Dass Theia mit einer Frau an ihrer Seite Hand in Hand durchs Leben geht, hätte sie sich nie träumen lassen – ebenso wenig, wie die Tatsache, dass aus Thomas ganz Theia geworden ist. Foto: Spitz Foto: Schwarzwälder-Bote

Als Junge geboren, als Frau im Leben angekommen: eine Baaremerin geht einen mutigen Schritt und findet ihr Glück

Von Cornelia Spitz

Donaueschingen. In dem Café am Donaueschinger Hanselbrunnenplatz sitzt eine glückliche Frau. 1972 wurde sie als Junge geboren.

Stopp, halt, zurückspulen: "sitzt eine Frau" und "als Junge geboren" – nein, hier hat sich kein Fehlerteufel eingeschlichen. Die Geschichte von Theia ist eine wahre Geschichte. Eine, die das Leben schrieb. Und die doch so unsagbar spannend und ungewöhnlich ist, dass sie hätte erfunden sein können.

Theia kam als Junge, wir nennen ihn Thomas*, zur Welt, fühlte sich aber bereits im Jugendalter als Frau. Erst eine undefinierbare Ahnung, im späteren Jugendalter dann die Gewissheit: Das Gefühl war richtig, der Körper aber war der falsche. Das falsche Geschlecht.

Trotzdem: Thomas baute sich ein klassisches Männerleben auf: Studium des Maschinenbaus, eine Anstellung in einem Donaueschinger Unternehmen als CAD-Trainer... Das hätte munter so weitergehen können, hätte sich das Gefühl, im falschen Körper gefangen zu sein, nicht verstärkt – und wäre da nicht ein unbändiger Wille gewesen, ganz Frau zu sein. Zuerst schuf sich Thomas ein zweites Leben, ein "Second Life" im Internet. Später wurde alles ganz real. Thomas ließ seine ohnehin schon langen Haare weiter wachsen, hängte die Männerklamotten an den Nagel, outete sich bei seiner Familie mit einem Brief an seine Mutter und seine Schwester – der überraschend positiv aufgenommen wurde, und schließlich wurde auch im Büro aus Thomas Theia. Wieder lief alles völlig problemlos. Vielleicht auch deshalb, weil Theia keines dieser Klischees schriller, überschminkter, ein bisschen tuntig wirkender Transsexueller erfüllt hat.

Untersuchungen, psychologische Gutachten, ein, wenn man so will, ordentliches Gerichtsverfahren – nachdem damit Monate verstrichen und rund 1500 Euro Kosten bezahlt waren, war endlich ein weiterer Meilenstein erreicht: die Vornamensänderung. Theia war nun auch behördlich geboren.

Den letzten, ganz großen Schritt ins neue Leben hatte Theia aber weiter vor sich: die geschlechtsangleichende Operation. Im November 2008, als der Schwarzwälder Bote schon einmal von Theias ungewöhnlichem Lebensweg erzählte, war diese OP noch eine Vision.

Seither hat Theia ihr Leben in vielfacher Hinsicht umgekrempelt. Noch mehr? Ja, noch mehr. Sie hatte eine Liebesbeziehung eigentlich "kategorisch ausgeschlossen", aber unverhofft kommt bekanntlich oft: Theia lernte Monika kennen und lieben, naja, eigentlich war Theia damals noch Thomas. Trotzdem sagt Monika: "Ich habe sie als Frau kennengelernt", sie sah den Menschen hinter der körperlichen Fassade. Angst? Unsicherheit? Scheu vor einer so gar nicht ins Schema F des Lebens passenden Situation? "Nein, es war für mich normal, sie war für mich immer eine Frau, die auf dem Weg ist, das zu vervollkommnen. Und ich bin den Weg gerne mit ihr gegangen."

Theia strahlt, als Monika das an diesem sonnigen Nachmittag im Café erzählt, legt ihre Hand auf Monikas. An beiden Händen blitzen Eheringe. Theia und Monika sind seit Mai 2010 Frau und Frau, ein Ehepaar. Und als sie ein Stück Geschichte ihrer noch jungen Ehe erzählen, wird klar, das glücklich bei beiden nicht nur ein seelischer Zustand, sondern eine Wendung des Lebens ist. Monika hörte zu, sah genau hin, ließ Theia auf dem Weg zur geschlechtsangleichenden Operation alle Hintertürchen offen. Sie hätte Theia auch mit biologisch männlichem Körper als Frau an ihrer Seite behalten, geliebt. Und Theia? Sie hätte kein verständnisvolleres, sensibleres Gegenstück finden können, durfte ganz Frau werden. Ohne Zwang. Ohne Druck. Vor wenigen Wochen, Anfang August, ging Theia noch im Körper eines Mannes in eine Münchner Klinik. Eine viereinhalbstündige, die Krankenkasse eine gute fünfstellige Summe kostende Operation und einige Tage zur Regeneration und Heilung später, verließ Theia die Klinik an Monikas Hand im Körper einer Frau. Geschafft! Und jetzt? "Einfach leben", sagt Theia.