Foto: Falke Foto: Schwarzwälder-Bote

"Aussteiger" lebt in der "Wildnis"

Ein Campingstuhl steht am Wegesrand im Wald. Berge von Mülltüten türmen sich rund herum, unzählige Plastikpfandflaschen liegen daneben: Es ist ein Bild, das sich seit Jahren immer wieder an anderen Orten im Donaueschinger Stadtwald zeigt.

Donaueschingen. Verantwortlich dafür ist ein junger Mann, der nach Angaben mehrerer Behörden seit geraumer Zeit im Wald lebe. Sowohl das wilde Campen als auch die Umweltverschmutzung sind Vergehen, die rechtlich geahndet werden können. Doch in diesem Fall scheinen die Behörden machtlos zu sein.

Es ist kaum vorstellbar, dass es in einem Land voller Gesetze und Paragrafen noch irgendwo Lücken gibt, die einen rechtsfreien Raum ermöglichen. Solch eine Grauzone, wie es die Behörden nennen, scheint nun der junge Donaueschinger voll auszunutzen. Er hat den Stadtwald als neues Zuhause auserkoren – seit drei Jahren. Nach Einschätzung all jener, die schon einmal Kontakt mit ihm hatten, will sich der junge Mann lediglich aus der Gesellschaft zurückziehen. Allerdings tut er dies mit wenig Rücksicht auf die Natur. Weil er aber weder sich selbst noch jemanden anderen gefährdet, sind den Behörden nach eigenen Angaben die Hände gebunden. Denn für dieses Verhalten darf lediglich ein Bußgeld verhängt werden. Diese Strafzettel laufen bei dem Mann, der offenbar nur die finanzielle Grundsicherung vom Staat erhalte, ins Leere.

Manfred Fünfgeld, Revierleiter des Stadtwaldes, schaut dem Treiben nun schon im dritten Jahr zu. Erstmalig ist der etwa 30-Jährige auf dem Schellenberg in Erscheinung getreten, vergangenes Jahr zwischen Donaueschingen und Grüningen und dieses Jahr ist der beliebte Paganini-Wanderweg zwischen Donaueschingen und Wolterdingen sein Revier. Im März ist Fünfgeld das Zelt wieder aufgefallen und der erfahrene Förster wusste sofort, dass der ungebetene Waldbewohner wieder da ist. Und egal wo sich der Mann im Wald aufhält, seine Spur ist nicht zu übersehen. Denn überall hinterlässt er Plastiktüten mit Müll, Bonbonpapier, Essensreste, Papier und Taschentücher, bevor er mit seinem Campingtisch und einem Klappstuhl ein paar Meter weiterzieht.

Mehrmals hat Fünfgeld versucht mit dem Mann in Kontakt zu treten. "Es ist aber nur eine minimale Kommunikation möglich gewesen. In aller Regel läuft er weg oder hält sich die Ohren zu und sagt, dass er Hörprobleme habe und Lärm nicht ertrage", berichtet der Revierleiter. Anfangs habe Fünfgeld noch gehofft, dass sich das Problem nach dem ersten Winter von alleine löst, aber mittlerweile ist der Fall für ihn zum Dauerthema geworden. Schwang anfangs noch eine ordentliche Portion Mitgefühl bei Fünfgeld mit, hat dieses mittlerweile in eine ordentliche Portion Ärger umgeschlagen. Denn trotz der Hilfsbedürftigkeit, die der Mann wortlos vermittelt, dringt aber auch viel Dreistigkeit durch. So lässt sich der Waldmensch gerne auch mal mit dem Taxi in den Wald chauffieren und wenn der Revierleiter dann mal wieder ein paar Tüten Müll aufsammelt, sagt er ihm noch, dass er den anderen Müll ja auch noch einsammeln könne.

Aktionen, bei denen das Lager von Fünfgeld und Mitarbeitern der Technischen Dienste geräumt wurde, sind vergebens. "Zwei Wochen geht es, dann ist er wieder zurück", berichtet der Förster. Dann hat er sich wieder ein Zelt, Campingtisch und einen Stuhl gekauft und alles geht von vorne los.

Ein Zustand, den auch Roland Volk (Bild) von der Firma Waldläufer, die in der Nähe einen Bogenparcours betreibt, nicht länger dulden will. Auf der einen Seite zeigt er sich fassungslos ob der Vermüllung auf der anderen Seite: "Ich bin besorgt darum, dass wir im Winter hier mal auf einen erfrorenen Menschen treffen. Außerdem ist es nicht ungefährlich, wenn er sich wirklich auch mal im Parcours aufhalten sollte." Seiner Auffassung nach könne es so nicht weitergehen.

Die Jagdpächter machen um das Gebiet sogar schon einen großen Bogen, aus Sorge, versehentlich den Mann beim Schießen zu treffen. Theo Kneer, der bei der Stadt für den Forst zuständig ist, kann nur mit den Schultern zucken. Denn so, wie er sagt, habe die Stadt keine Handhabe, um den Mann den Aufenthalt im Wald zu verbieten.

Bußgeld: Die Strafe für Müllablagerungen im Wald kann laut Bußgeldkatalog empfindlich hoch sein. Von zehn bis zu 500 Euro, wenn der Müll über zwei Kilogramm wiegt, können verhängt werden. Auch beim Wildcampen kann die Strafe zwischen zehn und 200 Euro ausmachen, so der Bußgeldkatalog. Doch, wie Theo Kneer von der Stadt bestätigt, lebt der Mann von der staatlichen Grundsicherung. Das sind rund 400 Euro im Monat, die der Obdachlose als Tagesgeld ausbezahlt bekommt. Die verhängten Bußgelder werden nicht bezahlt. Von der Grundsicherung dürften diese aber nicht gepfändet werden.

Ersatzhaft: Wie Michael Aschenbrenner erklärt, gebe es zwar schon die Möglichkeit, den Mann für die nicht bezahlten Bußgelder in Ersatzhaft zu nehmen. Doch auch diese Variante sei in dem Fall alles andere als nachhaltig, sagt Aschenbrenner. Denn nach wenigen Tagen müsse die Polizei ihn auch wieder freilassen.

Platzverweis: Die Polizei könnte dem Waldmenschen einen Platzverweis aussprechen, so dass er den Platz im Wald verlassen muss, erklärt Aschenbrenner weiter. Doch das verhindere im Fall des Donaueschingers nicht, dass er dann an anderer Stelle wieder auftauche.

Unterbringung in einer Einrichtung: Erst wenn von dem Mann eine erhebliche Gefahr der Fremdgefährdung oder der Eigengefährdung vorliege, könne ein Bürger gegen seinen Willen in eine Einrichtung untergebracht werden, so der Polizeisprecher weiter. Die Verstöße, die der Donaueschinger begeht, sind allerdings laut Pressestelle des Landratsamts aber noch lange kein Grund für die Behörden diese Maßnahme zu vollziehen. Schließlich ziehe sich der Mann anderen gegenüber eher zurück und stelle keine Gefahr für sich selbst dar, so die Einschätzung der Behörde. (maf)