachfolgenden Teil zur Stadtkirche hinauf behindertenfreundlich gestalten lassen können", berichtet Kemter sichtlich verärgert. Die Stadt reagiert auf die Kritik des Rollstuhlfahrers nur einsilbig: "Das reißen wir jetzt nicht mehr raus."

Kemters Kritikpunkte an der Umsetzung des Residenzviertels sind: 1. Die Abstände zwischen den Pflastersteinen sind mit zweieinhalb Zentimetern zu groß. Dadurch holpert ein Rollstuhl, ein Rollator oder auch ein Kinderwagen zu stark über die Steine. Die Füße von Rollstuhlfahrern fallen von den Fußrasten. Es bedarf einer großen Anstrengung, die Steigung zur Stadtkirche zu bewerkstelligen. 2. Die Querneigung an manchen Stellen fordert den gehbehinderten Menschen einiges an Kraft ab, um in der Spur zu bleiben. 3. Die Tiefgarage hält er für besonders gefährlich. Der komplette Bereich vor der Abfahrt ist abschüssig. Schon an den Seitenrändern sei das Gefälle so stark, dass ungeübte oder nicht so kräftige Rollstuhlfahrer im Nu geradewegs in die Tiefgarage gerieten oder sogar mit dem Rollstuhl umkippten, weil sie durch das starke Gefälle das Gleichgewicht verlieren könnten. Dieser Zustand wurde der Stadt von Seiten Kemters umgehend mitgeteilt. Die Stadt habe trotzdem nicht gehandelt. Wer sich dieser Gefahrenzone nicht gewappnet fühle, weiche zwangsläufig auf die Fahrbahn aus.

Zwei Begehungen haben mit dem Behindertenbeauftragten und dem Stadtbauamt während des Baus stattgefunden. Bis auf den Versuch, die Steine durch besseres Einsanden und Rütteln stabiler werden zu lassen, wurde allerdings nichts unternommen. Das Residenzviertel sei planerisch eine absolute Fehlleistung, sagt der Behindertenbeauftragte. Er weist darauf hin, dass auch sehbehinderte Menschen mit dem Residenzviertel enorme Schwierigkeiten hätten.

Nach Recherchen unserer Zeitung hat das Residenzviertel auf den ersten Blick zwei gravierende Mängel für Blinde und Sehbehinderte: 1. Die eindeutige Abtrennung zwischen Gehbereich und Fahrbahn ist nicht vorhanden. Die Absetzung müsste mit einem stark kontrastreichen Streifen umgesetzt werden. 2. Bei der großen Treppe fehlen sowohl auf der ersten als auch auf der letzten Stufe Markierungen, die den sehbehinderten Menschen die Orientierung über den Beginn oder das Ende einer Treppe erleichtern. Kemter hat aber die Zusage der Stadt erhalten, dass die Markierungen nachträglich angebracht werden. Doch wann dies passieren soll, weiß Kemter nicht.

"Die Stadt misst hier mit zweierlei Maß. Für die Touristen rund um den Quelltopf verlegen sie glatte Steine. Die Einheimischen können sich über das Kopfsteinpflaster mit all seinen Tücken quälen", meint Kemter. Bei den Arbeiten rund um den Quelltopf zu den Themen Treppe, Handlauf und Behindertenaufzug hingegen fand eine positive Zusammenarbeit zwischen Kemter und dem zuständigen Architekten statt.

Für gehbehinderte Menschen ist der Weg durch das Residenzviertel der einzige Zugang zur Stadt, der von der Steigung her einfach zu bewältigen sei. Die Max-Egon- oder die Zeppelinstraße sind da keine Alternativen. Ältere Menschen, beispielsweise vom nahegelegenen Seniorenheim St. Michael oder den Seniorenwohnungen Irmapark wollten nicht nur in die Stadt, sondern auch Messen in der St. Johann-Kirche besuchen.

Auch der Gemeinderat kommt bei Kemters Rund-um-Schlag nicht gut davon. "Dieser spricht doch mit gespaltener Zunge. Zwar sind fast alle der Meinung, dass die Situation nicht optimal ist, dennoch stimmen die meisten dafür, dass alles beim Alten bleiben soll", schimpft der Rollstuhlfahrer. "Die Stadt verliert mit dieser Einstellung ihr Gesicht. Für eine Stadt wie Donaueschingen, mit solch einem Bekanntheitsgrad, müssten die Belange aller Bürger selbstverständlich sein und dürften nicht gerade die der schwächsten Bevölkerungsgruppe ignorieren", findet Kemter deutliche Worte.

Der Behindertenbeauftragte fühlt sich in Donaueschingen allein auf weiter Flur. Einige Erfolge konnte er in mühevollen und jahrelangen Verhandlungen erreichen. Zum Beispiel den neuen unteren Eingang zur Stadtbibliothek oder der behindertenfreundliche Bau des großen Kreisverkehrs beim Autohaus Südstern. Der 60-Jährige, der seit seinem fünften Lebensjahr wegen Kinderlähmung im Rollstuhl sitzt, übt seine Funktion ehrenamtlich aus. Auch in Villingen-Schwenningen, wo er viele Jahre dem Behindertenbeirat angehörte, sei es jahrelang sehr schwer gewesen, die Interessen behinderter Menschen zu vertreten, doch dort gehe es mittlerweile. "Jetzt werden die Vertreter frühzeitig eingebunden", so Kemter, der diese Erwartung auch an Donaueschingen hat.